Minge meldet sich und spricht von Dynamos Aufstieg

Dresden. Die Pilgerreise auf dem Jakobsweg ist gelaufen und Ralf Minge nach rund 400 Kilometern zurück in Dresden. Das habe ihm gut getan, sagt er, und das ist ihm auch anzusehen. Doch wirklich überwunden hat der 60-Jährige den reichlich turbulenten Abgang als Sportgeschäftsführer bei Dynamo Dresden noch nicht, ließ Minge kürzlich durchblicken, als er in Pirna zum "Sachsen des Jahres" gekürt wurde. Es war sein erster öffentlicher Auftritt seit Ende Juni.
Noch ist die Aufarbeitung der Geschehnisse nicht weit genug fortgeschritten. Also das Heilen von Wunden, über die zunächst nur schnell ein Pflaster geklebt worden ist. So sagte er das in Pirna. Interviews gibt er deshalb derzeit keine - mit einer Ausnahme. Das Magazin 11 Freunde, in dessen Jury er vertreten ist, wenn es um die Wahl der besten Fußballer, Manager und Fan-Initiativen einer Saison geht, hatte Glück und zudem auch etwas Vorlauf.
Bereits im Juli erschien in der Print-Ausgabe ein ausführliches Karriere-Interview mit Dynamos Vereinsikone. Es ging um Minges sportliche Laufbahn bei Dynamo mit legendären Europapokal-Spielen und die wilde Wende-Zeit. Der frühere Stürmer erzählte offen und ausführlich. Das Ende als Dynamo-Sportchef war zu diesem Zeitpunkt längst besiegelt, aber in dem Interview kein Thema. Anlässlich des 60. Geburtstags von Minge am 8. Oktober hat 11 Freunde nun noch einmal für die Online-Fassung des Gesprächs nachgelegt.
"Zwölf Millionen Euro auf dem Festgeld-Konto"
Erstmals spricht er dabei über seinen Abschied im Juni. "Wie gesagt, ich bin immer gut damit gefahren, klare Schnitte zu machen. Die letzten Jahre waren sehr schlauchend", sagt Minge und begründet die Trennung, die Dynamos Aufsichtsrat am 1. Juni offiziell machte: "Ich habe festgestellt, dass es im Aufsichtsrat nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen in meine Arbeit gibt. Unter diesen Voraussetzungen kann man einen Verein wie Dynamo Dresden nicht führen."
Minge geht jedoch nicht im Zorn. Wie bei der Ehrung in Pirna spricht er, wenn es um Dynamo geht, weiter in der Wir-Form - und verrät sogar finanzielle Details: "Dennoch blicke ich stolz auf das zurück, was wir in den letzten Jahren gemeinsam geschaffen haben: Dynamo ist seit 2016 erstmals seit der Wende schuldenfrei, die Nachwuchs- und Profi-Abteilung ist eng verzahnt und die Zusammenarbeit mit den vielen verschiedenen Partnern und Institutionen in und um Dresden ist sehr vertrauensvoll. Wir haben zudem ein tolles, neues Trainingszentrum und Stand 30. Juni 2020 ein erarbeitetes Eigenkapital von voraussichtlich über zwölf Millionen auf dem Festgeld-Konto."
Und auch beim sportlichen Ziel wird Minge unerwartet konkret: "Der Abstieg, gerade mit diesen Begleitumständen, tut unglaublich weh, ich bin aber auch aufgrund der genannten Voraussetzungen fest davon überzeugt, dass schon in der kommenden Saison der Wiederaufstieg gelingen wird."

Nach wie vor offen ist indes die offizielle Verabschiedung Minges, die aufgrund der Corona-Situation am letzten Spieltag der Vorsaison verbunden mit dem Komplettausschluss der Zuschauer nicht stattfinden sollte. Von den Fans vor dem Stadion wurde er jedoch gefeiert.
Anlässlich des runden Geburtstages des Ex-Sportchefs in der Vorwoche hat Dynamo-Präsident Holger Scholze das Thema wieder aufgegriffen. "Auch wenn sein Vertrag nach dem Ende der vergangenen Saison nicht verlängert wurde, sind seine Verdienste um unseren Verein enorm und unumstritten. Diese sollen in Abstimmung mit den anderen Gremienvertretern des Vereins und natürlich mit ihm selbst zu einem geeigneten Zeitpunkt in einer angemessenen Form nochmals gewürdigt werden", sagt Scholze.
Denkbar ist dafür das DFB-Pokalspiel am 22. oder 23. Dezember - sofern Fans dabei sein können. Der Gegner steht noch nicht fest, auf jeden Fall wird es ein Heimspiel sein. Es wäre ein versöhnlicher, emotionaler Jahresabschluss.
Wie es weitergeht, weiß Minge noch nicht
Dass Minge früher oder später ins Fußballgeschäft zurückkehrt, davon sind insbesondere Minges Weggefährten überzeugt. "Ich würde mich freuen, wenn er schon sehr bald wieder eine Funktion begleitet, denn Fußball ist sein Leben", sagt Helge Leonhardt, Präsident von Erzgebirge Aue, den eine enge Freundschaft mit Minge verbindet.
Dynamo-Legende und Aufsichtsrat Dixie Dörner wünscht sich, dass er nach der Auszeit wieder für seinen Herzensverein tätig wird. "Egal in welcher Form", hat Dörner kürzlich beim "Dynamo-Talk im Panometer" erklärt. Für Präsident Scholze ist ohnehin klar: "Ralf Minge ist und bleibt ein Schwarz-Gelber. Er ist immer und überall in der Dynamo-Familie willkommen."
Minge selbst lässt für den Moment alles offen, wie er bei der Sachsen-Kür in Pirna erklärt. "Ich habe gehofft, dass irgendein Geistesblitz auf dem Weg kommt, der mir sagt: Das ist deine Zukunft, deine Vision, aber das war nicht der Fall."
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