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Selbstfahrende Autos auf Dresdens Straßen

Die Sächsische Energieagentur stellt erste Ergebnisse für automatisiertes und vernetztes Fahren vor.

Von Nora Miethke
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Ein BMW i3 der TU Dresden rollt als Versuchsauto zur Erprobung des vernetzten Fahrens auf dem Testgelände am Flughafen Dresden.
Ein BMW i3 der TU Dresden rollt als Versuchsauto zur Erprobung des vernetzten Fahrens auf dem Testgelände am Flughafen Dresden. ©  dpa/Robert Michael

Beide Hände des Fahrers liegen ruhig auf dem Lenkrad. Er will die Spur wechseln, um zügiger voranzukommen, weiß aber nicht, was günstiger ist - nach links oder rechts. Statt auf die Straße zu blicken, schaut er auf die blaue Anzeige in der Mittelkonsole. Dort schwenkt ein blauer Pfeil nach rechts aus, das Fahrzeug beschleunigt und schert nach rechts aus in die andere Spur. 

Die Hände auf dem Lenkrad haben sich nicht bewegt. Eigentlich könnte er sie auch wegnehmen, um Zeitung zu lesen oder seine Nachrichten auf dem Smartphone zu checken. Aber das ist rechtlich nicht erlaubt – noch nicht. „Kooperativer Fahrstreifenwechsel“, lautet das Manöver, das das Auto allein ausgeführt hat.

Auch wenn die Ephorie der Autohersteller nachgelassen hat, was das selbstfahrende Auto angeht. Dresden rüstet sich für das autonome und vernetzte Fahren der Zukunft. Am Mittwoch hatte die Sächsische Energieagentur SAENA an den Dresdner Flughafen eingeladen, um auf Demonstrationsfahrten Ergebnisse der ersten vier abgeschlossenen Forschungsprojekte im Rahmen der Landesinitiative „Synchrone Mobilität 2023“ zu zeigen. 

„Das Fahrevent ist die Summe der Ergebnisse aller Projekte. Wir sind eine Forschungsgemeinschaft, keine Produktlieferanten von Serienfahrzeugen“, stellte Mirko Taubenreuther, Fachbereichsleiter für Autonomes Fahren bei der IAV GmbH, klar. IAV ist einer der größten Entwicklungsdienstleister für die Automobilindustrie und hat ein großes Entwicklungszentrum in Chemnitz.

IAV gehört neben dem Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrssysteme und Infrastruktur (IVI) zu den federführenden Partnern in den fünf großen Verbundprojekten, die unter dem Dach Synchrone Mobilität vorangetrieben werden. 80 Akteure arbeiten zusammen, mit dem Ziel, den Verkehrsfluss effizienter zu gestalten und dadurch die Mobilität in Sachsen sicherer und umweltverträglicher zu machen. Eine extrem komplexe Aufgabe. 

Die Fahrzeuge müssen technologisch für das autonome Fahren entwickelt werden, die Verkehrstechnik wie Lichtsignalanlagen entsprechend umgerüstet und hinter den Kulissen die unterschiedlichen Datenströme zusammengeführt werden. Es gibt unterschiedliche Systeme zur Verkehrssteuerung, angefangen von lokal gesteuerten Ampelanlagen über das Leitsystem des Öffentlichen Personennahverkehrs(ÖPNV) bis hin zu den Navigationsdiensten im Auto.

 „Und hinter all den Systemen stehen unterschiedliche Behörden, die zum Teil nicht miteinander kommunizieren. Alle Daten zusammen zu bringen, ist technisch und organisatorisch sehr herausfordernd“, erklärt Taubenreuther.

