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Wenn fürs Essen 2,5 Minuten bleiben

Sonntags gehen viele essen. Wie geht's da zu in Gaststätten? Redakteurin Gabriela Lachnit hat das im Jauernicker "Berggasthof" erlebt. Und ein Angebot erhalten.

Von Gabriela Lachnit
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SZ-Redakteurin Gabriela Lachnit übt sich als Kellnerin im Berggasthof in Jauernick-Buschbach.
SZ-Redakteurin Gabriela Lachnit übt sich als Kellnerin im Berggasthof in Jauernick-Buschbach. © André Schulze

Um elf Uhr beginnt meine Schicht im Berggasthof. Einen Sonntagmittag schlüpfe ich in die Rolle einer Kellnerin. Janina Schmeltekop, die Chefkellnerin, ist schon da. Im Moment ist sie Aushilfe wie ich, denn sie befindet sich gerade in Elternzeit. Am Wochenende hilft sie ihren Eltern, Iris und Andriko Zimmermann, gern. Zimmermanns führen seit 28 Jahren den Berggasthof, die Tochter ist angestellt. 

Zuerst verschaffe ich mir einen Überblick über das Speisen- und Getränke-Angebot in der Gaststätte. Das ist eine Herausforderung. Die Speisekarte ist umfangreich, die Auswahl sehr groß. Doch zunächst erklärt mir Janina Schmeltekop, wo was in der Gaststätte zu finden ist. Bier kommt aus dem Zapfhahn, alkoholfreie Getränke auch. Jedes hat seinen eigenen Hahn.

Säfte, Weine, Spirituosen und alkoholfreies Bier in Flaschen stehen in Kühlschüben unter dem Tresen. Gläser sind in Regalen im Schankraum zu finden, ebenso die Maschine für die verschiedenen Kaffeespezialitäten und das entsprechende Geschirr. Leere Gläser werden am Tresen per Hand gewaschen, benutztes Geschirr geht in die Küche.

Janina Schmeltekop erklärt SZ-Redakteurin Gabriela Lachnit, wie ein kleines Radler zu mischen ist: halb Zitronenlimo, halb Landskron-Bier. 
Janina Schmeltekop erklärt SZ-Redakteurin Gabriela Lachnit, wie ein kleines Radler zu mischen ist: halb Zitronenlimo, halb Landskron-Bier.  © André Schulze

Janina, wir einigen uns auf unsere Vornamen, erklärt mir, welcher Tisch welche Nummer hat. Das ist für den Kellner wichtig, wenn Absprachen zu treffen sind. Der Gast merkt davon aber nichts. Auf den Tischen stehen keine Zahlen. Janina zeigt mir, wo ich Besteck und Servietten finden kann. Die sind bereits zu einer Art Bischofsmütze gefaltet. Rot ist heute angesagt.

Ein paar als Reserve sind noch da. Janina hatte schon am Tag zuvor alles für den Mittagstisch eingedeckt, die Bischofsmützen stehen an jedem Platz. Das Besteck steckt in Tonkrügen auf den Tischen, aus denen sich die Gäste das Benötigte entnehmen. Dann erklärt Janina mir, wie das Bier gezapft wird und wie man ein Radler macht. 

Den schönsten Tisch für einen Sonntagsarbeiter

Dann geht es los. SZ-Fotograf André Schulze hat wie ich Sonntagsdienst - und nutzt die Gelegenheit, seine Familie und die Schwiegereltern zum Mittagessen auszuführen. Sie sind die ersten Gäste, die ich im Wirtshaus begrüße. André Schulze hatte einen Tisch reserviert und bekommt einen der schönsten: in der Kolonade mit Blick auf den Berzdorfer See. Dieser Raum ist ein Anbau an die Gaststube, der wie alle anderen Räume des Berggasthofes vor einigen Jahren umfassend saniert wurde. 

