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Waffenschmuggler zu Haftstrafen verurteilt

Dem Fahrer des Autos mit vier Gewehren und 95 Granaten wurde nun in Dresden der Prozess gemacht. Das Verfahren gegen die Komplizen folgt im Januar.

Von Alexander Schneider
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Bei der Kontrolle des Mercedes fanden die Beamten ein unglaubliches Waffenarsenal.
Bei der Kontrolle des Mercedes fanden die Beamten ein unglaubliches Waffenarsenal. © Roland Halkasch (Archiv)

Dresden. Am Dienstag endete der Prozess gegen zwei Waffenschmuggler aus Bosnien-Herzegowina. Sie waren im Februar mit ihrem Mercedes-Geländewagen vor dem Dresdner Hauptbahnhof der Bundespolizei aufgefallen, weil sie im Halteverbot standen. Bei der Kontrolle fanden die Beamten in dem Auto ein unglaubliches Waffenarsenal, das professionell in Hohlräumen verbaut worden war: 95 Handgranaten, vier automatische Kalaschnikow-Sturmgewehre vom Typ AK 47, acht halbautomatische Pistolen und Munition.

Fahrer Dino S. (28) wurde nun am Landgericht Dresden unter anderem wegen Durchfuhr von Kriegswaffen zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Er hatte die Vorwürfe im Rahmen einer Verfahrensabsprache gestanden. Nach Angaben des Gerichts wusste er von seiner gefährlichen Fracht und wo sie versteckt war. Das hatte die Beweisaufnahme ergeben. S. selbst hatte nur zugegeben, ganz allgemein von Waffen gewusst zu haben, nicht aber welche und wie viele in dem Auto versteckt gewesen seien. Weiter hatte S. ausgesagt, er sollte für seine Kurierfahrt 2.000 Euro erhalten. Ziel seien die Niederlande gewesen. Genauere Angaben machte er dazu nicht und nannte keine Namen.  

Der 17-jährige Mitangeklagte erhielt wegen Beihilfe eine achtmonatige Jugendstrafe, die er in der Untersuchungshaft vollständig abgesessen hat. Er hatte eingeräumt, dass ihm klar gewesen sei, dass etwas Illegales transportiert würde. Sein Verteidiger Ulf Israel kritisierte die lange Zeit in Untersuchungshaft seines Mandanten massiv. Vom Amtsgericht über das Landgericht und schließlich auch das Oberlandesgericht seien nicht davon abzubringen gewesen. Der Jugendliche ist seit dem Urteil auf freiem Fuß und nun auf der Heimreise. Der Vorsitzende Richter Andreas Ziegel sagte, er könne die Bedenken des Verteidigers nachvollziehen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der 17-Jährige wohl aus "optischen Gründen" mitgenommen worden sei, weil er gemeinsam mit Dino S. wohl weniger die Neugier der Polizei erregen würde, als wenn S. alleine unterwegs wäre. Der Jugendliche, das ergaben die Auswertungen, habe erst wenige Tage vor der Fahrt erfahren. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass eine Frau S. begleiten solle. Sie sei jedoch kurzfristig abgesprungen.  

Kriegswaffen - unter ihnen die abgebildeten, eine AK 47, zwei Pistolen und zwei Handgranaten -  sind auch Jahre nach dem Bürgerkrieg am Balkan noch im Umlauf und leicht verfügbar. Sie sind eine einträgliche Geldquelle für Waffenschmuggler.
Kriegswaffen - unter ihnen die abgebildeten, eine AK 47, zwei Pistolen und zwei Handgranaten -  sind auch Jahre nach dem Bürgerkrieg am Balkan noch im Umlauf und leicht verfügbar. Sie sind eine einträgliche Geldquelle für Waffenschmuggler. © Alexander Schneider

Mit der zufälligen Entdeckung der beiden abgebrannten Schmuggler vor dem Dresdner Hauptbahnhof kam die Dresdner Staatsanwaltschaft einer international operierenden Bande auf die Schliche, die offenbar kriminelle Banden in Belgien und Holland mit Waffen belieferte und auf dem Rückweg Drogen nach Bosnien transportierte. Der mutmaßliche Rädelsführer sitzt dort in Haft. Zwei verdächtige Mittäter, sie sollen die Waffen in dem M-Klasse-Benz verbaut haben, wurden schon im Sommer nach Sachsen ausgeliefert. Ihr Prozess soll im Januar am Landgericht Dresden beginnen.

