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Possenspiel um Olympia im Eiskanal

Sollten die Olympia-Rennen 2026 nicht in Italien stattfinden, wäre es ein Novum. Plötzlich aber gibt es eine neue Chance. Oder wird doch in Deutschland gefahren, vielleicht sogar in Altenberg?

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Die Bobwelt steht noch nicht kopf, diskutiert wird seit der Absage olympischer Rennen 2026 in Cortina aber eifrig – und nun also auch über die Alternative Königssee.
Die Bobwelt steht noch nicht kopf, diskutiert wird seit der Absage olympischer Rennen 2026 in Cortina aber eifrig – und nun also auch über die Alternative Königssee. © Archiv: dpa/Peter Kneffel

Von Frank Kastner und Tino Meyer

Leipzig. Gefrustete Athleten, irritierende Funktionäre und das IOC auf Basta-Kurs: Der sportpolitische Interessenkonflikt um die olympischen Schlittenrennen 2026 wird immer mehr zum Possenspiel. Während die Italiener entgegen offizieller Aussagen der Organisatoren der Winterspiele von Mailand und Cortina im Hintergrund weiter um ein Heimspiel bei den Wettbewerben im Bob, Rodeln und Skeleton kämpfen, nimmt eine deutsche Bewerbung als Ersatz-Gastgeber Formen an. Das bestätigte jetzt der deutsche Verbandspräsident Andreas Trautvetter.

Weil Italien derzeit ein geeigneter Eiskanal fehlt, hatte Organisationschef Giovanni Malago zuletzt bei der Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Indien einen Umzug ins Ausland angekündigt. Eine Austragung der Wettkämpfe außerhalb des Gastgeberlandes wäre indes ein Novum in der 102-jährigen Geschichte der Winterspiele.

Olympiasieger Loch ist sauer

Vielen Sportlern ist das nicht recht. „Es ist einfach enttäuschend, Italien hat damals die Spiele bekommen. Und die Bedingung war, dass die Bahn in Cortina wieder aufgebaut wird. Jetzt sagen sie zweieinhalb Jahre vorher, ja kriegen wir doch nicht hin. Sorry, wo sind wir denn gelandet“, sagte Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte.

Auch der dreimalige Rodel-Olympiasieger Felix Loch ist sauer: „Mir tuts extrem leid für unsere italienischen Sportler. Sie und unser ganzer Sport hätten eine Bahn in Italien verdient gehabt.“Die Italiener haben die Pläne für Heimrennen aber anscheinend noch gar nicht aufgegeben. Im Hintergrund laufen gerade Bemühungen hinsichtlich einer Sanierung der Bahn in Cesana Pariol an, wo 2006 die Olympia-Läufe ausgetragen wurden. Seit 2011 ist sie stillgelegt.

„Die Chancen stehen gut, dass die Bahn reaktiviert wird, wir haben ganz gute Karten, im November muss es entschieden werden“, sagte Armin Zöggeler der dpa. Der Rodel-Olympiasieger von 2002 und 2006, der seit 2018 Vizepräsident Technik beim Rodel-Weltverband ist, sieht die Aussagen der Organisatoren bei der IOC-Session als „Fehlinterpretation. Intern haben wir was anderes gehört.“

Gibt es realistische Alternativen?

Doch das IOC hatte zuletzt Bahn-Neubauten ausgeschlossen, wenn es keinen tragfähigen Nachnutzungsplan gibt. „Diese Position wurde bei den Diskussionen in Cortina mehrfach bestätigt und gilt auch für Cesana“, heißt es auf Nachfrage. Und genau da kommen die Alternativen ins Spiel.

Der Deutsche Olympische Sportbund will zusammen mit dem Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) eine Bewerbung für die olympischen Rennen im Eiskanal 2026 abgeben. Das zumindest sagt BSD-Präsident Trautvetter, der auch Vizepräsident des Bob- und Skeleton-Weltverbandes ist.

„Die Zeitschiene ist sehr eng, die Unterlagen aus Italien sind da. Wir brauchen eine Woche, um das mit den Partnern an den Bahnen und der Politik zu bewerten. Wir brauchen jedoch vor dem 1. Dezember eine klare Entscheidung der Bundesregierung über die Teilnahme russischer und belarussischen Athleten und Athletinnen“, betonte Trautvetter. Doch welche realistische Alternativen in Deutschland gibt es überhaupt?

Deutsche Bahnen zu weit weg von Italien

Die Bahn in Oberhof ist nicht für Bobrennen ausgelegt – und scheidet damit grundsätzlich aus, auch wenn in Thüringen gerne ein anderer Eindruck erweckt wird. Auch Altenberg und Winterberg sind jedoch keine wirklichen Kandidaten, insbesondere aufgrund der Entfernung von Italien.

Altenbergs Bahnchef Jens Morgenstern hatte im Dreierbob, dem Wintersportpodcast von Sächsische.de, auch sofort nach Bekanntwerden der italienischen Misere erklärt: „Wir werfen unseren Hut für Olympia 2026 nicht in den Ring.“ Nicht nur er hält Innsbruck für die geeignetste Ausweichvariante, nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit.

Nun kommt überraschend aber auch die älteste Kunsteisbahn der Welt ins Gespräch. „Wenn wir irgendwo in der Nähe der Olympia-Stadt sein wollen, können wir an der Bahn am Königssee nicht vorbeigehen“, sagt Trautvetter. Der bayerische Eiskanal war nach einem Unwetter im Juli 2021 im oberen Teil zerstört worden. Die Planungen für den Wiederaufbau laufen. Nach dpa-Informationen wären selbst temporäre Lösungen bis zum vollständigen Wiederaufbau der Bahn machbar.

Springen Österreich oder die Schweiz ein?

Als weitere Bewerber kommen die Österreicher infrage, die unmittelbar nach der Absage von Cortina ihre im Ausbau befindliche Bahn in Innsbruck ins Gespräch brachten. Aus Athletenkreisen wird zudem immer wieder das Kufen-Mekka in St. Moritz genannt. Zwar sind die Temperaturen Ende Februar durch die Sonneneinstrahlung am Tage extrem gefährlich für das dortige Natureis – doch mit Sonnensegeln und neuer Beleuchtung wäre Olympia wohl zu stemmen. Aber die Schweizer haben sich wie die Franzosen mit La Plagne schon mit einer Bewerbung für 2030 in Stellung gebracht, was die Chancen eher schmälert.

Deutschland müsse laut Trautvetter schnellstens seine Hausaufgaben machen, auch auf politischer Ebene. Das IOC sieht olympische Wettbewerbe in Deutschland derzeit kritisch, weil das Bundesinnenministerium den Sportlern aus Russland und Belarus wegen des Kriegs in der Ukraine die Einreise verweigern will. Das bedeutet laut IOC-Stellungnahme, „dass Länder, in denen es solche Beschränkungen gibt, nicht in Betracht gezogen werden können“.

Ungeachtet dessen stehen auch andere Nationen möglichen Olympia-Rennen auf einer deutschen Bahn eher ablehnend gegenüber. Die ohnehin schon große Dominanz, so heißt es, wäre dann umso erdrückender.

So oder so, das Possenspiel im Eiskanal nimmt noch weiter an Fahrt auf, Ausgang derzeit völlig offen. (mit dpa)