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Was von Mühlrose bleibt

Mit Erinnerungswerten wie Wolfsstein, Protestantin und Glockenturm will die Leag bei der Umsiedlung sorgsam umgehen. Ein Versprechen.

Von Andreas Kirschke
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In der Gegend am Jagdschloss soll 1845 der letzte Wolf erlegt worden sein, daher der Wolfsstein.
In der Gegend am Jagdschloss soll 1845 der letzte Wolf erlegt worden sein, daher der Wolfsstein. © Andreas Kirschke

Bis 2024 soll die Umsiedlung von Mühlrose abgeschlossen sein. So strebt es die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) in Abstimmung mit der Gemeinde Trebendorf, mit der aufnehmenden Gemeinde Schleife und den beteiligten Bürgern an. Festgeschrieben ist das im Grundlagenvertrag, der im März 2019 im bereits abgerissenen Saal des Gasthauses „Zur Erholung“ unterzeichnet wurde. Was aber bleibt dann von dem seit 1377 bestehenden Ort Mühlrose? Was wird mit seinen Erinnerungswerten und den Gebäuden unter Denkmalschutz?

„In der Liste der Kulturdenkmale des Freistaats Sachsen sind 19 Gebäude in acht Objekten verzeichnet“, sagt Sabine Webersinke. „Bei den Kulturdenkmalen handelt es sich um ein Kriegerdenkmal, um Einzelgebäude wie Schrotholzscheunen, Wohnhäuser in Klinkerbauweise und um vier Bauernhöfe“, erklärt die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit sowie Medien- und Bürgerbeauftragte beim Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege.

Konzept für Erhalt der Denkmale

Unter anderem vermerkt die Denkmalliste ein Bauernhaus von 1850 (Dorfstraße 37) und ein Bauernhaus 1900 mit Schrotholzscheune 1788 im Kindergartenweg 16. Alle in der Liste genannten Mühlroser Gebäude sind laut Sächsischem Denkmalschutzgesetz zu erhalten und zu schützen – wegen ihrer bau-, wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Bedeutung. „Die Leag ist sehr engagiert und hat in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung ein Konzept zum Umgang mit den denkmalgeschützten Objekten in der Ortslage Mühlrose erstellt“, sagt Sabine Webersinke. Es zeigt Möglichkeiten des Erhalts der Kulturdenkmale durch Umsetzung oder Bergung von Bauteilen auf.

Eine Umsetzung oder ein Abbruch, so betont die Bürgerbeauftragte, dürfe aber nur mit einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung der Behörde geschehen. Bedingungen für eine Umsetzung seien die sorgfältige wissenschaftliche Vorbereitung durch formgetreues Bauaufmaß und Bauforschung sowie die fachliche Betreuung. Bei einem Abriss ist eine Dokumentation mit Aufmaß, Beschreibung und Fotos des Kulturdenkmals erforderlich.

Für Mühlrose zuständig ist die Untere Denkmalschutzbehörde im Landkreis Görlitz. Von dort ergingen bereits einige Genehmigungen, wie von Pressesprecherin Julia Bjar zu erfahren ist. Die betroffenen Denkmale wurden durch die Untere Denkmalschutzbehörde, das Landesamt für Denkmalschutz und die Leag besichtigt. „An den Stellen, wo Denkmale abgebro-chen werden müssen, geschieht das ausschließlich mit Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde. Diese Gebäude sind zu dokumentieren fotografisch und mit Bauzeichnungen. Wenn eine Umsetzung möglich ist, sollen auch Denkmale umgesetzt werden“, so die Kreissprecherin.

Angemessene neue Plätze finden

Im früheren Jagdschloss-Wald stand die Blutbuche. Vattenfall als früher hier tätiger Kohlekonzern sicherte zu, den Baum zu restaurieren und für künftige Generationen zu erhalten. Er war dann eingelagert in den Tagebau-Anlagen von Mühlrose. „Auf Wunsch der Gemeinde Trebendorf und der Bürger aus Mühlrose wurde der Stamm bereits zur weiteren Bearbeitung zu einem Holz-Künstler der Region transportiert“, sagt Thoralf Schirmer, Pressesprecher der Leag. Geht es nach dem Konzern, sollen sich einige Holz-Elemente der Blutbuche künftig am Ansiedlungsstandort Mühlrose in Schleife wiederfinden.

Nach Neu-Mühlrose sollen auch der Glockenturm und das Denkmal für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges bis 2024 umgesetzt werden. Für den Wolfsstein, den Jagdschloss-Stein und das Denkmal Protestantin gibt es andere Pläne. Sie sollen in angemessener Form in der rekultivierten Bergbaufolgelandschaft platziert werden“, sagt Thoralf Schirmer. So sei es mit allen Beteiligten abgestimmt.

Das Denkmal Protestantin erinnert an den früheren Standesherrn. Darauf steht „gepflanzt im Jahr des Herrn 1620 vom ersten protestantischen Callenberg Herr von Muskau und Land von der Oberlausitz“. Der Jagdschloss-Stein erinnert an den früheren Landsitz des Standesherrn mitten im Waldgebiet Tiergarten zwischen Mühlrose und Weißwasser. Das Jagdschloss selbst entstand 1648 durch Curt Reinicke I. von Callenberg. Um 1780 gehörte eine Fläche von 3.035 Hektar Wald dazu. Es existierte bis 1972. Wie es Gerhard Fugmann und Manfred Noack in der Chronik Mühlrose (2011) vermerkten, legte Kurfürst Pückler den Park an. Noch heute erinnert dort ein Gedenkstein daran, dass 1845 der letzte Wolf in der Gegend erlegt wurde.

Erinnerungen als Seele des Ortes

„Gerade all diese Erinnerungswerte gehören zur Seele des Ortes Mühlrose. Sie verbinden die Menschen mit der ureigenen Geschichte des Ortes“, weiß der Hoyerswerdaer Pfarrer Jörg Michel, der noch bis Ende Juli als Vakanzvertreter in der evangelischen Kirchengemeinde Schleife tätig und somit auch für Mühlrose zuständig ist. Allerdings sind die Gedenksteine am Dorfeingang von Mühlrose und der Reststamm der Protestantin in einem sehr schlechten Zustand. Jörg Michel erkundigte sich, wie die Steine gereinigt und die Schriften erneuert werden können. Er selbst würde als abschließenden Ort für die Protestantin einen Platz direkt an der Schleifer Kirche befürworten. „Dort hätte sie eine sinnstiftende Bedeutung, dort hätte sie einen besonderen Wert“, findet er und fügt hinzu, dass man es zumindest bedenken sollte.

Der Glockenturm indes wird noch so lange in Mühlrose gebraucht, wie es dort Beerdigungen gibt. Diese sind, gemäß einem vereinbarten Status Quo, zwar längst auf dem Friedhof von Neu-Mühlrose, aber bis zum Abschluss der Umsiedlung 2024 eben auch in Mühlrose selbst möglich.

An diesem Sonntag, dem 3. Juli, begehen die Mühlroser das 645-jährige Bestehen des Dorfes und blicken auf seine lange Geschichte. Wann genau die endet, ist nicht sicher. Noch immer liegt kein Bergrecht zur Abbaggerung des Ortes vor. Indes ist ein Teil der Mühlroser schon weggezogen, andere sitzen quasi auf gepackten Koffern. Einige wenige Einwohner wie Else und Günter Zech aber wollen bleiben. „Sie wollen ihr Heimatdorf erhalten“, unterstreicht der Pfarrer. Auch ihr Wunsch sei, zu hören und zu respektieren, sagt er.

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