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Unvergessen: Emotionale Show erinnert an Eiskunstlauf-Legende Jutta Müller

Mit einer emotionalen Eisshow und charismatischen Worten von Katarina Witt in der ausverkauften Chemnitzer Halle ist an die Trainerlegende Jutta Müller erinnert worden. Nun heißt das Eissportzentrum nach der weltbesten Trainerin - eine Verpflichtung für die Zukunft, findet nicht nur Witt.

Von Michaela Widder
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Gaby Seyfert (links) und Katarina Witt enthüllen das Schild für das Jutta-Müller-Eissportzentrum in Chemnitz.
Gaby Seyfert (links) und Katarina Witt enthüllen das Schild für das Jutta-Müller-Eissportzentrum in Chemnitz. © Ronald Bonß

Chemnitz. Es ist das emotionale Finale. Der Moment, noch einmal auf Wiedersehen zu sagen. Zu den Klängen von "Time to Say Goodbye" legen Katarina Witt und alle großen und kleinen Eiskunstläufer an diesem Abend eine Rose zu einem Herz auf das Chemnitzer Eis. Die zweifache Olympiasiegerin, viele weitere Prominente und die Zuschauer in der ausverkauften Halle gedenken am Samstagabend mit einer großen Eisshow Jutta Müller, der weltbesten Eiskunstlauftrainerin.

Die eiserne Lady im Pelzmantel - so nannte man sie gern auch - war Anfang November im Alter von 94 Jahren gestorben. "Es geht mir ans Herz, zu wissen, Frau Müller sitzt jetzt auf einer Wolke genüsslich mit einem Zigarillo und erfreut sich an dieser Hommage", sagt ihre Musterschülerin Witt zu Beginn ihre Rede auf dem Eis. Noch einmal findet die einst beste Eiskunstläuferin der Welt große Worte für ihre langjährige Trainerin, die mit ihrem "Ehrgeiz, ihrer Leidenschaft, ihrer unverwechselbaren Hartnäckigkeit" aus den "Sternchen große Stars" gemacht hat.

Die Hochachtung vor der Arbeit ihrer autoritären Lehrmeisterin ist selbst Jahrzehnte später noch zu spüren, und das, obwohl auch Witt so manchmal "verzweifelt auf allen Vieren nach Hause" gegangen ist. Doch Jutta Müller habe die kleine DDR auf die Weltbühne des Sports gebracht, meint die 58-Jährige, sie sei eine großartige Inspiration gewesen und habe für viele Sportler einzigartige Momente geschaffen.

Das Dresdner Paar Charise Matthaei und Max Liebers war extra aus Mailand für die Show angereist.
Das Dresdner Paar Charise Matthaei und Max Liebers war extra aus Mailand für die Show angereist. © Ronald Bonß

Müller, die ihre Trainerkarriere 1955 beim SC Karl-Marx-Stadt begann, errang mit ihren Schützlingen 57 Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen. Und ihre Erfolgreichsten wie Witt, die mittlerweile in Potsdam lebt, ihre Tochter Gaby Seyfert, erste Weltmeisterin im Eiskunstlaufen für die DDR, Jan Hoffmann, Annett Pötzsch - sie alle waren nach Chemnitz in den Küchwald gekommen für diesen Abend.

Schon vor der Show, die innerhalb weniger Stunden ausverkauft war, versammeln sich Hunderte Menschen vor der Halle. Ein Namensschild der verstorbenen Chemnitzer Ehrenbürgerin wird feierlich enthüllt, das Eissportzentrum nach der schillernden Trainerpersönlichkeit umbenannt.

"Es ist mir und meiner ganzen Familie eine große Ehre, dass meine Mutti einen schönen Platz in Chemnitz bekommen hat", meint Gaby Seyfert. "Und ich bin froh, dass sie in den Herzen der Menschen weiterleben wird."

Der Andrang für die Show "Eine Hommage an Jutta Müller" ist so groß, dass die Veranstaltung erst zehn Minuten später beginnt. Mit alten Filmaufnahmen und Fotos aus Privatarchiven, die auch für viel Schmunzeln und manche Träne sorgen, wird an das Wirken der Trainerin erinnert. Von Talent halte sie nicht viel, hatte sie einmal gesagt. Für Jutta Müller war es vielmehr "80 Prozent Arbeit und 20 Prozent Veranlagung". Und so striezte sie eben jahrzehntelang ihre Schützlinge und war dennoch zugleich eine einfühlsame Mutter.

Als ihre Tochter Gaby mit Eiskunstlaufen begann, gab es noch kein Dach über der Eisfläche, die von den jungen Sportlern im Frühling und Herbst vor jeder Trainingseinheit erstmal von Blättern und Wasser, im Winter von Schnee befreit werden musste. Dass überhaupt die Halle gebaut wurde, war ihr Verdienst. Doch längst erinnert das marode Sportzentrum an eine historische DDR-Sportstätte.

"Zur 90. Geburtstag war Frau Müller fitter als die Sportstätte selbst", meint Witt und sieht mit der Umbenennung des Eissportzentrums auch eine Verpflichtung. "Das ist hier keine Work-Life-Balance-Oase. Hier landet man auf den Boden der harten Eis-Tatsachen", sagt die viermalige Weltmeisterin und hofft, dass bei einer Sanierung oder einem Neubau auch an eine "klitzekleine Heizung" gedacht wird. Viel Applaus bekommt sie für diese Worte genauso wie für den Wunsch, die "hingebungsvolle Arbeit der Trainer" mehr wertzuschätzen.

Anett Pötzsch-Rauschenbach (von unten), die zweifache Olympiasiegerin Katarina Witt, Olympiasiegerin und Ex-Weltmeisterin Gabriele Seyfert präsentieren in der Eishalle in Chemnitz Wertungsnoten beim Kreativwettbewerb.
Anett Pötzsch-Rauschenbach (von unten), die zweifache Olympiasiegerin Katarina Witt, Olympiasiegerin und Ex-Weltmeisterin Gabriele Seyfert präsentieren in der Eishalle in Chemnitz Wertungsnoten beim Kreativwettbewerb. © dpa/Hendrik Schmidt

Und dann gehören die Scheinwerfer den Eiskunstläufern von heute. Das Dresdner Paar Charise Matthaei und Max Liebers, die für die Show extra aus Mailand angereist waren, begeistern die Zuschauer wie auch die Chemnitzer Letizia Roscher und Luis Schuster. Auch ein Gaby-Seyfert-Double, die die Kür von 1969 "Puppet on a String" im schwarz-weißen Kostüm neu interpretiert, erwärmt die Herzen des Publikums.

Ein Höhepunkt ist die Premiere des Kreativwettbewerbs, der als Jutta-Müller-Pokal in den nächsten Jahren eine Fortsetzung finden soll. "Das wäre ganz im Sinne meiner Mutti", meint Gaby Seyfert, die mit Kati Witt und Annett Pötzsch-Rauschenbach die prominente Jury bildet. Jeweils sechs Jungen und Mädchen improvisieren zu einer zufällig ausgewählten Musik eine Kür. Die drei Preisrichterinnen sind streng, vergeben nur zweimal die Höchstnote.

Als dann das große Finale mit allen Eiskunstläufern über die Bühne geht, gibt es minutenlang Standig Ovations, und der Moderator zitiert in diesem Moment einen Satz von DDR-Reporterlegende Heinz-Florian Oertel: "Wenn man aufsteht, wird die Verbeugung tiefer". Vor einer starken Frau, die ihren Prinzipien immer treu geblieben ist.