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Hanau trauert um Anschlagsopfer

Vor zwei Wochen starben elf Menschen in Hessen bei einem rassistischen Anschlag. Am Mittwoch wurde den Opfern gedacht. Die Politik sendet eine klare Botschaft.

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Trauernde stehen auf dem Hanauer Marktplatz
Trauernde stehen auf dem Hanauer Marktplatz © Andreas Arnold/dpa

Von Carolin Eckenfels und Eva Krafczyk

In der Stunde des Gedenkens an die Todesopfer des rassistischen Anschlags von Hanau haben Spitzenpolitiker zum Kampf gegen die Spaltung der Gesellschaft aufgerufen. Bei der zentralen Trauerfeier am Mittwoch in Hanau nannte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Tat einen "Anschlag auf das Grundverständnis von unserem Zusammenleben". Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte vor Angehörigen und Freunden der Opfer sowie geladenen Gästen aus der Politik: "Wir lassen uns nicht spalten, und wir stehen zusammen."

Rund 2000 Menschen verfolgten nach Polizeischätzungen in andächtiger Stille auf zwei Plätzen in der Hanauer Innenstadt auf Großbildwänden den Gedenkakt im Congress Park, manche nahmen sich dabei in den Arm.

Zu der zentralen Trauerfeier des Landes Hessen und der Stadt Hanau mit 650 Gästen war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gekommen, die aber keine Rede hielt. Vor der Veranstaltung trug sie sich wie auch viele andere in das Kondolenzbuch für die Opfer ein.

Die Schwester eines der Hanauer Anschlagsopfer erinnerte in einer emotionalen Ansprache an ihren getöteten Bruder. "Mein Bruder Hamza wurde völlig unerwartet aus der Mitte unserer Familie gerissen", sagte Ajla Kurtovic. "Zurückgeblieben ist grenzenloser Schmerz, unfassbare Leere und Fassungslosigkeit." Ihr Bruder sei stets hilfsbereit, gut gelaunt und sozial engagiert gewesen.

"Die Opfer waren keine Fremden" steht auf einem selbstgemalten Schild an der Tür des Kiosks in Hanau-Kesselstadt, in dem Tobias R. mehrere Menschen erschossen hatte. 
"Die Opfer waren keine Fremden" steht auf einem selbstgemalten Schild an der Tür des Kiosks in Hanau-Kesselstadt, in dem Tobias R. mehrere Menschen erschossen hatte.  © Boris Roessler/dpa

Sie selbst empfinde keinen Hass, sagte sie. "Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat. Damit liegen Hass und Rassismus sehr nah beieinander. Ich will, dass wir uns alle von Hass abgrenzen." Sie wünsche sich ein Miteinander statt ein Gegeneinander.

Kurtovic rief die anwesenden Politiker auf, dafür zu sorgen, dass die Tat restlos aufgeklärt wird und Lehren aus ihr gezogen würden, damit es keine Wiederholung gebe. "Das sind wir den Ermordeten schuldig." Es sei das Mindeste, was getan werden könne. Der Hanauer Kemal Kocak, der viele Opfer des Anschlags kannte, sagte: "Der Mensch vergisst schnell. Aber diese jungen Menschen, die zum Opfer gefallen sind, dürfen wir nicht vergessen."

"Wir halten zusammen. Denn wir wollen zusammen leben"

In der Nacht zum 19. Februar hatte ein 43-jähriger Deutscher neun Menschen mit Migrationsgeschichte erschossen und weitere verletzt. Der Sportschütze soll anschließend seine Mutter und sich selbst getötet haben. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank.

Bundespräsident Steinmeier rief in seiner Rede die gesamte Gesellschaft zur Verteidigung der Demokratie auf. Zugleich forderte er den Staat auf, mehr dafür zu tun, dass alle Menschen in Deutschland sicher seien. "Die ganz große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist gegen Ausgrenzung und Ressentiments, gegen Hass und Gewalt. Aber es reicht nicht, zu wissen, dass man in der Mehrheit ist. Das Schweigen der Vielen darf nicht zur Ermutigung der Wenigen werden", sagte der Bundespräsident.

"Unsere Botschaft von Hanau in die Republik muss sein: Wir stehen zusammen. Wir halten zusammen. Denn wir wollen zusammen leben", sagte der Bundespräsident, der alle Oper namentlich erwähnte und kurz beschrieb. Ihre Angehörigen lud Steinmeier in seinen Kondolenzschreiben zu einem späteren Treffen nach Berlin ein.

Trauernde stehen auf dem Hanauer Freiheitsplatz, um die auf einer Videoleinwand übertragene Trauerfeier für die Oper des Anschlags vom 19. Februar zu sehen. 
Trauernde stehen auf dem Hanauer Freiheitsplatz, um die auf einer Videoleinwand übertragene Trauerfeier für die Oper des Anschlags vom 19. Februar zu sehen.  © Frank Rumpenhorst/dpa

Hessens Ministerpräsident Bouffier erinnerte an den Schmerz der Familien, die Angehörige bei dem Anschlag verloren haben. "Die Opfer waren keine Fremden", sagte er. "Hessen und Hanau waren ihre Heimat geworden." Er wisse, dass zur Trauer und Ungewissheit auch Angst getreten sei. "Ich kann diese Angst gut verstehen, aber diese Angst darf nicht obsiegen." Man müsse alles dafür tun, damit alle ohne Angst leben könnten.

Der rassistische Anschlag von Hanau werde für immer mit der Stadt verbunden sein, sagte Oberbürgermeister Claus Kaminsky. "Das tut unendlich weh. Auch wenn dieser Schmerz nicht mit dem Leid der Opfer und dem Schmerz der Angehörigen zu vergleichen ist", sagte der SPD-Politiker. Die Stadt habe in ihrer Geschichte bewiesen, dass sie schwierige Situationen meistern könne. "Hanau ist stark, weil es zusammensteht", sagte Kaminsky.

Der Oberbürgermeister kündigte eine Gedenkstätte für die Opfer an. Zudem werde ihnen posthum die goldene Ehrenplakette der Stadt Hanau verleihen.