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Neuer Autobahnanschluss für die Oberlausitz - Richtung Südost

In sechs Jahren wollen die Tschechen die Autobahn D35 bis kurz vor die slowakische Grenze fertig haben. Sie beginnt hinter Liberec, als Kraftfahrstraße aber schon bei Zittau.

Von Thomas Mielke & Petra Laurin
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Einer der bald fertigen Autobahnabschnitte der neuen tschechischen D35.
Einer der bald fertigen Autobahnabschnitte der neuen tschechischen D35. © Tschechische Straßenbauverwaltung

Ab 2029 könnte es für die Oberlausitzer deutlich schneller nach Ostrava, in die Hohe und Niedere Tatra oder noch weiter in Richtung Südosteuropa gehen: Die Tschechen forcieren den Ausbau der Autobahn D35. In sechs Jahren soll sie fertig sein.

Seit ziemlich genau 60 Jahren wollen die Nachbarn eine West-Ost-Autobahn im Norden des Landes von Liberec (Reichenberg) über Hradec Králové (Königgrätz) und Olomouc (Olmütz) Richtung Slowakei, Ostrava (Ostrau) und Brno (Brünn) bauen. Jedenfalls taucht sie nach Angaben tschechischer Behörden 1963 zum ersten Mal in den staatlichen Unterlagen auf. Der Hauptgrund: Das Autobahnnetz im Nachbarland ist bisher auf Prag ausgerichtet. Die meisten Autobahnen laufen sternförmig auf die Hauptstadt zu und münden in den Prager Autobahnring. Das bedeutet für viele Fahrer große Umwege und Staus rund um die Hauptstadt.

Auch die Autobahn aus dem Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland mündet auf den Prager Ring. Sie beginnt eigentlich schon bei Zittau: Die Verlängerung der neuen B178 heißt in Tschechien I35 und wird später zur D35. "D" steht in Tschechien für "Dálnice" wie "A" in Deutschland für "Autobahn", "I" für Fernverkehrsstraße.

Zwischen Zittaus tschechischer Nachbarstadt Hradek (Grottau) und Bily Kostel (Weißkirchen) ist die I35 neu gebaut und vor neun Jahren eingeweiht worden. Die Fernverkehrsstraße hat auf den ersten 15 Kilometern zwei Spuren, kurz vor Bily Kostel drei und auf den zehn Kilometern bis zur nordböhmischen Metropole Liberec - durchgängig seit 2006 - vier Spuren. Sollte sich die Zahl der Fahrzeuge auf dem zweispurigen Abschnitt irgendwann dramatisch erhöhen, wollen die Tschechen auch den vierspurig ausbauen.

©  SZ-Grafik

Aufgrund ihres Ausbaugrades müsste die I35 eigentlich schon ab Bily Kostel D35 heißen und ist auch als solche gebaut worden. Aber dieses Stück und die weiteren knapp 60 vierspurigen Straßen-Kilometer südlich von Liberec sind 2016 zurückgestuft worden. Zur R35, zur autobahnähnlichen Schnellstraße 35.

Südlich von Liberec wird die R35 mautpflichtig. Reichlich 20 Kilometer weiter zweigt die 1990 fertiggestellte und 2016 zur Autobahn hochgestufte D10 nach Prag ab. Die R35 geht noch reichlich 35 Kilometer weiter und wird bei Úlibice wieder zweispurig. Dort beginnt das etwa 210 Kilometer lange Stück, das die Tschechen nun im Rekordtempo von einer zweispurigen Fernverkehrsstraße zur vierspurigen Autobahn D35 ausbauen wollen. Die tschechische Direktion für Straßen und Autobahnen - abgekürzt ŘSD - begründet das unter anderem mit der hohen Verkehrsdichte, die noch weiter steigen wird: Allein auf dem Abschnitt von Hradec Kralove nach Olomouc erwartet die ŘSD für das Jahr 2040 bis zu 53.000 Fahrzeuge pro Tag. Zudem ist die Zahl der Unfälle sehr hoch.

Knapp 93 Kilometer des neuen Autobahn-Abschnitts sind schon fertig. Der älteste Teil - rund 26 Kilometer kurz vor Olomuoc - wurde zwischen 1978 und 1985 errichtet. Die anderen folgten ab 2007. Laut der ŘSD befinden sich von den noch fehlenden über 100 Kilometern aktuell 15 im Bau. Für einen weiteren, 16,6 Kilometer langen Abschnitt hat die Autobahndirektion die Baugenehmigung kürzlich vom Verkehrsministerium bekommen. Allein in diesem Teil sind 17 Brücken und der mit knapp vier Kilometern dann längste Autobahntunnel Tschechiens geplant. Bei den anderen Abschnitten laufen Planungen und Genehmigungsverfahren. 2029 sollen die derzeit mit reichlich 700 Millionen Euro veranschlagten Arbeiten komplett abgeschlossen sein.

Ob sich der ambitionierte Zeitplan halten lässt, ist fraglich. Umweltschützer gehen gegen den Bau der Autobahn wie damals gegen den der A17/D8 von Dresden nach Prag vor. Sie kritisieren zum Beispiel, dass für den Bau zu viele Bäume gefällt werden.

Am östlichen Ende mündet die D35 bei Lipník auf die Autobahn D1 von Brno (Brünn) nach Ostrava (Ostrau). Für Oberlausitzer wird die neue Autobahn die Strecke nach Wien, Bratislava, Budapest und an den Balaton nicht verkürzen. Der über 600 Kilometer lange Weg von Zittau in die ungarische Hauptstadt beispielsweise ist rund 20 Kilometer weiter als über die tschechische Hauptstadt. Allerdings entgehen Fahrer auf der Nordroute der Prager Staufalle. Die Großstädte im Norden Tschechiens und die Gebirge in der Slowakei wie die Niedere Tatra und das slowakische Paradies rücken dagegen zeitlich deutlich näher. Auch der Weg auf die slowakische Seite der Hohen Tatra wird komfortabler. Zwar geht's auch über die A4 durch Polen zügig voran. Aber die Fahrt von dort auf schmalen, vor allem in der Saison vollen Straßen durch die Berge auf die slowakische Seite dauert oft quälend lange.