Das Team des Berggasthofes: Iris Zimmermann (links) ist die Köchin, Andriko Zimmermann ist der Chef und arbeitet in der Küche und im Gastraum. Tochter Janina Schmeltekop ist für den Service und die Bedienung der Gäste zuständig. Derzeit hilft sie aus, den
Das Team des Berggasthofes: Iris Zimmermann (links) ist die Köchin, Andriko Zimmermann ist der Chef und arbeitet in der Küche und im Gastraum. Tochter Janina Schmeltekop ist für den Service und die Bedienung der Gäste zuständig. Derzeit hilft sie aus, den © André Schulze

Familie Schulze/Lange bekommt die Speisekarten. Ich frage nach Getränken und notiere sie.  Am Tresen gebe ich das Gewünschte zunächst in die Kasse ein. Janina erklärt mir, wie das geht. Eigentlich ist das einfach, die Kasse ist selbsterklärend. Wichtig ist, dass ich darauf achte, jede Bestellung dem richtigen Tisch zuzuordnen. Mit jeder Bestellung mehr gewinne ich an Sicherheit bei der Kasseneingabe - und Janina ist ja auch noch da, falls ich Fragen habe. 

Fass anstecken ist Chefsache

Das erste Bier ist fällig. Janina hatte bereits abgelassen. Bei Arbeitsbeginn wird immer Bier abgelassen und weggeschüttet, das in der Leitung stand. So bekommt jeder Gast frisches Bier aus dem Fass. Anfangs schäumt es sehr, bald aber läuft es klar ins Glas. Ich muss es schräg halten. Wenige Biere später gibt es einen großen Sprudel aus dem Zapfhahn: Das Fass ist leer. Ein neues anzustecken, das ist Chefsache. Andriko Zimmermann erledigt das.

Wildgerichte und Schnitzel sind die Renner

Nach und nach treffen die Gäste ein. Die meisten haben einen Tisch reserviert. Nur drei Tische für Gäste ohne Reservierung sind noch frei. Auch die sind bald besetzt. Familie Schulze hat bei mir die Bestellung der Speisen aufgegeben. Sie macht es mir leicht, hat keine Änderungen zur Speisenzusammenstellung. Das müsste ich dann bei der Kasseneingabe berücksichtigen.

"Natürlich können die Gäste zum Beispiel anstelle von Klößen auch Kartoffeln bekommen oder bei vielen Gerichten eine Seniorenportion", erklärt Janina. Wir müssen nur darauf achten, dass wir das in die Kasse so eingeben. Denn die druckt die Bestellung aus.  Dieser Zettel geht in die Küche. Welcher Tisch welches Essen bekommt steht drauf. Die Reihenfolge der Zettel darf nicht verändert werden. Und schon gar nicht darf einer verloren gehen. 

Schnitzel mit Pilzen sind für den Gast angerichtet. Damit das Essen gleich rausgeht und nicht kalt wird, läutet die Köchin Iris Zimmermann die kleine Glocke. Das ist für die Kellner das Signal, sofort in die Küche zu kommen.
Schnitzel mit Pilzen sind für den Gast angerichtet. Damit das Essen gleich rausgeht und nicht kalt wird, läutet die Köchin Iris Zimmermann die kleine Glocke. Das ist für die Kellner das Signal, sofort in die Küche zu kommen. © André Schulze

Mit dem ersten Zettel in der Küche legen Iris und Andriko Zimmermann los. Zuerst gehen  die Vorspeisen raus. Knobi-Suppe und Eierflockensuppe sind heute am gefragtesten. Aber nicht jeder Gast möchte eine Vorspeise. Das Küchenteam Iris und Andriko Zimmermann portioniert das Essen entsprechend der Bestellungen. Es wird hübsch angerichtet, dekoriert mit Physalis oder einer Erdbeere.

Grüner Salat und Rohkost aus Weißkraut und Möhre sind ebenfalls dabei. Und natürlich, was der Gast bestellt hat. Wildschweinbraten, Hirschbraten, Wildschweinhaxe werden gern genommen. Aber auch Schnitzel mit Pilzen oder Kräuterbutter werden oft bestellt. Der Zander gehört im Berggasthof zu den Lieblingsgerichten der Gäste - jedenfalls an diesem Sonntag.

