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Haushaltseinigung: Sächsischer Minister kritisiert Ampel-Pläne zu Agrardiesel

Vergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer sollen für Landmaschinen abgeschafft werden. Damit stelle man eine Branche vor vollendete Tatsachen.

Von Tobias Winzer
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Sachsens Agrarminister Wolfram Günther sieht die Berliner Haushalteinigung in einem Punkt kritisch.
Sachsens Agrarminister Wolfram Günther sieht die Berliner Haushalteinigung in einem Punkt kritisch. © xcitepress/Benedict Bartsch

Dresden. Landwirtschaftsminister Wolfram Günther hat nach der Haushaltseinigung die vom Bund geplante Streichung von Vergünstigungen für Bauern kritisiert. "Das kommt für die Branche völlig aus heiterem Himmel", erklärte der Grünen-Politiker am Donnerstag. Konkret geht es um den Plan der Ampel-Koalition, Vergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer für Landmaschinen abzuschaffen. Das sieht die Einigung zum Bundeshaushalt 2024 vor. Zwar müssten klimaschädliche Subventionen abgebaut werden, betonte Günther. "Aber im Handstreich eine Branche gleich vor zwei vollendete Tatsachen zu stellen, ist falsch."

CDU-Vizefraktionschef Georg-Ludwig von Breitenbuch appellierte an die Landesregierung, gegen die Pläne in Berlin zu intervenieren. "Mit diesem schweren Schlag in die Magengrube aller deutschen Bauern entsteht ein böser Wettbewerbsnachteil zu anderen europäischen Ländern." Die Vergünstigungen seien bisher ein unbürokratischer Ausgleich für eine Branche, "die uns jeden Tag ernährt und unsere Landschaft hegt und pflegt".

Haushaltseinigung: IHK kritisiert steigende Strompreise

Auch die Wirtschaft in Sachsen rechnet mit negativen Folgen für Unternehmen. Der Dresdner Präsident der Industrie- und Handelskammer, Andreas Sperl, begrüßt zwar die zugesicherte Förderung der Halbleiterindustrie, sieht aber Nachteile für die kleinen und mittleren Betriebe. Das gelte besonders mit Blick auf die geplante Streichung des Zuschusses für die Netzentgelte. "Die daraus resultierenden Preissteigerungen treffen die Wirtschaft zur Unzeit", so Sperl.

Nach Berechnungen der Deutschen Industrie- und Handelskammer müssen Betriebe 2024 bis zu 20 Prozent mehr für ihren Strom zahlen. Die Bundesregierung vollziehe eine 180-Grad-Wende, so Sperl, und mute den ohnehin schon mit hohen Energie- und Abgabekosten belasteten Unternehmen erhebliche Preissteigerungen zu. "Bei allem Verständnis für notwendige Einsparungen, aber hier muss dringend nachgebessert werden", so Sperl.

FDP-Abgeordneter greift Kretschmer an

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte sich zuvor ebenfalls skeptisch zur Haushaltseinigung geäußert. "Ich bin ein bisschen in Sorge. Ich sehe diese steigenden Kosten zunächst beim Thema Energie", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch dem MDR. Die beschlossene Erhöhung des CO2-Preises werde Verkehr und andere Bereiche verteuern. "Ich glaube, das ist kein guter Weg in einer Zeit der wirtschaftlichen Schwäche." Wichtig wären Wachstumsimpulse und nicht zusätzliche Belastungen.

Notwendig sei jetzt "eine Politik entlang des gesunden Menschenverstandes", sagte Kretschmer. "Mit diesem Beschluss der letzten Nacht geht das Durchwurschteln weiter und das ist schade." Kretschmer wiederholte seine Forderung, die Energiewende neu aufzusetzen. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sagte er, mehr diplomatische Initiativen seien jetzt wichtig. "Das Sterben muss aufhören. Diese enormen Kosten müssen aufhören. Das ist das, was wir von unserer Bundesregierung erwarten und nicht, dass sie weitere Milliarden in diesen Krieg steckt."

Am Donnerstag legte Kretschmer nach: "Man bekommt den Haushalt zusammen, doch alles verteuert sich. Daraus entsteht kein positiver Spin, nichts, woraus Wachstum und Zuversicht folgt", sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur und beschrieb das Handeln der Koalition als "Durchwurschteln". Man könne jeden einzelnen Aspekt aus der Einigung herausnehmen und manche Dinge auch als richtig bewerten. Aber das große Ganze habe die "Ampel" nicht im Blick.

