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Der Sieg, der Täve in Europa bekannt macht

Vor 65 Jahren gewinnt Gustav-Adolf Schur erstmals die Friedensfahrt. Es ist sein internationaler Durchbruch – und er da schon längst ein Held der DDR.

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Gustav-Adolf, genannt Täve, Schur (M.) hat viel gewonnen, aber er war vor allem ein Team-Sportler. So machte er bei der Weltmeisterschaft 1960 auf dem Sachsenring mit einem taktischen Manöver den Weg zum Sieg für Bernhard Eckstein frei.
Gustav-Adolf, genannt Täve, Schur (M.) hat viel gewonnen, aber er war vor allem ein Team-Sportler. So machte er bei der Weltmeisterschaft 1960 auf dem Sachsenring mit einem taktischen Manöver den Weg zum Sieg für Bernhard Eckstein frei. © dpa

Von Tom Bachmann

Für sein Rad hat Täve Schur gerade keine Zeit. Und das liegt nicht an seinem stattlichen Alter. Der nunmehr 89-jährige Radsport-Held des Ostens ist noch immer ein vielgefragter Mann. Kürzlich hat er sein neues Buch herausgebracht. Titel: „Was mir wichtig ist“. Jetzt nutzt er die coronabedingte Zwangspause zum Signieren von Exemplaren daheim in Heyrothsberge bei Magdeburg. Außerdem zwickt das Knie immer mal wieder.


Vermutlich hätte Schur am Sonntag nicht mal an das besondere Jubiläum gedacht. Zum 65. Mal jährte sich jener Tag, an dem Gustav-Adolf Schur – den jeder nur als Täve kennt – 1955 zum ersten Mal die Internationale Friedensfahrt gewann. „Ich hatte was drauf und wurde von Jahr zu Jahr besser. Meine Leistungsfähigkeit wuchs immer mehr, und in diesem Jahr war ich dran“, sagt Schur.

Dabei war er schon vor dem Premieren-Sieg bei der Tour de France des Ostens ein Star in der DDR. Die erst 1953 eingeführte Wahl zum „Sportler des Jahres“ hatte Schur stets für sich entschieden, am Ende sollten es neun Ehrungen werden. Aber der Sieg auf der 2.214 Kilometer langen Tortur von Prag über Ostberlin nach Warschau verhalf Schur zu seinem internationalen Durchbruch. „Das gesamte Ausland wurde aufmerksam. Später bei der WM hingen alle an meinem Hinterrad“, erinnert sich Schur. Mit dem WM-Titel klappte es 1958 und 1959 dennoch.

Erstmals auf Diamant-Rennrädern unterwegs


Bis zur achten von 13 Etappen dauerte es bei Schurs vierter Friedensfahrt-Teilnahme, ehe er das Gelbe Trikot erobert hatte. Der Belgier Joseph Verhelst kassierte mehr als elf Minuten und verlor die Spitze an Schur auf dem Weg von Leipzig nach Berlin. Schur holte sich später in Lodz die vorletzte Etappe und lag am Ende in der polnischen Hauptstadt Warschau über acht Minuten vor dem Tschechen Jan Vesely, seinem engen Freund, nach dem er später seinen ersten Sohn benannte.

Als es damals in Prag an den Start ging, hatte Schur bereits 10.000 Trainingskilometer in den Beinen. Und zwar nicht unter spanischer Sonne, sondern im mitteleuropäischen Winter. „Das waren harte Zeiten. Da hat man gelernt, auf die Zähne zu beißen“, sagt Schur. Erstmals hatten die DDR-Fahrer Diamant-Rennräder zur Verfügung gestellt bekommen: acht Gänge, vorn zwei Kettenblätter. Doch von der Rundfahrt existiert nur noch ein Trikot, das laut Schur im Friedensfahrt-Museum in Kleinmühlingen zu finden ist. Die Räder seien überall verstreut.

Täve Schur nahm 2019 an einer kleinen Friedensfahrt durch den Leipziger Stadtteil Grünau teil.
Täve Schur nahm 2019 an einer kleinen Friedensfahrt durch den Leipziger Stadtteil Grünau teil. © dpa/Jan Woitas

Die Tür zur Ruhmeshalle bleibt zu – das kränkt ihn


Seine Rolle als Sportheld der DDR-Propaganda untermauerte der Sieg bei der Friedensfahrt noch mehr. Mehr als 30 Jahre saß Schur in der Volkskammer, bekannte sich auch nach der Wende zu den Ideen des Sozialismus. „Es kam für mich nie infrage, in den Westen zu gehen“, betont er. Sein Lebensweg, seine – durch eigene Erfahrungen und Erlebnisse geprägten – Ansichten über das DDR-System sowie seine relativierende Einschätzung zum Doping auch an minderjährigen Sportlern verhinderten später zweimal die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports – was ihn kränkte. Es wird keinen dritten Anlauf geben, die Tür zur Ruhmeshalle bleibt für ihn für immer zu.

Bei der Friedensfahrt empfängt man ihn hingegen mit offenen Armen. Der Course de la Paix ist heute nur noch ein Nachwuchsrennen in Tschechien, und Schur sollte für dieses Jahr die Schirmherrschaft übernehmen. Doch die Reise fiel aus. Natürlich wegen Corona. Also ist Schur daheim und hofft, bald noch mal aufs Rad steigen zu können. „Das wäre ein riesiges Erlebnis für mich.“ (dpa)