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Sächsische Schweiz: Grüne mit Hitler verglichen

In Wehlen in der Sächsischen Schweiz hat ein Einwohner Schmähbanner gegen die Grünen aufgehängt - zum Missfallen der Stadt und seiner Nachbarn.

Von Dirk Schulze
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Hitler-Vergleich am Bootssteg: Diese Aussicht haben Hotelgäste beim Frühstück auf der Terrasse.
Hitler-Vergleich am Bootssteg: Diese Aussicht haben Hotelgäste beim Frühstück auf der Terrasse. © Daniel Schäfer

Touristen, die mit der Fähre nach Stadt Wehlen in der Sächsischen Schweiz übersetzen oder auf einem Elbdampfer den malerischen Urlaubsort passieren, fällt aktuell eine zweifelhafte Meinungsäußerung zur anstehenden Bundestagswahl ins Auge. "Wer grün wählt, wählt Deutschlands Untergang!", heißt es auf einem etwa vier Meter langen Banner, das an einem Bootsanleger gleich neben der Fährstelle befestigt ist. Das Logo von Bündnis 90/Die Grünen ist darauf mit roten Balken durchgestrichen.

Das Schmähbanner ist an prominenter Stelle direkt vor der Stadtsilhouette positioniert und hängt an einem nachgebauten Wehrturm, der für die Burg Wehlen wirbt. An der Rückseite des Turms, in Richtung Wehlener Markt zeigend, wird der Ton dann noch schärfer. Dort hängt ein zweites Banner mit roter und weißer Schrift auf schwarzem Grund. Darauf der Text: "1933 - 'Wer Hitler wählt, wählt den Krieg'" sowie "2021 - 'Wer Grün wählt, wählt den Untergang'".

Eine demokratische Partei der Bundesrepublik wird damit gleichgesetzt mit den Nationalsozialisten, die den Zweiten Weltkrieg mit 60-70 Millionen Toten vom Zaun brachen und für den Holocaust mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden verantwortlich sind. Im Original stammt das Zitat im Übrigen von der KPD und lautet komplett "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg".

Blick von der Elbe auf Stadt Wehlen: Eines der Schmähbanner hängt prominent vor der Stadtsilhouette.
Blick von der Elbe auf Stadt Wehlen: Eines der Schmähbanner hängt prominent vor der Stadtsilhouette. © Daniel Schäfer

Die beiden Banner sorgen für einige Aufregung bei Urlaubsgästen sowie bei Vermietern und Gastwirten in Wehlen, die vom Tourismus leben. Besonders deshalb, weil sie durch ihren Standort an dem nachgebauten Wehrturm am Elbufer einen offiziellen Anschein erwecken. Dem ist allerdings nicht so.

Stadtverwaltung sieht keine Handhabe

Es handele sich um eine rein private Meinungsäußerung eines Einwohners, wie Stadt Wehlens Bürgermeister Klaus Tittel (CDU) betont. "Wir sind damit überhaupt nicht glücklich, aber ich sehe keine Möglichkeit, das zu verbieten", sagt Tittel. Der nachgebaute Turm auf dem privaten Bootssteg wurde 2019 anlässlich des 750-jährigen Jubiläums der Burg Wehlen errichtet - vom Eigentümer des Bootsstegs.

Ein zweiter, ähnlicher Turmnachbau steht oben auf der Burg Wehlen auf Gemeindegrund. Damals, 2019, war die Kommune froh über die zusätzliche Werbung für das Burgjubiläum. Jetzt hängen die Schmähbanner daran. Er habe mit dem Eigentümer gesprochen und ihn gebeten, die Banner abzunehmen, sagt Bürgermeister Tittel - ohne Erfolg. "Er tut der Stadt Wehlen damit nichts Gutes", sagt Tittel.

In der öffentlichen Wahrnehmung galt die Sächsische Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder als Hochburg des Rechtsextremismus. Kritiker könnten sich durch derartige Vorfälle nun erneut bestätigt sehen, fürchtet der Bürgermeister. Von Touristen habe die Stadtverwaltung bislang sowohl negative als auch positive Rückmeldungen bekommen.

Hotelgäste beschweren sich

Von der Terrasse des Manufaktur-Hotels in Stadt Wehlen blicken die Gäste beim Frühstück direkt auf das Banner mit dem Hitler-Spruch. Inhaber Mario Lucia drückt sich diplomatisch aus: "Gerade vor einem Hotel ist das nicht sehr erfreulich." Jeder dritte Gast würde sein Unverständnis äußern. Es könne jeder seine politische Meinung haben und diese äußern, betont der Hotelier und Pasta-Hersteller. In einem Touristen-Ort seien derartige Banner aber schlicht unangebracht.

Grünen-Kandidat: Relativierung der NS-Zeit

Wesentlich kritischer äußert sich Nino Haustein, Direktkandidat der Grünen im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bei der Bundestagswahl. "Es ist traurig, zu sehen, wie wenig Wissen einige Menschen über die deutsche Vergangenheit der Herrschaft der Nationalsozialisten haben und wie leichtfertig sie annehmen, die heutige Zeit wäre im entferntesten ähnlich zu den grausamen Schreckensjahren der Nazis", sagt Haustein.

Es handele sich um einen billigen Hitlervergleich, der zeige, auf welchem Niveau sich eine so handelnde Person bewege. Die Relativierung der NS-Zeit sei in rechtsnationalen und rechtsextremen Kreisen ein gängiges Mittel, um das eigene extreme Gedankengut zu normalisieren. "Letztlich relativiert der Schriftzug die Vergangenheit", sagt Haustein.

Als der Grünen-Kandidat kürzlich auf Wahlkampf-Tour in Wehlen war, hing erst eines der beiden Banner - das ohne Nazivergleich. Schon da sei er von Touristen angesprochen worden. "Viele der Menschen waren entsetzt", sagt Haustein. "Es wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Region, wenn derartig extremistische Ansichten so offen dargestellt werden." Nicht zuletzt würden solche feindseligen Äußerungen zum Teil auch mit aggressivem Verhalten einhergehen.

Urheber vermietet selbst Ferienwohnungen

Den Urheber der Schmähbanner ficht das alles nicht an. Andreas Ruppert, dem der Bootssteg gehört und der die Banner dort aufgehängt hat, freut sich sogar über den Anruf von Sächsische.de. "Es schadet auf keinen Fall dem Tourismus", sagt der Rentner, der selbst Ferienwohnungen am Wehlener Markt vermietet. Im Internet hätte er viel Zuspruch für seine Aktion bekommen, die er als Teil einer bundesweiten Plakatkampagne versteht. In unserer Demokratie sei so etwas erlaubt, erklärt er. Dass er die Grünen mit der NSDAP gleichsetzt, sieht er nicht ein.