BKA-Beamter: 60 Anschläge mit Handgranaten

Zwei Beamte des Bundeskriminalamtes aus Wiesbaden, die im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) ermitteln, berichteten nun als Zeugen, dass solche Schmugglerbanden seit Jahren einen schwunghaften Handel zwischen dem Balkan und Westeuropa betrieben. Auch Jahre nach dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien seien dort noch unzählige Waffen im Umlauf. Als Kompensationsgeschäft wurden die Kuriere auf dem Rückweg Drogen transportieren. Die Beamten schätzten den Einkaufswert der in dem Mercedes versteckten Waffen in Bosnien auf etwa 3.000 bis 5.000 Euro. In Belgien oder den Niederlanden könnten sie 20.000 bis 50.000 Euro dafür erzielen - das Zehnfache. Genaue Preise seien jedoch "schwer zu schätzen". Adressat sei vor allem die Organisierte Kriminalität in Belgien, möglicherweise auch Terroristen. Allein in Antwerpen seien in den letzten Jahren im OK-Bereich 60 Anschläge mit Handgranaten verübt worden. Oft sei es dabei um Streitigkeiten im Rauschgiftmilieu gegangen, so der Ermittler.

Die Staatsanwaltschaft in Dresden war nach dem Fund zunächst von einem möglichen terroristischen Hintergrund ausgegangen. Das lag auch daran, dass die Angeklagten zunächst behauptet hatten, sie seien auf dem Weg nach Mainz. Wenige Tage vor dem Rosenmontagsumzug in der Faschingshochburg hatte der Dresdner Waffenfund daher hinter den Kulissen einigen Wirbel ausgelöst. Erst im Laufe der Ermittlungen wurde die Spur nach Belgien oder den Niederlanden klarer. So wechselte die Zuständigkeit von der Staatsschutz zu der OK-Abteilung der Staatsanwaltschaft.

Im Sommer jedoch geriet dann überraschend tatsächlich auch ein mutmaßlicher Terrorist ins Visier, der am 16. November 2015 an den Anschlägen in Paries beteiligt gewesen sein soll. In der Konzerthalle "Bataclan" sowie in Cafés und Restaurants waren 130 Menschen ermordet worden. Der 39-jährige Adiz A. lebte zuletzt in Sachsen-Anhalt und stand in Kontakt mit der bosnischen Waffenschieber-Bande. Das ergaben Telefon- und Chat-Auswertungen. Als die beiden in Dresden gestrandeten Angeklagten dringend Geld benötigten, soll ihnen auch ein Kontakt in der Nähe von Leipzig genannt worden sein - Adiz A. Der 39-jährige Bosnier wurde inzwischen an Belgien ausgeliefert. Dort gibt es eine gemeinsame Ermittlungsgruppe, die an den Anschlägen in Paris und Brüssel arbeitet.

Verteidiger: Wenig professionell

Kurierfahrer Dino S. und sein jugendlicher Begleiter hatten sich offensichtlich nicht besonders professionell angestellt. Sie waren am 16. Februar in Tuzla, einer Industriestadt im Nordosten von Bosnien-Herzegowina gestartet. Ihre Route führte über Ungarn und Tschechien nach Sachsen, wo sie am Vormittag des 18. Februar einreisten. Angeblich hatten sie 250 Euro für Sprit und Verpflegung erhalten, doch keinen Pfennig mehr dabei, als sie ihren Mercedes unmittelbar vor dem Hauptbahnhof im Halteverbot abstellten. Sie hofften auf eine Bargeld-Überweisung, die sie am Schalter von Western Union entgegennehmen könnten. Doch weder der mutmaßliche Chef der Bande noch andere Kontakte waren in der Lage, Bargeld zu schicken. "Es war kein Geld da. Niemand konnte etwas überweisen", sagte Wolfgang Rudolph, der Verteidiger von Dino S., in seinem Plädoyer. Das spreche nicht für eine besondere Professionalität.

Beamten von der Bundespolizei waren die Männer aufgefallen. Bei einer Überprüfung der Personalien stellten sie fest, dass Dino S. bereits wegen Tankbetrugs international gefahndet wurde, außerdem hatten die Männer keine Aufenthaltserlaubnis. Eine Überprüfung der von den Angeklagten angesprochenen Geldgeber ergab zudem, dass ein Mann in Belgien wegen Drogenhandels bekannt war. Daher alarmierten die Beamten ihre Kollegen vom Zoll, die dann einen Drogenspürhund in dem Auto schnüffeln ließen. Der Hund schlug an und auf der Suche nach einem Drogenversteck hatten die Beamten dann überraschend die ersten Handgranaten entdeckt. Der Mercedes wurde schließlich im Landeskriminalamt komplett in seine Einzelteile zerlegt - und die Beamten fanden immer mehr Waffen.