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Vom Jahrhundert-Talent zum Dopingsünder

Johann Mühlegg hat als Skilangläufer viel gewonnen und am Ende alles verloren. Er feiert am Sonntag seinen 50. Geburtstag irgendwo im Exil.

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Johann Mühlegg ist einer der weltbesten Skilangläufer gewesen.
Johann Mühlegg ist einer der weltbesten Skilangläufer gewesen. © dpa

Von Christoph Leuchtenberg

Wie und wo Johann Mühlegg am Sonntag den 50. Geburtstag feiert, ist nicht bekannt. Ebenso wenig, wie der rätselhafteste und umstrittenste Skilangläufer aller Zeiten inzwischen über alles denkt. Mühlegg schweigt. Seit Jahren. Vielleicht ist das auch besser so. Für alle.

Was er mittlerweile macht, ist halbwegs nachvollziehbar. Mit Immobilien handelt der Allgäuer in der Küstenstadt Natal im Norden Brasiliens. Skilanglauf, das alte Leben, ist weit weg. Doch sein Weg vom Jahrhunderttalent zum größten Dopingsünder Olympischer Winterspiele bleibt beispiellos. „Er hätte die Skilanglauf-Welt über Jahre beherrschen können wie ein Björn Dählie“, sagte der ehemalige Bundestrainer Jochen Behle 2017 über seinen alten Weggefährten in Lahti – dort, wo Mühlegg 2001 bei der WM über 50 Kilometer gewann, über diese längste Distanz, die er einst so unvergleichlich beherrschte.

„Er hat so viel Begabung mitgebracht und verbockt“, sagte Behle, der mit Mühlegg lief und ihn anschließend kurz betreute, als jener längst nicht mehr von dieser Welt war: „Er ist nicht der Hellste gewesen und daran schließlich gescheitert.“ Mühlegg sei ein Arbeitsmonster gewesen, sagte Behle, „lief vormittags 60 Kilometer und wollte nachmittags dann richtig trainieren“. Im Deutschen Skiverband verzieh man ihm manche Marotte, besonders den Hang zu Aberglaube und Übersinnlichem.

Johann Mühlegg bejubelt Gold über 50 Kilometer bei der nordischen Ski-WM 2001 in Lahti.
Johann Mühlegg bejubelt Gold über 50 Kilometer bei der nordischen Ski-WM 2001 in Lahti. © dpa

Das Unheil begann, als Mühlegg bloß noch in Begleitung seiner portugiesischen Putzfrau auftrat. Sie hieß Justina Agostinho. Mühlegg nannte sie „die Gnade“. Sie sei seine „Retterin und Führerin in allen Lebenslagen“. Durch sie habe der „ewige Vater“ ihm mitgeteilt, dass Bundestrainer Georg Zipfel ihn verflucht habe und ihm nach dem Leben trachte. Die weitere Zusammenarbeit gestaltete sich schwierig. Mühlegg reiste fortan mit von ihrer Hand geweihtem Wasser an. „Die Geschichte war sein Untergang“, sagte Behle. Irgendwann war Mühlegg nicht mehr tragbar. 1998 kam der Rausschmiss beim DSV, 1999 der Wechsel zum spanischen Verband. Von Zorn und Verfolgungswahn zerfressen, begann er einen Kampf gegen böse Mächte.

Und wie Mühlegg kämpfte! 2002 lief er bei den Winterspielen in Salt Lake City alles in Grund und Boden, Schaum vor dem Mund, der Kopf röter als sein Rennanzug: Sieg im Skiathlon, über 30 und 50 Kilometer – und Niederlage gegen die Dopingkontrolleure. „Dabei hätte er nicht betrügen müssen. So dominant war er“, sagte Behle.

Mühlegg gibt sich uneinsichtig. Auf die Frage, ob er gedopt habe, antwortete Mühlegg: „Ich warte die B-Probe ab.“ Einer der größten olympischen Skandale endete mit dem Verlust der Goldmedaillen und zwei Jahren Sperre. Er hätte eine Legende werden können. Stattdessen war Mühlegg erledigt und wurde ein Phantom. 2006 tauchte er ab. „Ich will über das, was gewesen ist, nicht sprechen“, sagte Mühlegg 2014. „Ich habe diese Welt für immer verlassen.“ (sid)

Johann Mühlegg siegt auch bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake Ciry und verliert am Ende alles.
Johann Mühlegg siegt auch bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake Ciry und verliert am Ende alles. © dpa