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Überraschender Freispruch für Tschechiens Ex-Premier Andrej Babiš

Die Anklage gegen den Milliardär wegen des Missbrauchs von EU-Geldern stand für das Gericht auf zu wackligen Füßen. Babiš kann jetzt gestärkt in die Präsidentschaftswahlen gehen.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Tschechiens ehemaliger Premierminister Andrej Babiš ist vor Gericht freigesprochen worden.
Tschechiens ehemaliger Premierminister Andrej Babiš ist vor Gericht freigesprochen worden. © Archiv/AP/dpa

Prag. Damit hatte kaum einer der Anwesenden im Verhandlungssaal des Prager Stadtgerichts gerechnet: Nach fast siebenjährigen Untersuchungen ist der frühere tschechische Regierungschef Andrej Babiš vom Vorwurf des Missbrauchs von EU-Subventionen freigesprochen worden. Die dem Gericht vorgelegten Belege der Anklage, so der Richter, hätten nicht ausgereicht, von einer Straftat zu sprechen.

Das Gericht folgte mit seinem Urteil dem Antrag der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft auf Bewährung beantragt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft kann dagegen Berufung einlegen.

In dem Prozess ging es um die Finanzierung des Erholungs- und Kongresszentrums „Storchennest“ in Mittelböhmen, das zum Großunternehmen Agrofert des Geschäftsmanns Babiš gehörte. Die Anklage warf dem Milliardär vor, das Resort bewusst aus dem Großkonzern ausgelagert zu haben, um für das „Storchennest“ 50 Millionen Kronen (zwei Millionen Euro) aus einem Subventionsfonds der EU für kleine und mittlere Firmen zu erhalten. Anschließend sei das Projekt wieder zum Bestandteil des Großkonzerns Agrofert erklärt worden.

Andrej Babiš sehr erleichtert von Urteil

Ermittlungsorgane der EU hatten in der Vergangenheit das Vorgehen von Babiš in der Causa „Storchennest“ für gesetzwidrig erklärt, worauf hin sich Babiš veranlasst sah, das EU-Geld freiwillig zurückzuzahlen. Auch deshalb kam das Urteil des Prager Stadtgerichts für viele überraschend.

Babiš zeigte sich am Mittag vor der Presse sehr erleichtert und emotional gerührt angesichts der Gerichtsentscheidung zu seinen Gunsten. „Das ist für mich ein glücklicher Tag“, sagte er und konnte dabei die Tränen nur schwer unterdrücken. Die vergangenen Jahre seien für ihn und seine Familie ein „Trauma“ gewesen.

Babiš bat auf Nachfrage um Entschuldigung für frühere Äußerungen über einen „politischen Prozess“ gegen ihn. „Es ist gut, dass sich die tschechische Justiz als unabhängig erwiesen hat.“ Noch am Freitag hatte er in seinem Schlusswort während des Prozesses von einem „politisch motivierten Prozess“ gesprochen.

Die Frage, die alle in Prag nach der Urteilsverkündung umtreibt, ist die, welche Auswirkungen sie auf den Präsidentschaftswahlkampf haben wird. Babiš gehört zu den Kandidaten, liegt in den Umfragen zumindest für die erste Runde mit zwei anderen Kandidaten auf Augenhöhe. Babiš war den bisherigen Debatten in zwei großen Fernsehsendern ferngeblieben und will sich nur einem großen Einzelinterview an diesem Donnerstag stellen, einen Tag vor dem Beginn der ersten Runde der Wahlen.

Die anderen Kandidaten nutzten namentlich die TV-Runde am Sonntag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu wiederholten schweren Angriffen auf Babiš und verwiesen dabei besonders auf die Causa „Storchennest“. Nach dem Urteil vom Montag herrschte dann aber auch bei ihnen die Auffassung vor, dass der Spruch des Gerichts zu respektieren sei.

Politologen: Babiš könnte bei unentschlossenen Wählern punkten

Die zwei wichtigsten Widersacher von Babiš, der einstige Militär Petr Pavel und die frühere Rektorin der Universität in Brno (Brünn), Danuše Nerudová, zeigten sich optimistisch, Babiš trotz des Richterspruchs bei den Wahlen schlagen zu können. Pavel sagte: „Babiš muss, gestärkt durch die Entscheidung des Gerichts, von jemandem herausgefordert werden, der die nötige Erfahrung hat und bereits seine größten Schlachten geschlagen hat. Ich werde Babiš mit Ihrer Unterstützung bei den Wahlen besiegen, kommen Sie und wählen Sie.“

Nerudová meinte, das Urteil „ändert nichts daran, dass Andrej Babiš seit langem in der Politik nur seine eigenen Interessen durchsetzt und zur Untergrabung der Demokratie beiträgt“.

Politologen äußerten die Ansicht, dass Babiš von dem Urteil durchaus profitieren könne. Punkten könnte er bei noch unentschlossenen Wählern. Die könnten zu der Auffassung kommen, dass Babiš jahrelang zu Unrecht beschuldigt worden sei und deshalb eine Chance als Präsident verdiene.