20 Kilometer Testrecke - mitten in der Stadt

Dresden ist eines von acht digitalen Testfeldern in Deutschland, auf denen das Bundesverkehrsministerium die Entwicklung des hochautomatisierten und vernetzten Fahrens fördert. Die Besonderheit in Sachsen: Hier wird autonomes Fahren im städtischen Verkehr erforscht, also das Zusammenspiel von automatisierten und nicht automatisierten Fahrzeugen sowie digital vernetzten Ampelanlagen und normalen Anlagen. 13,9 Millionen Euro wurden bislang in die Projekte investiert, davon kamen 6,4 Millionen Euro aus sächsischen Förderprogrammen. 

Sechs Testkorridore wurden festgelegt. Der am stärksten genutzte ist der am Dresdner Flughafen. Weitere sind der Südkorridor im Univiertel von der Bergstraße über den Zelleschen Weg oder um den Großen Garten herum. Insgesamt stehen 20 Kilometer Teststrecke zur Verfügung, damit bietet Dresden das größte urbane Versuchsfeld in Deutschland.

In diesen Korridoren wurden die Kreuzungen mit sogenannten Road Site Units ausgerüstet, also Sensorknoten zum Empfangen, Verarbeiten und Weiterleiten der Daten. 20 davon sind in Betrieb, bis Jahresende soll sich die Anzahl auf 45 erhöhen, kündigte Torsten Gründel, Abteilungsleiter beim Fraunhofer-Institut IVI und Projektkoordinator, an. Zum Teil wurden die Komponenten von Siemens installiert. Die sächsischen Forscher haben aber auch eine eigene Road Site Unit entwickelt, um eigene Funknachrichten senden zu können.

Am Mittwoch wurden nun in Fachvorträgen die Ergebnisse von vier Projekten vorgestellt. Gestartet wurde 2015 mit Remas, einem Ressourcenmanagementsystem für hochautomatisierte urbane Verkehre. Harmonize DD konzentrierte sich auf die nahtlose Integration des automatisierten und vernetzten Fahrens im innerstädtischen Verkehr. 

Syncar widmete sich dem vorausschauenden Fahren in Abstimmung mit anderen Verkehrsteilnehmern und Ampelanlagen. Im Projekt Aula wurde eine vollautomatische Schnellladetechnologie entwickelt, bei der Nutzer nicht eingreifen müssen. Auf den gut zehnminütigen Testfahrten waren automatisierte Manöver wie Beschleunigen auf gerader Strecke, vorausschauende Fahrstreifenwahl und Fahrstreifenwechsel in Kooperation mit anderen vernetzten Fahrzeugen erlebbar. 

„Das Auto muss wissen, ob es genügend Zeit hat, wenn es sich einer Ampel nähert oder ob es in einer Notbremsung endet“, beschreibt Gründel die Vorgänge. Dazu erhalten die Testfahrzeuge – normale E-Golfs oder i3 von BMW, vollgestopft mit Technik im Kofferraum - von den Road Site Units Signalempfehlungen, ob sie vom Gas gehen sollen oder nicht.

Durch das energieoptimale Fahren kann der Verkehr langfristig umweltschonender werden. Simulationsrechnungen haben laut IAV-Experte Taubenreuther ergeben, dass der Energieverbrauch beim automatisierten, vernetzten Fahren um elf bis 17 Prozent sinken kann gegenüber dem gegenwärtigen Verkehr – je nachdem, wie die Fahrer bereits heute schon im fließenden Verkehr mitschwimmen oder ob sie ungebremst auf umschaltende Ampeln zu rasen.

Die sächsischen Forschungsergebnisse fließen in den europäischen Standard ETSI für die Kommunikation vernetzter Fahrzeuge ein. ETSI legt quasi die Sprache fest, mit der alle beteiligten Verkehrseinheiten vom haltenden Bus, dem bewegten Auto bis zur Ampel, mit einander reden können. Aber damit ist die Iniative Synchrone Mobilität 2023 noch lange nicht abgeschlossen. Die nächsten Forschungsprojekte um vernetzte Radfahrer oder automatisierte Lieferverkehr sind schon am Start.