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Corona: Wie ein sächsischer Rad-Profi über die Tour denkt

Absagen oder ohne Zuschauer fahren? Für die Frankreich-Rundfahrt gibt es mehrere Optionen. Marcus Burghardt könnte nur mit einer Variante nicht leben.

Von Cornelius de Haas
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Seit 2017 fährt der Zschopauer Marcus Burghardt für das Team Bora-Hansgrohe. In diesem Jahr will der 36-Jährige zum zwölften Mal bei der Tour de France an den Start gehen.
Seit 2017 fährt der Zschopauer Marcus Burghardt für das Team Bora-Hansgrohe. In diesem Jahr will der 36-Jährige zum zwölften Mal bei der Tour de France an den Start gehen. © Ronald Bonß

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: „Es hat sich nichts geändert“, antwortet Marcus Burghardt, wenn man ihn nach seinem momentanen Tagesablauf fragt. Der Radprofi vom Team Bora-Hansgrohe lebt im oberbayrischen Samerberg und kann dort noch an der frischen Luft trainieren. „Ich habe gerade dreineinhalb Stunden und 120 Kilometer hinter mir“, sagt der gebürtige Zschopauer. Eine Einschränkung muss der 36-Jährige aber doch machen: „Auf meine Lieblingsrunde nach Österreich muss ich gerade verzichten.“ Denn im Nachbarland darf wegen der Corona-Pandemie nur drinnen trainiert werden. Für seinen nur gut 30 Kilometer von Samerberg entfernt wohnenden Teamkollegen Patrick Gamper gelten also schon wieder andere, strengere Regeln.

Nicht nur deswegen dreht Burghardt seine Runden derzeit allein. In Bayern dürfte er zwar mit seiner Frau unterwegs sein, aber eine unnötige Familienkrise will der deutsche Straßenmeister von 2017 lieber nicht riskieren. Und deswegen hat er sich damit arrangiert, dass es auf seinen Runden „manchmal etwas langweilig“ zugeht.

Womit sich Burghardt aber nicht abfinden könnte, wäre eine Absage der Tour de France. Die Frankreichrundfahrt gehört zu den wenigen Sportveranstaltungen, die noch wie geplant stattfinden sollen. Alle Rundfahrten und Klassiker bis dahin sind bereits verschoben oder abgesagt worden. Für Burghardt, der in diesem Jahr erst ein Rennen absolviert hat, ein Problem: „Im Moment habe ich kein Ziel, und das ist im Sport wie auch im normalen Beruf wahnsinnig wichtig, dass man sich Ziele setzt und darauf hinarbeitet.“ Normalerweise wäre der Experte für Monumente derzeit bei Rennen wie Mailand-Sanremo oder der Flandernrundfahrt als Edelhelfer gefragt.

Virtuelle Tour auf dem Hometrainer

Umso wichtiger ist der Sehnsuchtsort Nizza, wo die Frankreichrundfahrt am 27. Juni starten soll. „Wenn ich jetzt davon ausgehen würde, dass die Tour abgesagt wird, wäre jedes Training sinnlos“, sagt Burghardt. Wie wichtig das nach Fußball-WM und Olympischen Spielen größte Sportereignis der Welt für den Radsport ist, erklärt Burghardts Teamchef Ralph Denk: „Unsere Währung ist der Werbewert, den wir während einer Saison generieren. 60 bis 70 Prozent davon hängen an der Tour.“

Deswegen gibt es Überlegungen, die Etappen ohne Zuschauer auszutragen oder den Start um ein paar Monate zu verschieben. Möglich wäre beides, da der Radsport ohne Zuschauereinnahmen auskommen muss und der Sportkalender nach den Verlegungen der Fußball-EM und der Sommerspiele von Tokio auf 2021 viel Platz bietet. Burghardt könnte mit beidem leben.Allerdings hat er eine Sorge: „Es besteht die Gefahr, dass zwei Geschwindigkeiten gefahren werden. Es gibt Länder, da darf nur drinnen trainiert, also auf der Rolle gefahren werden – und in manchen Ländern wie in Deutschland darf man noch draußen sein. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Man kann eine Tour nicht auf der Rolle vorbereiten, das ist unmöglich.“

Dennoch wird auch bei Bora-Hansgrohe auf dieses Element gesetzt. Ende April fahren die Profis der Top-Teams bei „Digital Swiss 5“ Streckenabschnitte der abgesagten Tour de Suisse virtuell auf einem speziellen Hometrainer. Für Burghardt ist so etwas allerdings nichts. „Ich bin ein Fan davon, draußen zu fahren“, sagt er und muss über sich selbst lachen.Erfreulich sind auch die Zukunftsaussichten. „Unsere Sponsoren haben positive Signale gesendet, dass es keine Pläne gibt, die Verträge zu kürzen. Ich hoffe, dass es so bleibt“, sagt Burghardt. „Wir trainieren – also arbeiten – ja trotzdem weiter. Zudem wird die Saison nach derzeitigem Stand bis in den November gehen, wenn wir eigentlich Pause hätten.“