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Ein Königreich für einen Ofen

Die Angst vor Energiemangel hat zwischen Weißeritz und Elbsandstein einen Kamin-Boom losgetreten. Doch wer jetzt einen Ofen haben will, der braucht viel Geduld.

Von Jörg Stock
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Wenn sie nicht so groß wären, könnte man Bückware zu ihnen sagen: Dorothea Hager, Verkäuferin im Freitaler Toom Baumarkt, zeigt die letzten verfügbaren Kamine.
Wenn sie nicht so groß wären, könnte man Bückware zu ihnen sagen: Dorothea Hager, Verkäuferin im Freitaler Toom Baumarkt, zeigt die letzten verfügbaren Kamine. © Karl-Ludwig Oberthür

Im Baumarkt von Mirko Lessing steht ein Geschäftszweig derzeit kopf: der Handel mit Kaminen. Hatten die Öfen bisher im Herbst und Winter Saison, wollen die Leute gerade jetzt ein Kamin haben, wo es Sommer wird. Auch Heizmaterial ist gefragt wie nie um diese Zeit. Der Brennholzmarkt ist wie leer gefegt, sagt Mirko Lessing. "Dieses Jahr läuft alles komplett entgegengesetzt."

Für gewöhnlich hat der Freitaler Toom-Chef Lessing bis zu 25 Kamin-Typen auf Lager, zumindest als Vorführmodell. Jetzt sind es vielleicht noch zwei oder drei, sagt er. "Die Nachfrage war in den letzten Wochen extrem hoch." Befriedigen kann er die Kundenwünsche kaum noch. Den Sommer über würden wohl keine neuen Öfen in seinem Markt eintreffen. Mit Nachschub rechnet Lessing frühestens im Herbst.

"Falls der Hahn mal zugedreht wird"

Fragt man den Marktleiter nach dem Auslöser für den Kamin-Boom, muss er nicht lange überlegen. Es ist die Angst vor Energieknappheit, die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und den europäischen Sanktionen gegen Russland, das Deutschlands wichtigster Energie-Lieferant ist, umgeht. Die Leute wollten ein Stück Unabhängigkeit, sagt Lessing, "falls der Hahn, egal aus welchen Gründen, mal zugedreht wird".

Neue Lust auf den Brennstoff: Die Forstbezirke im Landkreis stellen Feuerholz wie in diesem Foto aus dem Revier Ottomühle "frei Waldstraße" bereit.
Neue Lust auf den Brennstoff: Die Forstbezirke im Landkreis stellen Feuerholz wie in diesem Foto aus dem Revier Ottomühle "frei Waldstraße" bereit. © Daniel Schäfer

Der Ansturm auf die Kamine trifft nicht nur Baumärkte, sondern auch die Ofenbaubetriebe, von denen es im Landkreis laut Kreishandwerkerschaft Südsachsen noch knapp zwanzig Stück gibt. "Wir haben von unseren Kaminofensetzern durchaus gehört, dass es Bestell- und Lieferfristen von bis zu einem Jahr gibt", sagt Antje Reichel, Geschäftsführerin der Handwerkervertretung. Die Ofenbauerzunft sei von jeher eher rar im Gebiet. Wegen der gestiegenen Nachfrage fiele das jetzt aber mehr ins Gewicht. "Hier muss man sich somit auf lange Wartezeiten einstellen."

Ofen mit Kochplatte besonders gefragt

Einer dieser raren Ofenbauer hat sein Geschäft in einem kleinen Dorf in der Sächsischen Schweiz. Er will nicht genannt werden, aber erzählt gern, dass er die Sanktionen gegen Russland für Unfug hält. "Der Putin lacht sich kaputt!" Die Menschen würden mit dem "Angstgeschüre" nur verunsichert. Von ihm wollten sie jetzt vor allem Küchenherde, damit sie notfalls noch eine Kochstelle hätten. Man könne ja nie wissen.

"Jeden Tag kam jetzt einer: Ich brauche einen Ofen mit Kochplatte." Da greift sich der Meister an den Kopf. Sonst seien es vielleicht ein oder zwei Leute im Monat gewesen. "Das ist doch verrückt!" Er aber lässt sich nicht verrückt machen, sagt er. Es wird immer weiter gehen, davon ist er überzeugt. "Die können nicht allen den Saft abdrehen."

Beruhigt die Nerven: Brennholzvorrat unter einem Freitaler Mietshaus, allerdings im Winter. Seit der Ukrainekrieg tobt, wird zusätzlich gebunkert, sagen Holzhändler.
Beruhigt die Nerven: Brennholzvorrat unter einem Freitaler Mietshaus, allerdings im Winter. Seit der Ukrainekrieg tobt, wird zusätzlich gebunkert, sagen Holzhändler. © Oberthür

Doch offenbar wollen viele lieber vorbauen und setzen auf den eigenen Kamin. Wer einen Ofen installieren möchte, braucht den Schornsteinfeger, damit der das Vorhaben baurechtlich absegnet. So hat etwa Matthias Zißmann, Bezirksschornsteinfegermeister in Teilen Freitals und des Umlands Richtung Tharandter Wald, nun auch mehr zu tun, als ohnehin schon. Er spricht von einer Trendwende. "Die Leute wollen etwas, das ohne Strom und Gas funktioniert."

