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So läuft's mit dem Umbau des Tharandter Bahnhofsgebäudes

35 Ein- und Zweiraum-Appartements entstehen in dem Baudenkmal. Im Sommer 2022 sollen sie fertig sein. Noch gibt es aber sehr viel zu tun.

Von Gabriele Fleischer
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Das historische Empfangsgebäude des Tharandter Bahnhofs soll seinen Schweizer Stil behalten. Innen entstehen kleine Appartements.
Das historische Empfangsgebäude des Tharandter Bahnhofs soll seinen Schweizer Stil behalten. Innen entstehen kleine Appartements. © Daniel Schäfer

Überall alte Balken und Holzbretter, hier und da neue Mauern und gerade eingezogene Stahlträger, alte Dachstuhlteile neben neuen. Stück für Stück verändert das einstige Bahnhofsgebäude von Tharandt sein Gesicht.

Noch lassen sich die Hallen, wo wohl Tausende von Reisenden auf ihre Züge gewartet haben, und das Restaurant mit Küche erahnen. Aber bald werden die großen Flächen durch Wände getrennt.

35 Ein- und Zwei-Raum-Appartements sollen hier über drei Etagen entstehen – bis Sommer 2022. Eigens dafür hat sich die Baupark GmbH & Co. KG mit Sitz im baden-württembergischen Balgheim gegründet. Beteiligt daran sind die dortige Dages Projekt Verwaltungs GmbH und die Factura Projektmanagement GmbH in Dresden. Im Mai 2018 wurde die Baupark-Gesellschaft beim Stuttgarter Amtsgericht registriert. Geschäftsführer ist Artur Grimm, der sich in Baden-Württemberg zudem mit dem Vertrieb von Solar- und Fotovoltaikanlagen beschäftigt. Die Projektleitung hat Christian Hemm aus Dresden übernommen.

Christian Hemm betreut als Projektleiter den Umbau des Gebäudes am Tharandter Bahnhof. Dieser Anbau wird geöffnet und kann von allen Mietern genutzt werden.
Christian Hemm betreut als Projektleiter den Umbau des Gebäudes am Tharandter Bahnhof. Dieser Anbau wird geöffnet und kann von allen Mietern genutzt werden. © Daniel Schäfer

Finanzielle Herausforderung für die Bauherren

Projektleiter Hemm führt über die Baustelle und zeigt auf zwei Anbauten in Richtung der Bahngleise: "Die gestalten wir offen. Sie können ebenso wie der großzügige Hausflur gemeinschaftlich genutzt werden." Vielleicht ein Aufenthaltsort für alle, mit Bänken, Tischen Stühlen. „Dort hinten ging es zur Unterführung“, zeigt er noch auf zugemauerte Gebäudereste und erinnert an ein Stück Geschichte.

Das im Schweizer Stil errichtete einstige Empfangsgebäude aus dem Jahr 1909, das wohl größte noch erhaltene in der Region, steht unter Denkmalschutz.

Eine Herausforderung für jeden Bauherren, auch finanziell. Denn einige Millionen Euro kosten Umbau und Sanierung. Möglicherweise sind deshalb auch viele in der Vergangenheit daran gescheitert.

Die Deutsche Bahn hat schon lange nichts mehr damit zu tun. Sie hatte es Recherchen zufolge bereits 2003 an den britischen Immobilieninvestor Patron Capital verkauft. 2007 kamen zwei einheimische Unternehmer mit der Idee, im Gebäude Wohnungen für Studenten und einen Veranstaltungssaal entstehen zu lassen und wollten es vom Eigentümer pachten. Daraus wurde nichts. 2011 ersteigerte dann der britische Investor Hossain Kamyab das Empfangsgebäude. Die Pläne für ein Studentenhaus blieben die gleichen. Aber auch dieser Versuch verlief im Sand.

Vom großzügigen Flur im Erdgeschoss des einstigen Bahnhofsgebäudes geht es zu den Wohnungen. Eine neu entstandene Treppe führt zu den oberen Geschossen.
Vom großzügigen Flur im Erdgeschoss des einstigen Bahnhofsgebäudes geht es zu den Wohnungen. Eine neu entstandene Treppe führt zu den oberen Geschossen. © Daniel Schäfer

Schweizer Stil soll erhalten bleiben

Nun also ein neuer Anlauf. Im vergangenen Jahr lag die Baugenehmigung auf dem Tisch. Und es lief an, trotz der Pandemie.