Der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst wiederum kritisiert Kretschmer: "Die Behauptungen des Ministerpräsidenten sind absurd. Der geplante Haushalt des Jahres 2024 entlastet jede sächsische Familie um durchschnittlich rund 580 Euro pro Jahr." Das sei ein Vielfaches der zusätzlichen Belastungen durch die höhere CO2-Bepreisung und die Veränderung der Stromnetzentgelte. "Bei der Entlastung der Betriebe blockieren ausgerechnet die unionsgeführten Bundesländer einschließlich Sachsen. Denn die Ministerpräsidenten stellen sechs Milliarden Euro Steuererleichterungen für Betriebe und den Wohnungsbau in Frage."

Linke fordert Klarstellung von Kretschmer

Sachsens Linkspartei kritisiert derweil ein Statement von Kretschmer auf X, bei dem dieser unter anderem das Arbeitszeitgesetz bemängelt und als "Hemmnis" bezeichnet. "Dass ein sächsischer Ministerpräsident im Jahr 2023 Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte so offen infrage stellt, wie Michael Kretschmer es tut, ist ein Skandal", teilen die Parteichefs Susanne Schaper und Stefan Hartmann mit. Das Arbeitszeitgesetz sei eine Errungenschaft jahrhundertelanger Kämpfe gewerkschaftlicher und sozialistischer Bewegungen. Schaper und Hartmann verlangen von den Koalitionspartnern SPD und Grünen, auf eine deutliche Klarstellung des Ministerpräsidenten drängen.

Die Ampel-Koalition hatte sich am Mittwoch vier Wochen nach dem historischen Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts verständigt, wie sie das Milliardenloch im Bundeshaushalt 2024 schließen will. Geplant ist unter anderem eine stärkere Anhebung des CO2-Preises, der auf die Benzin- und Gaspreise durchschlägt. Die Streichung des Zuschusses für die Netzentgelte dürfte zu höheren Strompreisen führen. Die Schuldenbremse wird vorerst nicht ausgesetzt, die Koalition hält sich das aber auch wegen des Krieges in der Ukraine offen.

Dulig erleichtert über Unterstützung der Chipfabriken

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig dagegen zeigte sich von der Einigung im Bund erleichtert. "Ich bin wahnsinnig froh, dass heute eine Entscheidung getroffen wurde", sagte der SPD-Politiker. Jeder Tag länger hätte die Vertrauensbasis minimiert, so Dulig. Der Minister wertete es als positives Zeichen, dass die Ampel trotz Haushaltskrise an den Milliardenzuschüssen für Industrieprojekte in Ostdeutschland festhalten will. Dies bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner. Dazu gehören etwa Subventionen für die Chipfabriken von Intel in Magdeburg und von TSMC in Dresden. Der Chipkonzern TSMC will in der sächsischen Landeshauptstadt ein Halbleiterwerk errichten. Die Investitionssumme liegt bei rund zehn Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte angekündigt, den Bau mit bis zu fünf Milliarden Euro unterstützen zu wollen.

Dulig habe sich darauf verlassen, dass die zugesagte Unterstützung für die Halbleiterindustrie komme. "Alles andere wäre für mich unvorstellbar gewesen". Nun müsse das Geld konkret fließen, forderte Dulig. Dabei gehe es nicht nur um die Chipindustrie, sondern auch um das Thema Wasserstoff und generell die Transformation der Industrie. Die Ansiedlungen seien für Sachsen und Europa strategisch wichtig, weil sie Abhängigkeiten von Asien und Amerika reduzierten und helfen würden, Lieferketten für die heimische Industrie und den Mittelstand zu sichern.

Günther freut sich über Klima-Bekenntnisse

Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) hatte sich bereits am Mittwoch zu der Entscheidung geäußert und gesagt: "Die Einigung der Ampel beim Haushalt schafft Stabilität und Planbarkeit." Die Ampel habe sich klar zum Klima- und Transformationsfonds bekannt. Das sei wichtig. "Jetzt muss es klare Aussagen geben, was die Haushaltseinigung für konkrete Vorhaben bedeutet, also für die TSMC-Ansiedlung, für die sächsische Solarindustrie, für die Dekarbonisierung der Stahl- und Chemieindustrie und für andere. Dass sie Unterstützung in dieser Transformation bekommen, dafür setze ich mich weiter ein."

"Die Ampel hat sich klar zum Klima- und Transformationsfonds bekannt. Das ist wichtig. Denn für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und internationale Wettbewerbsfähigkeit in einer künftig klimaneutralen Wirtschaft ist das die Basis", betonte Günther. Das gelte auch für Sachsen. "Mit unserer Chipindustrie, unserer Solarindustrie, mit unserer Wasserstoffwirtschaft und unseren energieintensiven Unternehmen sind Kernanliegen dieser Transformation berührt." (mit dpa)