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In diesem Stollen steckt echter Mohn aus Wilsdruff

Ein Landwirt aus Helbigsdorf wagt ein Experiment mit Backmohn. Und hat Glück. Das hat nun auch die Landbäckerei Schmidt aus Leupoldishain - mit ihrem Mohnstollen.

Von Katarina Gust
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Stollenmädchen: Nicole Arko von der Landbäckerei Schmidt präsentiert die ersten Mohnstollen, die mit Mohn aus Wilsdruff gebacken wurde.
Stollenmädchen: Nicole Arko von der Landbäckerei Schmidt präsentiert die ersten Mohnstollen, die mit Mohn aus Wilsdruff gebacken wurde. © Steffen Unger

Es duftet weihnachtlich in der Landbäckerei Schmidt in Leupoldishain. Hier, in der modernen Produktionsstätte am Fuße der Festung Königstein, stapeln sich kurz vor Beginn der Adventszeit die Weihnachtsstollen. Rosinen- und Mandelstollen - gezuckert oder oben ohne - sind die Klassiker. Aber auch Mohnstollen hat seinen festen Platz im Sortiment der Großbäckerei, die sachsenweit etwa 40 Filialen betreibt.

In diesem Jahr einen ganz besonderen. Denn im Mohnstollen steckt noch mehr Regionalität als sonst. Die dunkelgrauen Mohnkörner werden nicht mehr aus dem Ausland bezogen. In diesem Jahr steckt in dem Weihnachtsgebäck erstmals Mohn, der im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge angebaut wurde - bei Karl Schober in Wilsdruff. Insgesamt 15 Hektar hat der Landwirt dieses Jahr für den Mohnanbau vorgehalten. Ein landwirtschaftliches Experiment, an dem er seit mehr als zwei Jahren arbeitet. Denn Deutschland ist kein klassisches Mohnanbaugebiet. Dennoch: Schober war mit dem ersten Versuch 2021 so zufrieden, dass er dieses Jahr aufs Ganze ging.

In Helbigsdorf bei Wilsdruff wird der Mohn angebaut. Im Sommer, wenn die Körner in den grünen Kapseln schwarz sind und knistern, wird der Mohn geerntet.
In Helbigsdorf bei Wilsdruff wird der Mohn angebaut. Im Sommer, wenn die Körner in den grünen Kapseln schwarz sind und knistern, wird der Mohn geerntet. © Steffen Unger

Mit der Landbäckerei Schmidt hat er einen Großabnehmer gefunden. Etwa zehn Tonnen Mohn werden hier jährlich verbacken: für Mohnzöpfe, -brötchen, -schecke und eben Mohnstollen. Firmenchef John Arko ist stolz darauf, auch diese Zutat nun regional beziehen zu können. Für andere Rohstoffe gilt das bereits. Das Mehl stammt beispielsweise von der Dresdner Mühle, ein Großteil der Eier aus dem Nachbarort Struppen.


Kurze Wege gibt es jetzt also auch beim Mohn. Im Juli wurde er in Wilsdruff geerntet - wegen der günstigen Witterung früher als geplant. Mit einem umgebauten Mähdrescher wurde der Mohn gedroschen. Danach mussten die Körner noch getrocknet werden. Und zwar ganz behutsam und langsam, denn die kleinen, ölhaltigen Kügelchen sind empfindlich. Erst dann gab es grünes Licht fürs Backen.

"Das Grundrezept für den Mohnstollen stammt von meinem Opa", erklärt Nicole Arko, die mit ihrem Vater zur Geschäftsführung der Landbäckerei Schmidt gehört. Seit 1920 ist die Bäckerei in Familienhand. Damals noch als Mühle, ehe ihr Opa eine kleine Bäckerei eröffnete. Aus dieser Zeit stammt auch das Grundrezept, das über die Jahre verfeinert wurde und immer noch wird. Was genau im Mohnstollen steckt? "Viel Handarbeit", sagt Nicole Arko. Und auch Zeit. Ganze drei Tage dauert es, bis ein Mohnstollen fertig ist. Die Stollenproduktion läuft parallel zum normalen Tagesgeschäft. Und das ist eng getaktet.

28 Kilogramm Mohn für 140 Stollen

Früh um 4 Uhr geht es an diesem Morgen los. Insgesamt 140 Mohnstollen stehen auf dem Plan. Um diese zu backen, werden 28 Kilogramm Mohn gebraucht. Der getrocknete Mohn muss gequetscht werden, bevor er in einer überdimensionalen Rührschüssel weiter verarbeitet wird. Ein großer Topf kochendes Wasser wird über den Mohn geschüttet - damit er quellen kann. Zucker und Rosinen werden anschließend untergerührt, gefolgt von Zitronen- und Orangenschalenpaste sowie einer geheimen Lebkuchengewürzmischung. Danach werden Zitronat, Orangeat, Zucker und die obligatorischen Rosinen darunter gemischt - fertig ist die Mohnmischung. "Damit der Stollen noch saftiger ist, beziehen wir unsere Rosinen aus Australien", sagt Nicole Arko. Diese seien größer als die Konkurrenz aus der Türkei - aber auch etwa doppelt so teuer. Dennoch: Der Geschmack gehe vor.