Krankheitsfälle oder verspätete Materiallieferungen würden den Zeitplan derzeit noch nicht gefährden. Es wurde alte marode Bausubstanz abgebrochen, mit der Stadt und Denkmalpflegern verhandelt. „Die äußere Hülle wird so wiederhergestellt, wie sie war“, sagt Christian Hemm - mit all seinen Verzierungen und den zum Teil weit nach vorn ragenden Dächern.

Die Holzfassade entsteht in rotbrauner Farbe. Schieferdach, Fenster und Fassade werden nach den Originalen von 1909 restauriert, der Balkon bleibt erhalten. Nur im Dachgeschoss würden Dachflächenfenster eingebaut.

Ein Kompromiss, den die Denkmalschützer mittragen. Auch die Fenster werden im Innenbereich heutigen Gegebenheiten angepasst und mit entsprechendem Schallschutz ausgestattet. Die Appartements in einer Größe zwischen 17 und 63 Quadratmeter haben jeweils eine Einbauküchenzeile, ein Bad, einen Rad- und einen Autostellplatz. Die Teilunterkellerung bleibt und wird laut Hemm für die Haustechnik, aber ebenso für Wasch-Münzautomaten und die Radgarage genutzt. Auch ein paar Abstellräume für die Mieter soll es geben.

Zu den 35 Parkflächen neben dem Gebäude planen Grimm und Hemm noch zwei Plätze mit Elektroladesäulen. Die sind natürlich nicht nur für die Mieter und Eigentümer, sondern für alle nutzbar“, sagt der Bauleiter. Der Fuß- und Radweg vor dem Gebäude, um den es noch vor einiger Zeit Streit gab, gehört der Stadt und kann, so Hemm, uneingeschränkt genutzt werden.

Blick unters Dach, wo sich neue und alte Gebäudeteile verbinden: Auch im obersten Geschoss entstehen Wohnungen, die alle Dachflächenfenster erhalten.
Blick unters Dach, wo sich neue und alte Gebäudeteile verbinden: Auch im obersten Geschoss entstehen Wohnungen, die alle Dachflächenfenster erhalten. © Daniel Schäfer

Zwei Plätze mit Elektroladesäulen

Verkauft übrigens seien alle Wohnungen an Kapitalanleger. Von Summen zwischen 59.000 und 220.000 Euro war vor einem knappen Jahr die Rede.

Mietinteressenten könnten sich neben den Studenten unter den Mitarbeitern der TU Dresden finden, die in Tharandt die forstwirtschaftliche Ausbildung betreibt. Aber können sich Studenten das Wohnen im historischen Bahnhofsgebäude überhaupt leisten? Artur Grimm glaubt das schon. Er spricht von Mietpreisen um die elf, zwölf Euro pro Quadratmeter.

Die Deutsche Bahn und ihre Empfangsgebäude

Laut Sachsens Bahnsprecher Jörg Bönisch betreibt die DB Station & Service an deutschlandweit rund 5.700 und in Sachsen 472 Bahnhöfen derzeit etwa 800 Empfangsgebäude.

Ein großer Teil dieser Immobilien, die im Schnitt 100 Jahre alt sind, stammt aus der Gründerzeit der Eisenbahn mit Dampflokantrieb. "Viele dieser Gebäude haben die Funktion von einst nicht mehr. Fahrkartenausgabe, Gepäck- und Stückgutaufgabe oder Expressgutabfertigung sind durch moderne Dienstleistungssysteme abgelöst. Große Bahnhofsgaststätten, ausladende Wartesäle erster und zweiter Klasse prägten viele Gebäude, werden aber heute nicht mehr benötigt", sagt Bönisch.

Die meisten Gebäude seien daher nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Aus diesem Grund wurden seit 2003 an die 400 Empfangsgebäude in Sachsen, darunter das in Tharandt, verkauft. Zwölf Gebäude sind noch im Bestand der Deutschen Bahn. Das sind Chemnitz und Dresden Hauptbahnhof, Dresden-Mitte, Dresden-Neustadt, Görlitz, Leipzig Hauptbahnhof (teilweise verpachtet), Meißen, Pirna, Plauen im Vogtland (oberer Bahnhof), Riesa, Zittau und Zwickau Hauptbahnhof.

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