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Wie die AfD Ernst Thälmann abschaffte

Eine Straße in Heidenau soll den Namen des Kommunistenführers loswerden. Das entschied der Stadtrat auf Antrag der AfD. Wird das Ganze zum Schildbürgerstreich?

Von Heike Sabel
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Keine Einbahnstraße: Die vom Stadtrat beschlossene Umbenennung der Heidenauer Thälmannstraße soll verhindert werden.
Keine Einbahnstraße: Die vom Stadtrat beschlossene Umbenennung der Heidenauer Thälmannstraße soll verhindert werden. © Daniel Schäfer

Noch einmal macht Ernst Thälmann Schlagzeilen. Dabei ist der Mann, der bis 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands war, der wegen seines paramilitärischen Engagements zumindest als umstritten gilt und der im KZ Buchenwald ermordet wurde, normalerweise nur für Historiker interessant.

In diesen Tagen aber ist Ernst Thälmann zumindest als Straßenname Mittelpunkt einer scharfen Auseinandersetzung in Heidenau. Noch nie seit der Friedlichen Revolution war eine Umbenennung der Thälmann-Straße in der Kleinstadt nahe Dresden ein Thema. Seit Ende Oktober ist es nun beschlossene Sache. Ab 1. Januar wird die Straße den Namen von Woldemar Winkler tragen. 

Woldemar wer?, fragten sich viele Heidenauer, als sie von dieser Änderung erfuhren. Woldemar Winkler war ein Maler, Zeichner und Bildhauer, der 1902 im heutigen Heidenauer Ortsteil Mügeln geboren wurde und dort aufwuchs. Erst ging er nach Dresden und später nach Gütersloh, wo er 2004 im Alter von 102 Jahren starb. Im Dresden der Weimarer Republik traf er auf Künstler wie Otto Dix und Oskar Kokoschka. Winklers Arbeiten wurden von den Nationalsozialisten teilweise als „entartet“ zerstört. Zudem wurde ihm unterstellt, Juden und Kommunisten zu unterstützen und zu verstecken.

„Die Berühmtheit des Künstlers“, so die Begründung der neuen AfD-Fraktion in der entscheidenden Stadtratsitzung, sei für die Initiative ausschlaggebend gewesen. Mit Winklers Namen wolle man eben die Straße schmücken. Außerdem sei es absolut unverständlich, dass eine Straße 2019 noch den Namen von Ernst Thälmann hat. Die zwei FDP-Stadträte und der Vertreter einer Bürgerinitiative haben zugestimmt, drei CDU-Stadträte enthielten sich. Die neuen Mehrheitsverhältnisse in Heidenaus Rat – die CDU ist kaum stärker als die AfD – beförderten den Erfolg des Antrags.

Erledigt und abgehakt ist die Geschichte damit noch lange nicht. „Bekloppt“, „bescheuert“, „ein Scherz“, solche Reaktionen gibt es nach der Umbenennung in der Stadt. So umstritten Thälmann sein mag, viele meinen: „Gibt es keine anderen Sorgen?“ Zumal ein neuer Straßenname immer mit Kosten und Zeitaufwand verbunden ist, ob bei Ausweisen, Autopapieren, Geschäftsunterlagen.

Der Zentrumsverein kümmert sich in Heidenau um die Belebung der Ernst-Thälmann-Straße. Erst vor zwei Jahren wurde eine Umfrage gestartet, wollte man herausfinden, ob der Name Akzeptanz hat. Eine Mehrheit lehnte eine Änderung ab. „Danke AfD“, sagt nun Claudia Benedickt, die Vorsitzende des Vereins. Neigte man anfangs dazu, die bittere Pille zu schlucken, ist nun der Kampfgeist der Kritiker geweckt.

Seit dieser Woche werden Unterschriften gesammelt. Für Ernst Thälmann, gegen die Umbenennung. 1.400 Heidenauer müssen unterschreiben, damit das Bürgerbegehren erfolgreich und daraus ein Bürgerentscheid wird.

Dabei könnten alle Heidenauer über die Umbenennung abstimmen. Das ist frühestens ein halbes Jahr nach dem Ratsbeschluss möglich. Vorher will Claudia Benedickt noch etwas anderes erreichen: Möglichst viele Heidenauer sollen gegen den Ratsbeschluss auch noch Widerspruch einlegen. Man hofft damit, die Umbenennung zum 1. Januar zu stoppen, sodass auf einen Bürgerentscheid nicht ein Schildbürgerstreich namens "Straße-wieder-Zurückbenennung" folgt.

Offen ist, ob die Thälmannstraße nur der Anfang ist. Heidenau hat noch einige Namensgeber mit kommunistischer Vergangenheit: Fritz Gumpert, Bruno Gleißberg und Käthe Kollwitz zum Beispiel.