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Die Angst der deutschen Olympioniken vorm Corona-K.-o.

Eine Infektion könnte den Abflug nach Peking in letzter Sekunde verhindern. Nicht nur die Biathleten greifen deshalb zu ungewöhnlichen Maßnahmen.

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Nur noch mit Maske: Selbst kurz vor oder nach den Rennen schützen sich die Biathleten – wie hier Erik Lesser, Roman Rees und Benedikt Doll (v.l.).
Nur noch mit Maske: Selbst kurz vor oder nach den Rennen schützen sich die Biathleten – wie hier Erik Lesser, Roman Rees und Benedikt Doll (v.l.). © Archiv: dpa/Sven Hoppe

Antholz. Wenn die deutsche Mannschaft unbeschadet von der Omikron-Welle bei den Winterspielen in Peking angekommen ist, dürfte das für viele Athleten bereits ein kleiner Olympiasieg sein. Die Sorge vor der neuen Coronavirus-Variante, die sich gerade rasant in Europa verbreitet, ist immens und drängt den vorolympischen Alltag fast schon in den Hintergrund. „Wir haben die große Sorge, dass sich jetzt noch jemand infiziert. Bei Omikron ist die Gefahr sehr hoch, dass dann gleich das ganze Team infiziert ist“, erklärt Jan Wüstenfeld, Mannschaftsarzt der deutschen Biathleten.

Sein Kollege, Olympia-Arzt Bernd Wolfarth, mahnte die Athleten kürzlich in einem Brief zur Vorsicht, sich gerade in dieser finalen Phase so kurz vor den Winterspielen nicht unnötigen Kontakten auszusetzen. „Es ist jetzt eine Herausforderung, die Olympischen Spiele zu erreichen“, sagt Wolfarth, der an der Berliner Charité arbeitet, und meint damit nicht die Nominierungskriterien. „Die Tendenz bei Neuinfektionen geht nach oben. Wir sind auch im Sport mit vermehrt positiven Fällen bei Sportlern konfrontiert.“

Die Biathleten griffen zuletzt schon zu ungewöhnlichen Vorsichtsmaßnahmen. Während des Weltcups Anfang Januar in Oberhof zogen sie wieder in die Bundeswehrkaserne gleich neben dem Stadion, wo der Zutritt Unbefugten untersagt ist. In den Zimmern durfte jeweils nur ein Athlet schlafen. „Außerdem haben wir extra zwei Köche dabei, die nur für uns kochen“, sagt Bernd Eisenbichler, Sportdirektor beim Deutschen Skiverband. Vergangene Woche in Ruhpolding hatten die Skijäger dann ein Hotel exklusiv gebucht, dessen Mitarbeiter wurden kurzerhand nach Hause geschickt. Beim Essen gab es eine feste Sitzordnung, mehr als zwei durften nicht an einen Tisch. Kurz vor Weihnachten wurde allen eine Boosterimpfung in der einzigen längeren Wettkampfpause angeboten. „Mehr Prävention geht nicht“, findet Eisenbichler.

Die Olympiakader, die nicht diese Woche schon beim Weltcup in Antholz antreten, reisen am Montag dann nach Südtirol zum abschließenden Lehrgang. Auch da gelten strenge Vorsichtsmaßnahmen. Von Antholz geht es am 31. Januar direkt zum Flughafen in Frankfurt/Main, von wo aus das Team nach Peking startet. Ein Zwischenstopp für ein, zwei Tage daheim bei der Familie wurde ebenso gestrichen wie der geplante Inlandsflug von München nach Frankfurt – wegen der Ansteckungsgefahr zu gefährlich. Angereist wird nun mit dem Auto. „Wir versuchen, die Blase so eng wie möglich zu halten“, betont Wüstenfeld.

Das Bob- und Skeletonteam setzt dagegen auf komplette Abschottung. An diesem Sonntag beziehen die Athleten um Bobdominator und Olympia-Goldfavorit Francesco Friedrich aus Pirna ein Trainingslager in Kienbaum, in dem sie bis zum Abflug nach Peking sechs Tage später bleiben. Hintergrund auch hier: Infektionsrisiko auf möglichst null minimieren.

Nichts dem Zufall überlassen: Bobdominator Francesco Friedrich schwört auf eine Maske, die sein früherer Kufenbauer jetzt produziert.
Nichts dem Zufall überlassen: Bobdominator Francesco Friedrich schwört auf eine Maske, die sein früherer Kufenbauer jetzt produziert. © Eibner Pressefoto

„Wir wollen uns mit der Maßnahme gegen Einflüsse von außen schützen“, sagt Bob-Bundestrainer René Spies und betont, dass auch schon während der Weltcups konsequente Coronaregeln galten. Unter anderem wurde die Nationalmannschaft in zwei Teams geteilt, die de facto nie miteinander Kontakt hatten. Alle Sportler sind zudem doppelt geimpft, viele waren auch schon infiziert. Eine Boosterimpfung wurde zuletzt ebenfalls angeboten.

Die deutschen Eisschnellläufer, die an der EM in Heerenveen teilnahmen, waren komplett geboostert. Der Verband ergriff noch zusätzliche Maßnahmen. Analog zu den Biathleten waren alle Sportler in Einzelzimmern untergebracht, auf das Transport-Shuttle zwischen Hotel und Halle wurde verzichtet. Nur nichts riskieren so kurz vor den Spielen. „Da ist jeder selbst gefordert. Wir unterstützen das als Verband“, sagt Sportdirektorin Nadine Seidenglanz. Man habe eine sehr gute Corona-Taskforce.

Da allerdings selbst die Schaffung von eigenen Blasen – wie jetzt die Handball-EM zeigt – und weitere Impfungen keinen hundertprozentigen Schutz bieten können, wird Sportlern nahegelegt, gezielt auf Wettkämpfe zu verzichten. „Das ist natürlich leichter gesagt als getan so kurz vor den Spielen“, sagt Olympia-Arzt Wolfarth, der vor seinen zehnten Spielen steht. Beim Biathlon-Weltcup in Antholz starten jetzt aus dem Olympiakader fast nur diejenigen, die sich einen Massenstart-Platz für Peking sichern wollen.

Nach der Anreise ist aber noch längst nicht alles überstanden. In der Olympiaregion erwarten die Sportler nicht nur strenge Verhaltensregeln, sondern vor allem in den Standorten Zhangjiakou (u.a. Biathlon und Langlauf) und Yanqing (Bob, Skeleton, Rodeln sowie Alpin) auch besondere klimatische Verhältnisse: strenge Kälte mit Temperaturen im zweistelligen Minusbereich und eisiger Wind. „Es wird viel Energie kosten, unter diesen Bedingungen drei Wochen dort zu sein“, vermutet Eisenbichler.

Deshalb reisen viele Athleten möglichst spät an, die deutschen Biathleten wollen schließlich auch in China weiter nach dem Rhythmus der hiesigen Zeitzone leben und die sieben Stunden Zeitunterschied ignorieren. „Außerdem“, so Eisenbichler, „nehmen wir wieder unsere Sonnenlicht-Brillen mit.“ (dpa mit SZ/dk und SZ/-yer)