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WM-Trikots: Von 90 Euro bleiben 96 Cent für Näher

Auch Menschen, die in Billiglohnländern WM-Trikots für Adidas & Co. nähen, werden ausgebeutet. Fans und Vereine machen dagegen mobil. Sachsens Clubs haben aber noch Nachholebedarf.

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Fans jubeln auf dem Flaggenplatz in Doha.
Fans jubeln auf dem Flaggenplatz in Doha. © Hassan Ammar/AP/dpa

Von Martina Hahn

Drei schwarze Streifen auf weißem Stoff – sie prangen auch auf den Trikots des deutschen WM-Teams. Denn Adidas ist offizieller Ausstatter und Sponsor des anstehenden Sportevents in Katar. Die Fußball-WM sei „ein wichtiger Moment, um die Welt im Zeichen des Fußballs zusammenzubringen“, schreibt der nach Nike zweitgrößte Sportartikelhersteller auf seiner Homepage. Und fügt hinzu: „Seit mehr als 25 Jahren stellen wir faire Arbeitsbedingungen in unserer Lieferkette sicher.“

Dass dem nicht so ist, belegen aktuelle Recherchen von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften. „Die Arbeiter produzieren Millionen von Trikots und andere Fanartikel – oftmals unter gnadenlosem Preisdruck und zu Hungerlöhnen“, kritisiert Sandra Dusch von der Christlichen Initiative Romero.“ Von den 90 Euro, die ein Heimtrikot im DFB-Fanshop kostet, blieben nur 90 Cent – ein Prozent – bei der Näherin.

Konzerne könnten etwas bewirken

Solche Löhne reichen kaum zum Leben – schon gar nicht jetzt, nachdem die Preise für Reis oder Weizen in vielen Ländern, in denen auch Adidas produziert, auf neue Höchststände geklettert sind. Gefertigt werden die WM-Trikots, Schuhe, Bälle oder Taschen von Adidas in 64 Fabriken und 17 Ländern, vor allem in Asien.

Die Liste der Zulieferer hat der Konzern veröffentlicht. Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Transparenz, findet Berndt Hinzmann vom Netzwerk Inkota; es wurde 1971 als ökumenischer Arbeitskreis in der DDR gegründet und ist heute ein gemeinnütziger Verein. „Was Risikoanalysen, Beschwerde- und Abhilfemechanismen betrifft, ist Adidas durchaus besser als andere Marken aufgestellt“, so Hinzmann. „Aber solange es keinen existenzsichernden Lohn gibt, bleibt es Foul Play.“ Dabei, sagt Hinzmann, „könnte der Konzern angesichts seiner Marktmacht echt etwas bewirken.“

Einige Vereine achten auf die Löhne

„Die Kluft zwischen Image, Versprechen und Gewinnen einerseits und der Realität in den Zulieferfabriken ist riesig“, kritisiert Vivien Tauchmann von der Kampagne Pay your workers, sie sitzt in Leipzig. „In der Coronapandemie hat auch Adidas bereits erteilte Aufträge einfach storniert.“

Textilfabriken mussten schließen, „viele Arbeiter und Arbeiterinnen monatelang auf ausstehende Löhne warten, viele sahen das Geld nie“. Allein in Kambodscha seien 30.190 Arbeiter der Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie in der Lieferkette von Adidas seit Beginn der Pandemie rund 11,7 Millionen US-Dollar vorenthalten worden, hat die Schweizer NGO Public Eye gemeinsam mit Gewerkschaften errechnet – umgerechnet fast 400 Euro pro Arbeiter und Arbeiterin.

Für solche Missstände haben immer weniger Fans und Vereine Verständnis – zu sehr würden die Gebote der sportlichen und politischen Fairness verletzt. Die einen fordern einen Boykott der Spiele, etwa die Schalke-04-Fan-Initiative „Back2Bolzen“ oder die Kampagne #boycottqatar2022: statt zu Public Viewings zu gehen, treffen sich Fans während der WM, um selbst zu kicken.

Wie fair sind Dynamo und RB Leipzig

Andere, wie etwa der VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Werder Bremen und der 1. FC Union Berlin, achten darauf, dass den Näher und Näherinnen der Trikots ein existenzsichernder Lohn gezahlt wird: sie lassen über die Marke Brands Fashion in Indien nach dem Fairtrade Textilstandard nähen, der auch Kinderarbeit verbietet. Der VfB begründet das auf seiner Webpage so: „Worte sind gut, Taten sind besser.“

Und die Vereine in Sachsen? Die Frage der SZ, wo und wie fair sie ihre Trikots und Fanartikel nähen lassen, beantwortet der Dynamo Dresden trotz mehrfachen Nachhakens gar nicht. Etwas transparenter zeigt sich der RB Leipzig: „Derzeit haben wir noch kein ,Faires‘ Produkt im Sortiment, prüfen aber mögliche Lizenzen und Produkte für die Zukunft“, sagt Evelyn Holderbach, sie leitet den Bereich Nachhaltigkeit beim RB.

Da die Trikots „in mehreren Ländern hergestellt“ werden, könne sie „hierzu leider keine allgemeingültige Aussage geben“. Der Hersteller Nike, betont Evelyn Holderbach, habe sich jedoch zu bestimmten sozialen und ökologischen Standards verpflichtet. Allerdings kritisieren NGOs, Gewerkschaften und die Kampagne für Saubere Kleidung auch den Nike-Konzern immer wieder, in den ausländischen Zulieferfabriken massiv gegen Fairness und Arbeitsstandards zu verstoßen.