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Wer entscheidet jetzt bei Dynamo Dresden über den Trainer?

Markus Anfang ist nicht mehr unumstritten bei Dynamo Dresden. Am Montagabend soll es in einer Krisenkrisensitzung um die Zukunft des Trainers und des Sportchefs gehen. Doch welche Konsequenzen hätte eine Trennung?

Von Daniel Klein & Timotheus Eimert
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Sportchef Ralf Becker (l.) und Trainer Markus Anfang: Gehen sie geneinsam oder bleiben sie?
Sportchef Ralf Becker (l.) und Trainer Markus Anfang: Gehen sie geneinsam oder bleiben sie? © dpa/PA/Robert Michael

Dresden. Die Ankündigung des Kapitäns nach der 0:1-Niederlage gegen den Halleschen FC war eindeutig: "Der Ton und der Umgang werden jetzt rauer", erklärte Stefan Kutschke und meinte damit wohl die Kommunikation innerhalb der Mannschaft. Doch auch im Verein wird nach dem Absturz auf den Relegationsplatz nun offenbar Klartext geredet.

Nach Informationen des Fachmagazins Kicker traf sich der Aufsichtsrat von Dynamo am Montagabend zu einer Krisensitzung. Dort soll auch über die Zukunft der sportlichen Leitung, also vor allem Cheftrainer Markus Anfang und Sport-Geschäftsführer Ralf Becker, gesprochen worden sein.

Unabhängig vom Ausgang der Diskussionen: Anfang ist nach nur zwei Siegen in acht Spielen in diesem Jahr nicht mehr unumstritten. Sächsische.de beantwortet die vier wichtigsten Fragen rund um die Krise bei den Schwarz-Gelben:

Wer entscheidet jetzt bei Dynamo über eine mögliche Entlassung?

Die Trainerpersonalie liegt im Zuständigkeitsbereich des Sportchefs, also von Ralf Becker. Ihn verbindet mit Anfang mehr als ein rein dienstliches Verhältnis. 2016 hatte er den Trainer zu Holstein Kiel geholt. Zusammen wäre ihnen beinahe der Durchmarsch von der dritten in die erste Liga geglückt, erst der VfL Wolfsburg verhinderte das in der Relegation.

Vier Jahre später verhalf Becker den durch die Impfpass-Affäre angeschlagenen Anfang bei Dynamo zu einem Comeback. Beide wollten Dresden innerhalb von zwei Spielzeiten zurück in die 2. Bundesliga führen – und sich daran messen lassen. In der vorigen Saison verhinderte eine schlechte Hinrunde den Aufstieg, nun droht eine verkorkste Rückrunde die Pläne zu durchkreuzen.

Würde sich Becker jetzt von Anfang abwenden, käme es dem Eingeständnis gleich, sich in der wichtigsten Personalie geirrt zu haben. Und das nicht zum ersten Mal. Anfangs Vorgänger Guerino Capretti hatte keines seiner zwölf Spiele gewinnen können und stieg mit Dynamo ab. Auch der Aufsichtsrat, zuständig für die Einstellung und Beurlaubung der Geschäftsführer, betrachtet das Gespann Becker/Anfang wohl ebenfalls als Einheit: Soll einer gehen, müssten konsequenterweise beide entlassen werden.

Das käme jedoch einem Komplettumbruch in der entscheidenden Saisonphase gleich. Ein weiteres Problem: Die sportfachliche Kompetenz ist im Kontrollgremium seit dem Tod von Hans-Jürgen Dörner nicht sehr ausgeprägt, um es vorsichtig zu formulieren. Deshalb könnte die Meinung von Ulf Kirsten, der als Berater bei Dynamo angestellt ist, eine gewichtige Rolle spielen.

Welche Konsequenzen hätte der Nichtaufstieg für den Verein?

Finanziell wären die Folgen gravierend. Der Verein hatte den Etat für den Profikader in der laufenden Spielzeit gegenüber der vorigen Saison um zwei Millionen Euro erhöht. "Dies dokumentiert nochmals die klaren Ambitionen, die der Verein hat, um die Rückkehr in die 2. Bundesliga zu bewältigen", heißt es dazu im Geschäftsbericht.