Strengere Bedingungen für neue Kamine

Doch die Hürden für einen Kamineinbau sind seit Jahresbeginn deutlich gewachsen. Insbesondere für die Position der Schornsteinmündung überm Dach werden schärfere Vorgaben gemacht. Damit soll die Belästigung von Nachbarn durch Abgase verringert werden. Vor allem in dichter Bebauung oder in Hanglagen könne es schwierig werden, einen Ofen zu errichten, sagt Schornsteinfeger Zißmann. Er schätzt, dass etwa dreißig Prozent der geplanten Projekte nicht ohne größeren Aufwand umsetzbar sind. "Und dann lohnt es sich meist nicht mehr."

"Immer eine machbare Lösung suchen." Auch der Bezirksschornsteinfegermeister Klaus Wolframm aus Freital spürt die neue Lust am Kamin.
"Immer eine machbare Lösung suchen." Auch der Bezirksschornsteinfegermeister Klaus Wolframm aus Freital spürt die neue Lust am Kamin. © Daniel Förster

Freitals Häuser kennt kaum einer besser als Klaus Wolframm, der seit 1996 hier seinen Kehrbezirk betreut. Seit es den Krieg in der Ukraine gibt, wählen Kamin-Interessenten auch verstärkt seine Nummer. Manchmal nimmt der Schornsteinfegermeister drei Neubauten die Woche ab. Er rät unbedingt zum Vor-Ort-Termin bereits in der Planungsphase. "Ich versuche immer eine Lösung zu finden, die machbar ist", sagt er. "Aber es gibt halt auch Häuser, da hat man keine Chance."

Bei der Abnahme neuer Kamine erfüllt Klaus Wolframm auch einen "Bildungsauftrag". Bei der Probe-Feuerung gibt er Tipps, wie der Ofen betrieben werden muss. Denn das weiß längst nicht jeder, der von der Mietwohnung in sein Einfamilienhaus zieht. Es gibt viel falsch zu machen bei der Bedienung, und beim Brennstoff, sagt der Schornsteinfeger: unpassender Brennstoff, verbotener Brennstoff, zu feuchter Brennstoff, zu viel Brennstoff...

Zu viel Brennstoff? Für manchen kann es offenbar gar nicht genug sein. Wenn Toom-Chef Lessing in Freital einen leer gefegten Holzmarkt meldet, und verdoppelte Preise, so passt das zu dem, was Holzhändler im Landkreis berichten. Die Leute würden jetzt Holz bunkern, aus Angst, sie bekämen bald nichts mehr.

Das spiegelt sich im Brennholzgeschäft der Förster wider. Der Forstbezirk Bärenfels etwa, der sonst im Jahr etwa 5.000 Kubikmeter Brennholz verkaufte, hatte bis Mitte Mai bereits 8.300 Kubikmeter losgeschlagen. Auch im Forstbezirk Neustadt stieg der Verkauf sprunghaft an. Von März bis Mai wurde fünfmal so viel Brennholz abgesetzt wie im Januar und Februar. Nicht alle Anfragen könnten bedient werden, heißt es. So hat der Staatsforst hartes Laubholz, das klassische Kaminfutter, weder im Osterzgebirge noch in der Sächsischen Schweiz auf Lager.

"Langfristig hinreichende Potenziale." Der Tharandter Forstprofessor Andreas Bitter sieht keinen Brennholzmangel auf Deutschland zukommen, im Gegenteil.
"Langfristig hinreichende Potenziale." Der Tharandter Forstprofessor Andreas Bitter sieht keinen Brennholzmangel auf Deutschland zukommen, im Gegenteil. © TUD

Hat Deutschland ein Brennholzproblem? Durchaus nicht, sagt Andreas Bitter, der an der Fachrichtung Forstwissenschaften in Tharandt die Forsteinrichtung lehrt, jene Disziplin, die die Nutzung von Holz aus dem Wald plant und steuert. Es gebe keinen strukturellen Mangel, sagt der Professor, sondern allenfalls einen kurzfristigen, ausgelöst durch die sprunghaft gestiegene Nachfrage. "Langfristig haben wir auf jeden Fall hinreichende Potenziale."

Und das speziell im gefragten Laubholz. Durch den Waldumbau, so erklärt der Professor, sei der Anteil der Laubbäume ganz erheblich gesteigert worden. Diese Bestände wüchsen nun heran und müssten gepflegt und durchforstet werden. In Zukunft werde also ein überproportional großes Holz-Angebot für die energetische Nutzung verfügbar sein. "Von daher sehe ich das sehr gelassen."