Freitag, 10.31 Uhr, Görlitz Hauptbahnhof, Gleis neun. Nun wird es ernst für Bernd-Michael Gries. Auch für ihn ist es das erste Mal, dass er nach acht Jahren Pause zwischen Görlitz und Hoyerswerda wieder hinter dem Bedienpult sitzt. Die Bedingungen sind natürlich völlig andere. Zwar ist der Abschnitt zwischen der Neißestadt und Horka so geblieben wie er war. Doch danach wird es für den Zugführer der Odeg richtig spannend. Während draußen die Landschaft vorbeizieht, erklärt im Inneren des gelben Triebwagens mit dem grünen Firmenlogo Hans-Jürgen Pfeiffer den mitreisenden Pressevertretern die Bedeutung der Wiederinbetriebnahme für den Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon). „Acht Jahre Schienenersatzverkehr sind eine lange Zeit. Für die Fahrgäste war das mit vielen Belastungen verbunden. Und es hat unser Angebot nicht unbedingt attraktiver gemacht. Diese Durststrecke ist nun vorbei. Jetzt liegt es an uns und an der Qualität der neuen Strecke, dass diese Verbindung wieder zu leben beginnt“, hofft der Geschäftsführer auf gute Resonanz.
Davon ist auch Heiko Miels überzeugt. Er leitet die Betriebsplanung bei der Odeg und ist dafür verantwortlich, dass die Triebwagen des privaten Bahnanbieters in den nächsten zwölf Jahren zwischen Görlitz und Hoyerswerda reibungslos funktionieren. Bis 2030 hat die Odeg den Zuschlag für die Strecke bekommen, ab 9. Dezember ist sie hier von Montag bis Freitag mit 18 Fahrten täglich unterwegs. Am Wochenende wird es 16 geben. Miels ist froh über die neue Infrastruktur, die mit der vor der Streckensanierung nicht mehr zu vergleichen ist. „Wir haben jetzt zwei Gleise statt nur einem. Und die Laufruhe der Fahrzeuge auf den Schienen ist eine ganz andere.“ Die Strecke insgesamt sei einfacher geworden. Nicht mehr so viele Kurven, meist gerade Abschnitte. „Hier sind ja 160 Stundenkilometer möglich. Entsprechend sicher muss die Streckenführung sein.“ Da lässt es sich auch verschmerzen, dass die Odeg noch immer mit maximal 120 Sachen schnellen Dieselfahrzeugen fährt. Aber Miels hat genau vernommen, was die Politik in Sachen Elektrifizierung weiterer Lausitz-Strecken angekündigt hat. „Wir schauen mal. Und hoffen“, sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Inzwischen zieht draußen das Umrichterwerk Lohsa vorbei. „Ein spannendes Projekt“, wie Ulrich Mölke findet. Er hat den Hut auf für alles, was im Auftrag der DB Netz AG in den vergangenen Jahren zwischen polnischer Grenze und Knappenrode passiert ist auf und an der Strecke. „In Lohsa wird der Bahnstrom umgewandelt – von 110 auf 15 Kilovolt, von 50 Hertz auf 16,7. Von hier aus wird der Strom entlang der Oberleitungen mitgeführt und in den Übergabepunkten Horka und Mücka eingespeist.“ Überhaupt Lohsa. Mölke überlegt. Hier waren die Bauarbeiten besonders langfristig und intensiv. Stichwort Braunkohle. „In den 1950er Jahren hat man damit begonnen, wegen des sich verändernden Tagebaus die Gleise zu verlegen. Auf Sand.“ Gerade diese Kombination hat jetzt erneut für Furore gesorgt. „Wir mussten einen belastbaren Baugrund herstellen. 60 Meter breit, mit Rüttelsäulen. Dafür haben wir insgesamt vier Jahre gebraucht. Deshalb ist der Haltepunkt, direkt am Silbersee, völlig neu entstanden.“
Es summt im Zug. Nichts mehr von turuck turuck wie früher. Kein Gleisübergang ist zu spüren, kaum noch ein Ruckeln. Es fließt dahin, könnte man sagen. In den Wäldern entlang der Strecke fällt der große Abstand zwischen Bäumen und Schienenstrang auf. „Der wird noch größer“, erzählt Ulrich Mölke. Rund 30 Meter müssten zwischen Gleisen und den grünen Riesen liegen, davor ein abgestufter Busch- und Unterwuchs. „Wie ein Keil, damit die Bäume geschützt sind, wenn es stürmt. Und weil sie natürlich nicht auf unsere Oberleitungen fallen sollen.“
In Knappenrode ist Schluss mit lustig. Obwohl: Spaß macht es immer noch. Bis hierher hat die DB Netz das Schienennetz erneuert. Aber Hoyerswerda ist nicht mehr fern. 56 Minuten sind vergangen, als Bernd-Michael Gries seinem Triebwagen im Hauptbahnhof eine Pause gönnt. Wie war die Fahrt aus Zugführersicht? „Ganz entspannt.“ Bei der Streckenkunde habe er sich vorher damit auseinandergesetzt. Nichts Ungewöhnliches. Und dann lächelt er: „Ich freue mich schon auf die kommende Zeit. Im Lokführerstand die verschiedenen Jahreszeiten zu erleben, ist einfach herrlich.“ Gries weiß das noch von damals, vor acht Jahren. „Die beiden Sachen zu vergleichen, ist wie Steinzeit und Moderne. Allerdings ist ja zwischen Görlitz und Hoyerswerda immer noch beides vereint.“