SZ + Sport
Merken

Löcher auf Plätzen und in Hallendächern: Sachsens Sport beklagt Investitionsstau

In einem Brief an die Landesregierung fordern Kreis- und Stadtsportbünde, den Sportstätten-Bau deutlich mehr zu fördern. Doch eine finanzielle Aufstockung ist vorerst nicht in Sicht. Beispiele zeigen, welche Folgen das hat.

Von Daniel Klein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Aussicht auf die Festung Königstein ist einzigartig, der Zustand des Fußballplatzes seit Jahren eine Katastrophe.
Die Aussicht auf die Festung Königstein ist einzigartig, der Zustand des Fußballplatzes seit Jahren eine Katastrophe. © Steffen Unger

Dresden. Die Spieler, die zur Auswärtspartie in den Königsteiner Ortsteil Pfaffendorf kommen, sind regelmäßig hin- und hergerissen. Da ist zum einen der einzigartige Blick auf die Sächsische Schweiz und die Festung Königstein. Und da ist zum anderen der Zustand des Fußballplatzes – eigentlich Naturrasen, doch der wächst nur noch an den Randlagen. Wer Steine sammelt, wird hier auf jeden Fall fündig.

Der SV Königstein, der in der 2. Kreisliga spielt, hat den Platz von der Stadt gemietet. „Seit Jahren wird über eine Sanierung gesprochen. Aber es tut sich nichts, weil sich die klamme Kommune das nicht leisten kann und die Förderung durch das Land Sachsen nicht reicht“, erklärt Paul Leiteritz, Geschäftsführer des Kreissportbundes Sächsische Schweiz - Osterzgebirge.

Der Platz mit der wahrscheinlich schönsten Aussicht in ganz Sachsen ist nur ein Beispiel von vielen, Leiteritz könnte weitere aufzählen. Deshalb hat der Kreissportbund (KSB) vergangenen Herbst einen Offenen Brief an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Innenminister Armin Schuster unterschrieben, den die Kollegen in Zwickau verfasst hatten.

Angeschlossen haben sich dem 23 Spitzensportverbände des Freistaats und neun weitere Kreis- und Stadtsportbünde. Die Botschaft lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Die Landesregierung investiert zu wenig in den Bau und die Sanierung von Sportstätten. Deshalb fehlt es an Turn- und Schwimmhallen oder sie sind – wie der Fußballplatz in Pfaffendorf – in einem katastrophalen Zustand. Laut dem Zwickauer KSB-Präsidenten Jens Juraschka, der den Brief initiiert hat, fehlen in der westsächsischen Stadt „mindestens sieben Turn- und Sporthallen“, was zur Folge hätte, dass wegen fehlender Kapazitäten potenzielle Vereinsmitglieder abgewiesen werden müssen.

Steigende Baukosten erhöhen auch den Eigenanteil

Von ähnlichen Fällen kann auch Leiteritz berichten. So gäbe es im gesamten Kreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge nur wenige Schwimmhallen. In Pirna soll eigentlich eine große Sporthalle gebaut werden. „Doch durch die steigenden Baukosten steigen auch die Mittel, die die Kommunen bereitstellen müssen. Vor fünf Jahren hätte man sich das noch leisten können, jetzt nicht mehr“, so Leiteritz.

Auf die Städte und Gemeinde verweist auch der Ministerpräsident in seinem Antwortschreiben an den Zwickauer KSB-Chef. Die Finanzierung von Sportstätten sei eine freiwillige Leistung der Kommunen, so Kretschmer. Denen gehören die meisten Sportstätten, oft haben sie die an die Vereine vermietet oder verpachtet. Erst wenn die Rathäuser in der Lage sind, den Eigenanteil von in der Regel 20 Prozent zu stemmen, können Fördergelder fließen.

Im Bereich des Breitensports beteilige sich der Freistaat „mit bis zu 50 Prozent“, teilt das sächsische Innenministerium auf Anfrage von Sächsische.de mit. Die jeweiligen Fördersätze könnten aber nur „bei entsprechend bereitstehenden Fördermitteln gewährt werden“. Anders formuliert: Ist der Topf leer, gibt es auch keine Zuschüsse. Der Landessportbund (LSB) Sachsen teilte auf Anfrage mit, dass im Jahr 2023 Anträge mit einem Volumen von 60 Millionen Euro gestellt worden seien. Erfasst sind dabei allerdings nur Förderanträge, für die der LSB eine Stellungnahme abgegeben hat. Die eigentliche Summe dürfte also höher liegen.

Demgegenüber stehen 17,6 Millionen Euro, die Sachsen für „investive Sportförderung“, wie der Posten im Haushalt heißt, bereitgestellt hat. Für 2024 ist keine Erhöhung geplant. Der Spitzenwert in den zurückliegenden zehn Jahren lag 2021 bei 28,7 Millionen Euro. Allerdings verweist das Innenministerium darauf, dass 2023 und 2024 zusätzlich 10,5 Millionen Euro im Rahmen eines Sonderprogramms in den Wintersport investiert werden.

Zwickaus KSB-Präsident Juraschka hält das für nicht ausreichend. Er fordert eine Verdreifachung der jährlichen Fördersumme und eine Erhöhung der Landesquote auf 80 Prozent. Doch daraus wird wohl so schnell nichts. Eine Anhebung der Fördersätze über 50 Prozent hinaus sei aktuell nicht vorgesehen, teilt das Ministerium mit.

Immer mehr Mitglieder drängen in marode Turnhallen

Wie dringend der Abbau des Sanierungsstaus ist, zeigen die Statistiken des LSB. Demnach hat sich die Mitgliederzahl in den Sportvereinen seit 1991 mehr als verdoppelt auf aktuell 671.000, die Corona-Delle in den Jahren 2021 und 2022 ist überstanden. Dieser positive Trend läuft entgegengesetzt zur Bevölkerungsentwicklung, die im gleichen Zeitraum um knapp 800.000 zurückgegangen ist.

Die Nachfrage an Sportangeboten wächst. Deshalb ist für Leiteritz „eine gute Sportinfrastruktur wichtig, um die Angebote auch aufrechterhalten zu können“.Das Gerangel um die freien Kapazitäten nimmt nach seiner Beobachtung immer mehr zu, und er nennt als Beispiel die Ganztages-Angebote (GTA) in den Schulturnhallen. „Die sind wichtig, aber dadurch können die Vereine erst später in die Hallen, das Zeitfenster wird für sie kleiner, das Angebot schrumpft.“

Wie sich die Fördergelder in den kommenden Jahren entwickeln werden, muss die künftige Landesregierung nach der Wahl im September festlegen. Das Thema ist ein geeignetes für den Wahlkampf, am Donnerstag wurde im Landtag darüber diskutiert. Die CDU-Fraktion hält moderne, funktionale und bedarfsgerechte Sportstätten für essenziell und setzt sich für eine deutliche Erhöhung im investiven Bereich ein. Das fordert auch die AfD. Die Linke veranschlagt den Investitionsstau in Sachsen auf 1,5 Milliarden Euro und schlägt ein Sonderinvestitionsprogramm vor.

Zwickaus LSB-Präsident Juraschka wünscht sich, dass der Stau jährlich um zehn Prozent angebaut wird. Das wären, folgt man den Angaben der Linken-Fraktion, 150 Millionen Euro pro Jahr. Sollte das tatsächlich so umgesetzt werden, hätte auch der ramponierte Fußballplatz in Pfaffendorf eine Chance, saniert zu werden.