Was nicht passieren durfte

Alles läuft gut. Aber ich muss mich sputen. Dann passiert, was nicht passieren durfte:  Der Zettel mit der Bestellung aus der Kasse für zwei Gäste rutscht nach hinten. Ich erkläre den Gästen das und entschuldige mich für die Wartezeit. Sie nehmen es sportlich und werden schon wenig später mit einem köstlichen Essen belohnt.

Überhaupt scheint es allen Gästen geschmeckt zu haben. Ich sehe das an den Tellern, die ich zum Großteil leer gegessen abräume. Meine Frage, ob es denn geschmeckt habe, beantworten nahezu alle mit "sehr gut" oder "wunderbar". Nur eine Frau ist unzufrieden, das Fleisch sei sehr sehnig gewesen. Ihr Teller ist aber leer, von zurückgelassenem, sehnigem Fleisch ist nichts zu sehen. Ich will das später mit den Wirtsleuten besprechen.

14.45 Uhr verlassen die letzten Mittagsgäste das Lokal. In der Kolonade wird klar Schiff gemacht: Alle Dekorationen müssen runter von den Tischen. Die Tischdecken kommen in die Wäsche. Janina richtet die Kolonade frisch her, deckt neu ein. Pünktlich 15 Uhr treffen Gäste ein, die eine Feier absprechen wollen. Das macht Iris Zimmermann. Inzwischen kommen die ersten Kaffeegäste.

Der Belegschaft knurrt der Magen

Es ist 15.45 Uhr: Es gibt Mittagessen für die Belegschaft. Zu viert sitzen wir am Stammtisch und werten die Schicht aus. Ich berichte von der unzufriedenen Frau. Andriko Zimmermann erklärt, dass das vorkommen kann. Ich verstehe das so: Es kann sein, dass Reklamationen kommen. Und es kann sein, dass man es manchen Gästen gar nicht recht machen kann, trotz größter Sorgfalt. 

Die meisten Gäste seien jedoch sehr zufrieden, wenn sie den Berggasthof verlassen, erklärt der Wirt. "Am schönsten ist es, wenn sie bei Tischreservierungen pünktlich da sind. Denn Verspätungen gerade von  Gästegruppen bringen den Ablauf in der Küche durcheinander, Wartezeiten entstehen", erläutert er.

Gläser polieren: Damit endet meine Schicht. Alle benutzten Gläser stehen gewaschen und poliert wieder in den Regalen. Es ist 16.30 Uhr.
Gläser polieren: Damit endet meine Schicht. Alle benutzten Gläser stehen gewaschen und poliert wieder in den Regalen. Es ist 16.30 Uhr. © André Schulze

In genau zwei Stunden haben wir zu viert 50 Mittagessen verkauft. In Spitzenzeiten sind es 100 oder mehr an einem Mittag. Dann ist aber mindestens eine weitere Aushilfe nötig. Diesmal sind es rein rechnerisch etwa 2,5 Minuten für jedes Essen. Janina und ich vergleichen unsere Schrittzähler: Jede von uns hat etwa 6.200 Schritte in dieser Sonntagsschicht absolviert. 

Die Wirtsleute und Janina sind zufrieden mit mir. Da sie ohnehin nach Personalverstärkung suchen, fragen sie an, ob ich nicht öfter Sonntagsschicht machen möchte. Es hat mir zwar großen Spaß gemacht, aber ich bin nun mal Journalistin und bleibe bei der SZ. Nachdem auch das letzte Glas poliert im Schrank steht, ist 16.30 Uhr meine Schicht zu Ende. 

Im nächsten Teil der Serie "Einer muss es ja machen" ist SZ-Redakteur Steffen Gerhardt bei einem Bäcker zur Nachtschicht. Der Beitrag erscheint an diesem Sonnabend.

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