Danach ist der Hefeteig dran, der ganz klassisch aus Milch, Hefe, Mehl, Butter und Zucker geknetet wird. Ein Schuss Honig, Eier und heiße Butter verfeinern die Masse. Zitronat, Orangeat, Mandelgrieß und gehackte Mandeln ebenfalls. Dann folgt das Wichtigste: die Rosinen. Insgesamt 90 Kilogramm Hefeteig liegen am Ende fein geknetet in der riesigen Rührschüssel.

Etwa 90 Kilogramm Hefeteig (o.li.) werden auf der sogenannten "Feinbacklinie" dünn ausgerollt (o.re.), gleichmäßig mit der Mohnmasse bestrichen, gerollt (u.li.) und zu einem Laib geformt (u.re.).
Etwa 90 Kilogramm Hefeteig (o.li.) werden auf der sogenannten "Feinbacklinie" dünn ausgerollt (o.re.), gleichmäßig mit der Mohnmasse bestrichen, gerollt (u.li.) und zu einem Laib geformt (u.re.). © SZ/Katarina Gust

An der sogenannten Feinbacklinie werden der Hefeteig und die Mohnmasse anschließend vereint. Über mehrere Meter erstreckt sich diese Maschine, die den Teig mithilfe von Rollen auf genau 5,3 Millimeter platt macht. Per Förderband bewegt sich die dünne Teigschicht weiter, um an der nächsten Station gleichmäßig mit Mohn bestrichen zu werden. Maschinell wird der Teig danach eingerollt, um die typische Wicklung zu bekommen. Ein schneller Schnitt und fertig liegen 600 Gramm Teig- und 500 Gramm Mohnmasse vereint als rundlicher Laib.

Fast fertig. Denn bei der Landbäckerei Schmidt bekommt der Mohnstollen als Besonderheit noch eine 250 Gramm schwere Schicht aus Streuselteig verpasst. Per Hand gezupft und angedrückt werden die Flöckchen. Dann wartet auch schon der Backofen.

Genau 50 Minuten lang wird der Mohnstollen im Ofen gebacken - ohne Form, frei liegend auf einem Blech.
Genau 50 Minuten lang wird der Mohnstollen im Ofen gebacken - ohne Form, frei liegend auf einem Blech. © Steffen Unger

"Unser Stollen wird frei geschoben", erklärt Nicole Arko. Das heißt, die Laibe backen frei liegend auf einem Blech, ohne sich zu berühren. Vergleichbar mit einem Steinofen. Auf eine Form wird verzichtet. Bei 230 Grad geht es los, später wird der Ofen auf 215 Grad herab geschaltet. 50 Minuten lang bäckt der Stollen, dann kommt er wieder an die frische Luft. Noch heiß wird er per Hand mit flüssiger Butter bestrichen. Die noch offenen Poren saugen das Fett in Sekundenschnelle auf wie ein Schwamm. Dann darf der Stollen ruhen - einen ganzen Tag lang.

Am nächsten Tag folgt ein zweites Bad in Butter - und auch in Kristallzucker. Dann wird dem Stollen die zweite Pause verhängt. Er muss erneut einen Tag ruhen und durchziehen. Am dritten Tag wartet dann das Finale: mit einer dicken Schicht Puderzucker.

Zwei Tage lang muss der Stollen ruhen, erst dann wird er in einen dicken Mantel aus Puderzucker gehüllt.
Zwei Tage lang muss der Stollen ruhen, erst dann wird er in einen dicken Mantel aus Puderzucker gehüllt. © Steffen Unger

"Der Mohnstollen hat im Vergleich zum Rosinenstollen eine kürzere Haltbarkeit", sagt Nicole Arko. Das hängt mit dem hohen Feuchtigkeitsgehalt zusammen. Innerhalb von 14 Tagen sollte er deshalb verzehrt werden. Rosinenstollen kann dagegen bei optimaler Temperatur und Luftfeuchtigkeit über Monate lagern, ohne zu verderben. "Wir essen jetzt noch Rosinenstollen vom letzten Jahr", verrät Nicole Arko.

Der Mohnstollen wird nach dem dreitägigen Backprozess in Cunnersdorf bei Gohrisch, wo die Firma einst ihren Stammsitz hatte, verpackt. Von dort geht es in die Filialen oder per Onlineshop in die ganze Welt. Etwa 14,80 Euro kostet das Kilo in diesem Jahr.