Die erhöhten Ausgaben führen dazu, dass die Saison 2023/24 "mit einem Jahresfehlbetrag im niedrigen einstelligen Millionenbereich prognostiziert" wird. "Die Budgetplanungen in allen Bereichen sind an das gemeinsame Ziel Aufstieg in die 2. Bundesliga angelehnt und daher mit einem gewissen Optimismus unterfüttert."

Das bedeutet: Wird das große Ziel verpasst, ist ein radikaler Sparkurs unumgänglich, das Gesicht der Mannschaft würde sich gravierend verändern. Es wäre ein Neustart in der 3. Liga unter finanziell deutlich schwierigeren Bedingungen nötig, was die Aussichten auf sportliche Erfolge nicht gerade erhöht. Deshalb ist die Lage gerade so brisant.

Was bedeutet es, wenn die Fans auf Distanz gehen?

Dynamo und seine Fans – das ist seit jeher eine besondere und manchmal komplizierte Beziehung. Am Samstag erlebte sie mal wieder eine negative Phase. Nach dem Schlusspfiff in Halle waren aus dem Dresdner Fanblock erste Pfiffe zu hören. Einige Fans zeigten mit dem Daumen nach unten, andere ließen ihrem Frust freien Lauf, indem sie Fan-Utensilien des Gegners verbrannten, Böller zündeten und versuchten die Absperrung zum Heimbereich zu durchbrechen.

"Wir können jetzt von Zusammenhalt reden, aber jeder Fan hat nach dem Abstieg genug für uns gemacht. Irgendwann stehst du auch mal in der Pflicht", sagte Kapitän Kutschke. "Sich immer nur darauf auszuruhen, dass wir in der Hinrunde gut waren – ein Scheißdreck. Du kriegst es einfach nicht mehr hin."

Die viel beschworene Einheit zwischen Mannschaft und Fans steht vor einer Zerreißprobe. Die Stimmung ist bereits gekippt. Dabei hatte es nach dem Abstieg 2022 und einer verkorksten Drittliga-Hinrunde vergangenen Saison lange gedauert, bis wieder eine neue Euphorie entfacht wurde. Erst mit einer überragenden Rückrunde, an deren Ende die Mannschaft den Aufstieg leichtfertig verspielte, erarbeitete sich das Team wieder Kredit bei den Fans.

Der ist nun vorbei, und das liegt vor allem an den schwachen Auftritten gegen Ingolstadt, Aue und Halle, als die Mannschaft vor allem die Grundtugenden wie etwa Einsatzbereitschaft, Motivation und Zweikampfhärte vermissen ließ. "Als Leistungssportler muss ich mit Zweikämpfen mein Geld verdienen. Ich muss besser sein als mein Gegenspieler", sagte Kutschke. "Jeder einzelne muss sich heute fragen, ob er alle gegeben hat. Das Gefühl habe ich nicht." Und ähnlich fühlen offenbar auch die Fans.

Welche Trainer kämen als Nachfolger von Markus Anfang überhaupt infrage?

Kandidaten gäbe es einige – zum Beispiel die ehemaligen Dynamo-Trainer Uwe Neuhaus und Ralf Loose. Beide scheinen aber für eine mögliche Nachfolge nicht infrage zu kommen. Wahrscheinlicher ist da schon Tobias Schweinsteiger. Der 41-Jährige kennt die 3. Liga sehr gut. In der vergangenen Saison führte er den VfL Osnabrück in Liga zwei, wurde dort jedoch nach sechs sieglosen Spielen in Folge entlassen.

Ein weiterer Kandidat wäre Jens Härtel. Der gebürtige Sachse hat schon mehrfach sehr erfolgreich bei Traditionsklubs aus dem Osten gearbeitet. Er stieg mit dem1. FC Magdeburg 2018 in die 2. Bundesliga auf und wiederholte dies 2021 mit Hansa Rostock. Zuletzt arbeitete der 54-Jährige bei Eintracht Braunschweig in der zweiten Liga. Dort wurde er mit der Bilanz von einem Sieg aus elf Pflichtspielen entlassen.

Möglich wäre auch eine Interimslösung bis zum Saisonende. Die könnte zum Beispiel aus dem bisherigen Co-Trainer Heiko Scholz und Dynamo-Berater Kirsten gebildet werden. Beide kennen sich und den Verein seit Kindertagen und haben einen engen Draht zur Mannschaft. Ob sie auch die sportlichen Kompetenzen mitbringen, muss die Geschäftsführung entscheiden.