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Eine echte Seltenheit: Zweimal Olympia in 196 Tagen

Nur 28 Wochen nach ihrem Auftritt über 100 Meter bei den Spielen in Tokio schiebt Alexandra Burghardt in Peking einen Bob an. Wie ihr die Leichtathletik dabei hilft.

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Schnell laufen wie immer, jetzt aber mit Bob: Alexandra Burghardt.
Schnell laufen wie immer, jetzt aber mit Bob: Alexandra Burghardt. ©  dpa/Robert Michael

Von Frank Kastner

Peking. Dick eingepackt macht sich Sprinterin Alexandra Burghardt in den kalten Bergen des Xiaohaituo-Gebirges warm. „Wir haben ja zum Glück Wintersachen, ich schwitze auch hier, ich brauche es zum Wettkampf, dass ich beim Aufwärmen schwitze“, sagt Deutschlands schnellste 100-Meter-Frau vor ihrem Start im Zweierbob an diesem Freitag. „Man muss sich einfach gut anziehen. Wechselsachen, warme Schuhe, wasserdicht natürlich, dann funktioniert das auch“, sagt die 27-Jährige.

Noch kurz vor der Abreise nach China hatte sie sich im Trainingslager der Leichtathleten in Teneriffa den letzten Schliff geholt. „Ich habe am Highspeed gearbeitet und noch mal Sonne getankt bevor es kalt wird“, erzählt Burghardt. Bei Temperaturen um minus 10 Grad Celsius steht sie nun mit Bürstenschuh statt Spikes auf blankem Eis am Start. Der Unterschied? „Kaum einer, nur ich schiebe ein Gerät. Ich musste lernen, Kraft auf den Bob zu übertragen“, erklärt sie. Ihre Schubhilfe nutzt Mariama Jamanka, die Olympiasiegerin von 2018.

Die erste Wettkampffahrt zusammen war in Innsbruck beim Weltcup. „Angst hatte ich nicht, es hat mich gleich gecatcht“, sagt Burghardt und betont: „Mariama vermittelt mir ein sicheres Gefühl.“ Spätestens nach dem zweiten Weltcupstart war das neue Duo gefunden. „Man hat es bei Mariama schon in den Augen gesehen, dass sie da einen Mehrwert erkennt. Sie sagte mir, wenn es wirklich in die Richtung geht, habe ich wirklich eine Chance bei Olympia“, meint Cheftrainer René Spies.

Die Suche nach den Parallelen

Das Wunder von 2018, als Jamanka mit Ex-Leichtathletin Lisa Buckwitz überraschend Gold gewann, ist wieder greifbar. Mit einem Unterschied: „Jetzt kommt sie mit einer anderen Ausgangsposition“, erklärt Spies, und er ergänzt: „Sie hat alle Möglichkeiten, als Olympiasiegerin auch eine gewisse Ruhe, sie ist erfahren. Von daher glaube ich, sie wird am Start mit Alexandra stark sein.“

28 Wochen nach ihrem Start bei Olympia in Tokio, wo sie mit der 4x100-Meter-Staffel Fünfte wurde und ins Sprint-Halbfinale stürmte, ist Burghardt bereit für das nächste Olympia-Abenteuer. „Ich habe schon das Gefühl für den Schlitten, Mariama merkt auch, dass wir uns immer besser treffen, dass die Kommandos immer abgestimmter sind. Das ist jetzt hier das A und O, wenn wir an der Startlinie sind. Sie kann sich zu einhundert Prozent auf mich verlassen“, sagt Burghardt. Zielstellung Medaille? „Die Chance ist da, wir werden alles geben, um das auch zu erreichen.“

Im Kopf zieht sie Vergleiche mit der Leichtathletik. „Wir sind da mit der 4x100-Meter-Staffel, wenn mal alles glatt laufen würde, immer relativ nah an einer Medaille dran“, verdeutlicht sie. Ihre Gedanken kreisen immer wieder zurück. Sie sucht auch immer wieder Parallelen. „Es ist relativ ähnlich im Training und Wettkampf, ich versuche, das Ganze immer offen, positiv und locker anzugehen.“ Für sie ist „alles eine Einstellungsfrage. Ich habe es im Vorfeld mit allen, die bei mir so mitwirken, abgesprochen, alle haben das grüne Licht gegeben, und sie denken, dass wir das hinkriegen“, sagt sie.

Der Fokus geht zurück auf die Tartanbahn

„Alexandra hat mit Patrick Saile einen langjährigen Trainer, der schon im Bobbereich in Bayern bei uns gearbeitet hat. Er ist sehr aufgeschlossen für unsere Sportart“, sagt Spies. So hatte gleich nach Tokio Bob-Stützpunkttrainer Stefan Bosch angefragt. „Sie hat es angenommen. Dann wurde ein vernünftiger Plan gemacht“, sagt Spies über Burghardt. Sofort war er begeistert von ihrer Auffassungsgabe: „Sie hat akribisch an der Technik gearbeitet, schnell auch Entwicklungsschritte übersprungen.“

Doch der Ausflug ist nur ein kurzer. Anschieberin ist sie nur als Teilzeitkraft. „Für mich habe ich entschieden, dass ich danach wieder vollständig zur Leichtathletik wechsele, das ist tatsächlich sehr temporär das Projekt“, sagt Burghardt bestimmt. Neue Ziele warten. „Erst mal die Titelverteidigung bei den deutschen Meisterschaften, dann gibt es eine WM, eine Heim-EM in München – ein Highlight jagt das nächste.“ Nach Olympia im kalten China will sie sich „eine Woche Ruhe gönnen, dann voller Fokus auf die Tartanbahn wieder“. (dpa)