Dresden
Merken

Tolkewitz bekommt einen Tunnel

Tief unter der Straße wird derzeit gearbeitet, damit auch endlich der Gestank verschwindet.

Von Peter Hilbert
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Norbert Kunze baut mit seinen Kollegen einen Tunnel in Tolkewitz. Etwa einen halben Meter kommen die Spezialtiefbauer täglich voran. Eingebaut werden hier später große Rohre für den Altstädter Abfangkanal.
Norbert Kunze baut mit seinen Kollegen einen Tunnel in Tolkewitz. Etwa einen halben Meter kommen die Spezialtiefbauer täglich voran. Eingebaut werden hier später große Rohre für den Altstädter Abfangkanal. © René Meinig

Sieben Meter unter der großen Kreuzung vor dem Wasserwerk Tolkewitz steht Norbert Kunze mit seinem Presslufthammer. Mit dem kann der Spezialtiefbauer allerdings nicht arbeiten, als die SZ vor Ort ist. Mit seinen Kollegen baut der 55-Jährige hier seit Februar einen Tunnel am bisherigen Nadelöhr des Altstädter Abfangkanal, an dem es oft gestunken hat. Von den Arbeiten bekommen die Tolkewitzer aber nicht viel mit, außer dass sie Bauzäune sehen. Die große Kreuzung Tolkewitzer/Wehlener Straße ist weiter befahrbar. Aber Kunze und die anderen Tunnelbauer mussten für einige Tage den Vortrieb unterbrechen.

„Zuerst sind wir dabei auf einen Betonklotz gestoßen“, berichtet Bauleiter Jan Seiter. Ein Minibagger hatte den mit einem Hydraulikhammer abgepickert, was eine Woche gedauert hat. Herausgestellt hat sich dann, dass sich in dem Block eine große 123 Jahre alte Wasserleitung vom benachbarten Wasserwerk verbirgt, die längst außer Betrieb ist. Eine Überraschung – sie war in keinem Plan verzeichnet. Mit einer ferngesteuerten Wandsäge haben sie die Spezialisten binnen kurzer Zeit beseitigt, sodass die Tolkewitzer Tunnelbauer weiterarbeiten können.

Ein fehlender halber Meter sorgt für Gestank

Mit der Röhre löst die Stadtentwässerung ein großes Problem, erläutert Geschäftsführer Ralf Strothteicher. Denn die linkselbische Abwasser-Hauptleitung, der Altstädter Abfangkanal, ist schon zwischen dem östlichen Stadtrand und der Yenidze saniert. Allerdings gab es noch ein Nadelöhr genau unter dieser Kreuzung. Ist die Abwasserröhre sonst etwa zwei Meter hoch, so waren es hier bisher nur anderthalb Meter. „Dadurch gab es die Gerüche“, verweist Strothteicher auf einen Aspekt. Allerdings muss das Nadelöhr auch beseitigt werden, damit bei Starkregen oder Hochwasser das Abwasser gut abfließen kann. Also wird auch diese letzte unsanierte Lücke im Abfangkanal geschlossen.

Ursprünglich war geplant, die Abwasserröhre im Zuge des Straßenbaus auf der Kreuzung auszutauschen. Da die Straßensanierung erst später kommt, hat die Stadtentwässerung die andere, viel aufwendigere und teurere Technologie gewählt. Dadurch gibt es auch keinen jahrelangen Bauverzug. Gebaut wird ein Stollen für den neuen Kanal im Untergrund, um den Verkehr nicht zu beeinträchtigen.

Mit Detektoren auf Bombensuche

Zuerst wurde ein Zugang im Untergrund von der gewaltigen Baugrube an der Ecke Wehlener/Tolkewitzer Straße gebaut. Die eigentliche Röhre wird 46 Meter lang. Investiert werden rund 2,5 Millionen Euro. Jeder Meter des neuen Kanals kostet also über 50 000 Euro, rechnet Strothteicher vor. Nach 15 Metern stießen die Tunnelbauer auf das alte Wasserrohr, was noch einen Zusatzaufwand bringt.

Fast drei Meter hoch ist der Tunnel, der direkt unter der Kreuzung am Wasserwerk Tolkewitz gebaut wird. Ende Juli soll die 46 Meer lange Röhre hergestellt sein. 
Fast drei Meter hoch ist der Tunnel, der direkt unter der Kreuzung am Wasserwerk Tolkewitz gebaut wird. Ende Juli soll die 46 Meer lange Röhre hergestellt sein.  © René Meinig

Der Tunnel wird jetzt weiter vorangetrieben. Zum Auftakt jedes Tages untersuchen Munitionssucher die sogenannte Ortsbrust an der Stirnseite der Röhre mit Metalldetektoren. Gibt es keine Hindernisse, legen die Tunnelbauer mit Hacken und Presslufthämmern los, um die 2,7 Meter hohe Röhre zentimeterweise voranzutreiben. Das Erdreich aus dem Tolkewitzer Untergrund füllt täglich zwei große, jeweils sieben Kubikmeter fassende Container, die abtransportiert werden müssen. Die Wände werden mit zwei Lagen Stahlmatten und Spritzbeton gesichert, erklärt Bauleiter Seiter. So kommen die Tunnelbauer etwa einen halben Meter täglich voran.

„Wichtig ist auch, dass die Straßenoberfläche nicht absackt“, sagt Stadtentwässerungschef Strothteicher, der die wichtige Baustelle oft inspiziert. Die Höhe wird täglich mit einem Nivelliergerät vermessen. „Da hat sich bisher jedoch gar nichts bewegt.“ Geplant ist, dass die Tunnelbauer Ende Juli am Ziel sind. Auf Wagen werden letztlich abschnittsweise glasfaserverstärkte, zwei Meter hohe Kunststoffrohre in den Tunnel geschoben und zusammengefügt, durch die das Abwasser künftig fließt.

Ist der neue Kanal fertig, wird der Stollen am Ende mit einem Betongemisch verfüllt, sodass eine feste Hülle die neue Abwasserröhre schützt, nennt Strothteicher den nächsten Schritt. Auch in den parallel verlaufenden alten Nadelöhr-Kanal wird diese Mischung gepumpt, sodass er nicht einbrechen kann. „Im Oktober soll alles fertig sein“, sagt Strothteicher. Für den 47-jährigen Bauleiter Seiter ist das nichts Ungewöhnliches. Er hat schon viele derartige Abwassertunnel gebaut, sogar einen 300 Meter langen im Bonner Zentrum.