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Tschechien: Zurück zur Selbstversorgung

Obst und Gemüse sind in Tschechien unerschwinglich geworden. Die hohen Preise, an denen "die Deutschen" ihren Anteil haben sollen, verhelfen einem alten Hobby zu neuer Blüte.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Tschechen gärtnern sich ihre Speisekammern wieder voll, weil Obst und Gemüse im Laden nahezu unerschwinglich geworden sind.
Tschechen gärtnern sich ihre Speisekammern wieder voll, weil Obst und Gemüse im Laden nahezu unerschwinglich geworden sind. © imago images

Auch in Tschechien haben die Kirschen pünktlich den Spargel abgelöst. Doch die Kunden in den Supermärkten fühlen sich in Science-Fiction-Filme versetzt. "250 Kronen das Kilo" (umgerechnet zehn Euro). "Das ist doch nicht normal", hört man immer wieder. Und so bleiben die Kirschen unangerührt – ebenso wie Paprika, Gurken oder Tomaten –, weil man ja auch echte Grundnahrungsmittel braucht: Brot, Mehl, Zucker, Butter, Fleisch oder Eier beispielsweise. Bei denen hat der Preis zwar ebenso angezogen, aber ohne die kommt man – anders als ohne Obst und Gemüse – nicht über die Runden.

Grund für die irren Teuerungen – die Inflationsrate liegt in Tschechien über 16 Prozent – sind die gestiegenen Preise für Treibstoff und Düngemittel. Und – nicht zu vergessen – auch die Margen der Händler. Der Verband der hiesigen Gemüsebauern beschwört in einer Erklärung, die Preise nicht erhöht zu haben. Hinter allem stecke die Handelspolitik der Einkaufsketten.

Die meisten der Einkaufsketten kommen aus Deutschland. Deshalb sind die Tschechen auf "die Deutschen" derzeit nicht so gut zu sprechen. Auf den Prager Bauernmärkten zahlt man derzeit auch "Mondpreise". Freilich sind die Stände dort zumeist von Bio-Bauern besetzt, die teils weite Strecken in die Hauptstadt zurücklegen und bekannt für ihre höheren Preise sind. Dafür sind ihre Waren taufrisch. Gekauft werden sie jedoch vor allem von solventen westlichen Ausländern, die in Prag leben. Die Einheimischen kaufen dort meist kleinere Mengen.

Richtig Andrang auf den Märkten herrscht jedoch bei den Setzlingen. Deren Preise sind noch verhältnismäßig "normal". Sie werden entweder in den Kleingärten oder auf dem Balkon eingepflanzt. Was viele Prager ewig nicht mehr gemacht haben, weil es sich nicht lohnte. Jetzt heißt es: Zurück zur Selbstversorgung.

In meinem Gärtchen gedeihen alle möglichen Kräuter, dazu Tomaten, Gurken, Erdbeeren. Leider vernichtet der heimtückische Dickmaulrüssler ständig mein Basilikum. Und über Dill könnte ich Schauergeschichten erzählen. Ich muss mal wieder in einem meiner tschechischen Lieblingsbücher Rat holen: Karel Čapeks "Das Jahr des Gärtners". Soll es auch in gut sortierten deutschen Buchhandlungen geben. Es ist nicht nur lehrreich, sondern auch höchst amüsant geschrieben.