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Sie trainierte Kati Witt: Eiskunstlauf-Größe Jutta Müller gestorben

Jahrzehntelang führte Jutta Müller ein strenges Regiment und holte mit ihren Schützlingen 57 internationale Medaillen. Ihre bekannteste Schülerin war Kati Witt. Müller starb nun mit 94 Jahren.

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Die bekannte Eiskunstlauf-Trainerin Jutta Müller ist im Alter von 94 Jahren verstorben, hier ein Archivfoto aus dem Jahr 2013 mit der ehemaligen Eiskunstläuferin Katarina Witt.
Die bekannte Eiskunstlauf-Trainerin Jutta Müller ist im Alter von 94 Jahren verstorben, hier ein Archivfoto aus dem Jahr 2013 mit der ehemaligen Eiskunstläuferin Katarina Witt. © dpa

Chemnitz. Im DDR-Sport war Jutta Müller eine der schillerndsten und erfolgreichsten Trainerinnen. Linientreue und SED-Mitgliedschaft hielten die "Eiserne Lady" des Eiskunstlaufs nicht davon ab, mit Pelzmantel in den Arenen der Welt die Erfolge an der Seite ihrer Schlittschuh-Größen Katarina Witt, Anett Pötzsch, Jan Hoffmann oder ihrer Tochter Gaby Seyfert zu feiern. 57 Medaillen bei EM, WM und Olympischen Spielen sind die einmalige Bilanz von Jutta Müller.

Im Alter von 94 Jahren ist sie nun am Donnerstag in einem Pflegeheim bei Berlin gestorben. Das bestätigte ihre Tochter der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte der MDR darüber berichtet. "Mit ihr verliert die Eiskunstlauf-Welt eine der größten Trainerpersönlichkeiten und ist bestürzt über ihren Tod", sagte Andreas Wagner, Präsident der Deutschen Eislauf-Union.

"Sie hat Talent erkannt und war selbst getrieben, dass man dies nicht vergeudet", sagte Witt einst über ihr strenge und autoritäre Trainerin. "Da war sicherlich ein großer Teil eigener Ehrgeiz bei ihr dabei. Aber eben so, dass sie sich verantwortlich fühlte, das Beste gemeinsam mit dem Sportler herauszuholen." Sie sei eine Trainerin aus Passion gewesen, die "eigentlich nur ans Eiskunstlaufen gedacht und nichts dem Zufall überlassen" habe.

Gesiezt hat Witt ihre Lehrmeisterin bis zum Schluss, obwohl sie auch immer eine enge Bezugsperson für sie war. "Jeder fragt uns: 'Du sagst immer noch Sie?' Ja, das werde ich immer! Frau Müller ist für mich immer Frau Müller. Aus Respekt! Und trotzdem ist sie mir ganz nah", hatte Witt beim 90. Geburtstag der Trainerin gesagt.

Katarina Witt über Jutta Müller: "Ohne sie hätte ich nie diese Weltkarriere erreicht"

Die in Chemnitz geborene Jutta Müller führte Witt 1984 und 1988 ebenso zu Olympiasiegen wie 1980 Anett Pötzsch. Zudem holte sie mit ihrer Tochter Gaby Seyfert und Jan Hoffmann jeweils Olympia-Silber und Titel bei Europa- und Weltmeisterschaften. "Ohne sie hätte ich nie diese Weltkarriere erreicht", sagte Witt.

Katarina Witt selbst postete im Februar 2022 bei Instagram noch ein Video mit Jutta Müller. Sie schrieb dazu: "Frau Müller als „Eiskönigin aus Chemnitz“, die ich diese Woche nochmals im TV sehen durfte und dabei all die schönen Erinnerungen, wie alles anfing, für mich zurück kamen. Wie hier im Film vor 40 Jahren die gemeinsamen Ballett Stunden mit unserem Ballettmeister & Choreografen Rudi Suchy & Paarlauf-Weltmeisterin Sabine Baeß."

"Ich habe viel verlangt und viel gegeben", hatte Müller, die ihre Trainerkarriere 1955 beim SC Karl-Marx-Stadt begann, einmal gesagt. "Ich habe für alles gesorgt. Wir waren eine Einheit." Witt war stark genug, als Persönlichkeit neben der stets elegant gekleideten Trainerin mit dem schwarzen Dutt heranzuwachsen. Gaby Seyfert fiel es schwerer. Sie fühlte sich in der Tochterrolle an der Seite der starken Jahrhundert-Trainerin nicht immer wohl.

"Sie verkörperte diese Erfolge der DDR, sie wusste, wie man Erfolg produziert", sagte Udo Dönsdorf, früherer DEU-Sportdirektor, über Jutta Müller. "Und das DDR-System war wie für sie gemacht, bot ihr alle Möglichkeiten, weil Eiskunstlauf den Touch des Schillernden hatte."

Ehrenbürgerin der Stadt Chemnitz

Jutta Müller wurde selbst DDR-Meisterin im Paarlauf. Die Stadt Chemnitz ernannte sie zur Ehrenbürgerin, 2004 wurde sie in die Hall of Fame der Eiskunstläufer aufgenommen. Auch nach dem Ende ihrer Trainerkarriere zog es sie immer noch in die Halle des Chemnitzer Eislauf-Clubs, dem früheren SC Karl-Marx-Stadt. Besonders am Herzen lagen ihr die fünfmaligen Paarlauf-Weltmeister Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, die sie oft beim Training besuchte. Und als Savchenko Probleme mit dem dreifachen Salchow bekam, war es Müller, die ihr mit Rat zur Seite stand.

"Mit Jutta Müller verliert Chemnitz nicht nur eine Ehrenbürgerin. Sie war eine Institution im Chemnitzer Sport, den sie über viele Jahrzehnte geprägt hat wie wenige andere. Ihr Ruf ging weit über unsere Stadt hinaus", sagte Sven Schulze, Oberbürgermeister von Chemnitz. Die Stadt Chemnitz gibt Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit, in einem Kondolenzbuch Abschied zu nehmen. Es liegt von Freitag an im Foyer des Rathauses aus.

Nach der Wende stand Müller, die als sehr nah zum SED-Regime wahrgenommen wurde, nicht mehr im Rampenlicht. Die einstige Lehrerin für Deutsch, Musik, Mathematik und Sport war 1946 in die Partei eingetreten. "Das DDR-System konnte ja nicht übernommen werden. Das ist mir jetzt klar. Aber es hätte trotzdem weitergehen können. Ich war damals eigentlich verzweifelt, dass diese ganze Supernachwuchsarbeit von heute auf morgen nicht mehr existieren konnte", sagte Jutta Müller später einmal der "Frankfurter Allgemeine Zeitung". (dpa/sid)