Update Politik
Merken

Heftige Kritik an Kretschmers Taurus-Aussagen: "Doppelte Moral" und "Ich schäme mich"

Kiew fordert von der Bundesregierung Taurus-Marschflugkörper. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist dagegen und muss nun scharfe Kritik einstecken. Sie kommt von Parteifreunden - und einem bekannten sächsischen Unternehmer.

 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l.) spricht sich vehement gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus - und erntet dafür scharfe Kritik von seinem Parteikollegen Roderich Kiesewetter.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l.) spricht sich vehement gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus - und erntet dafür scharfe Kritik von seinem Parteikollegen Roderich Kiesewetter. © dpa/Sebastian Kahnert, Jörg Carstensen

Dresden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht sich vehement gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus. Nun hat CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter mit scharfer Kritik auf die Äußerungen seines Parteikollegen reagiert.

Kretschmer hatte am Sonntag im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter) geschrieben: "Wollen wir wirklich in Kauf nehmen, dass deutsche Raketen in Russland einschlagen könnten? Ich bin ganz klar gegen die Lieferung von Marschflugkörpern." Die Bundesregierung überschreite immer wieder selbst gesetzte rote Linien. Das tägliche Grauen und Sterben verlange "nach neuen, intensiven diplomatischen Initiativen des freien Westens".

Nicht nur in politischen Kreisen sorgt Kretschmer damit für Empörung. Frank Wolf, einer der Gründer des Chemnitzer Erfolgs-Unternehmens Staffbase, das über 600 Mitarbeiter hat, schrieb auf LinkedIn: "Sorry, ich muss hier kurz politisch werden. Für alle die mal wieder ungläubig nach Sachsen schauen: Ich bin Sachse und schäme mich für diese Aussagen unseres MP."

"Russland ist der Aggressor", so Wolf weiter, "und kann diesen Krieg heute beenden". Wer Verhandlungen fordere und der Ukraine Hilfe verwehre, stärke aus seiner Sicht die russische Seite. Auch auf X (ehemals Twitter) verbreitete Wolf mehrere Beiträge, die Kretschmer kritisieren.

Staffbase-Gründer Frank Wolf schießt auf LinkedIn gegen den Ministerpräsidenten.
Staffbase-Gründer Frank Wolf schießt auf LinkedIn gegen den Ministerpräsidenten. © Screenshot: SZ/mxh

Kretschmers Parteikollege Kiesewetter reagierte erbost auf die Äußerungen Kretschmers. Er schrieb unter den Beitrag seines CDU-Kollegen: "Es sind nach Übergabe ukrainische Raketen! Warum nimmst Du hin, daß Infineon-Chips aus Sachsen in russischen Raketen ukrainische Kinder töten und Familien zerstören? Warum hast Du eine doppelte Moral??? Ich bin enttäuscht wie entsetzt!"

Zuletzt hatte die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ recherchiert, dass Chips der Firma Infineon aus dem Werk in Dresden nach wie vor in russischen Marschflugkörpern verbaut seien.

Kiesewetter legte in einem weiteren Post sogar noch nach. "Mit Deiner Haltung zerfällt die Ukraine und Putin setzt den Krieg gegen Moldau und die baltischen Staaten fort", schrieb er an die Adresse Kretschmers gerichtet. Millionen Ukrainer würden dann ihre Heimat verlassen und damit auch in Sachsen Wohnraum verknappen. "Dann kannst Du Deine Wiederwahl (...) zurecht vergessen."

Unterstützung erhielt Kretschmer vom früheren Vorsitzenden und heutigen Bundestagsabgeordneten der Linken, Klaus Ernst. Mit Blick auf Taurus schrieb Ernst bei X von einer unglaublichen Kriegstreiberei, die zwar Risiko berge, aber keinen Nutzen für die Menschen habe. Es sei "wohltuend" und verlange "Respekt, dass sich Michael Kretschmer klar und deutlich dagegen ausspricht".

Taurus-Raketen: Kanzler Scholz legt sich nicht fest

Die Ukraine macht derzeit Druck auf die Bundesregierung, Kiew deutsche Taurus-Marschflugkörper für die Verteidigung gegen Russland zu liefern. Kanzler Olaf Scholz äußerte sich am Sonntag zurückhaltend.

Im ZDF-"Sommerinterview" der Sendung "Berlin direkt" sagte der SPD-Politiker, so wie in der Vergangenheit werde die Bundesregierung jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen - was gehe, was Sinn mache, was der deutsche Beitrag sein könne.

Kretschmer hatte sich in der Vergangenheit immer wieder zum Krieg in der Ukraine geäußert - und dabei nicht immer Zustimmung geerntet. Mehrfach forderte er mehr Diplomatie für die Beendigung des Krieges, kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf das Land sprach er vom „Einfrieren“ des Konflikts. Von dieser Position ist er aber mittlerweile abgerückt. (SZ/dpa/ale)