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Wie sich die Rohner ihren Ort vorstellen

Ein Dorfentwicklungskonzept soll das aus Sicht derer festlegen, die dort wohnen. Es wird ein spannender Prozess, zeigt die Auftaktveranstaltung.

Von Constanze Knappe
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Planer Thomas Jansen (li.) und Ortsvorsteher Matthias Jainsch ermunterten die Rohner zu einer Bestandsaufnahme.
Planer Thomas Jansen (li.) und Ortsvorsteher Matthias Jainsch ermunterten die Rohner zu einer Bestandsaufnahme. © Constanze Knappe

Rohne ist ein sorbisches Dorf und soll es auch bleiben. Für viele Einwohner des Schleifer Ortsteils gehören der Erhalt sorbischer Traditionen, von Sprache und Kultur sowie das Zusammenleben von Deutschen und Sorben zu den wichtigsten Kriterien, wenn es um die Zukunft ihres Dorfes geht. Und die Idee von einem Lausitzer Zentrum für europäische Minderheiten, wie es mal angedacht war, steht noch immer. „Den großen europäischen Gedanken in einem kleinen Dorf wollen wir gerne noch weiter leben“, so Ortsvorsteher Matthias Jainsch (CDU). Auch wenn die Verwirklichung nach dem Weggang der Vattenfall Europe Mining AG nicht einfacher geworden sei, habe man sie noch nicht aufgegeben.

Darüber hinaus werden sich die Einwohner in den nächsten Monaten damit auseinanderzusetzen haben, was Rohne lebens- und liebenswert macht und was ihrer Meinung nach für einen schöneren Ort getan werden müsste. Am Sonnabend erfolgte der Auftakt zur Erarbeitung eines Dorfentwicklungskonzepts. Mehr als 40 Bürger fanden sich dazu in der Mehrzweckhalle ein. Mit vielen Ideen, wie sich zeigen sollte.

„Das Konzept ist nichts Starres, Festes, sondern ein Prozess, in dem es herauszufinden gilt, was das Beste für Rohne ist. Und zwar aus Sicht derer, die dort leben und nicht von Experten oder Ministerien“, erklärte Raumplaner Thomas Jansen. Dabei ist er selber längst Experte. Vor Jahren hatte der Diplom-Ingenieur und freischaffende Architekt für Stadtplanung einen Lehrauftrag für Dorferneuerung an der Universität in Rostock, hat seither so einige Kommunen beraten und begleitet. Es werde anstrengend, schwor er die Rohner ein. „Wenn wir schnell sind, sind wir Weihnachten fertig. Aber schnelle Entscheidungen wären in dem Falle falsch“, sagte er.

Dorfentwicklungskonzepte waren vor 15 Jahren angesagt. Inzwischen arbeite man projektorientiert, weil es in den Ortschaften eine Basis gibt. Bergbaubedingt ist das in der Gemeinde Schleife jedoch ganz anders. Erst seit die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) im März 2017 ihr geändertes Revierkonzept vorstellte und dabei den Verzicht der Inanspruchnahme von Rohne, Mulkwitz und Schleife-Süd für den Tagebau Nochten erklärte, haben die Dörfer eine Zukunft. In allen drei Ortschaften sollen Dorfentwicklungskonzepte entstehen und über Fördermittel finanziert werden.

Zum Auftakt Bestandsaufnahme

Nach Aussage von Matthias Jainsch habe es fast zwei Jahre gedauert, bis die Förderung gesichert und die Ausschreibung erfolgt war. Dass Raumplaner Thomas Jansen beauftragt wurde, freut den Ortsvorsteher besonders. Denn der Diplom-Ingenieur aus Blumenthal hatte bereits 2008 das Konzept zu der seinerzeit beabsichtigten Umsiedlung von Rohne geschrieben.

Ziel des Dorfentwicklungskonzeptes ist es jetzt, zum Beispiel die Infrastruktur, Baumöglichkeiten und öffentliche Einrichtungen zu bewerten, Maßnahmen abzuleiten und eine Prioritätenliste zu erstellen. Kurzum, aufzuschreiben, was in Rohne gebraucht wird. Das wäre dann eine Orientierung für Gemeinderat und Verwaltung.

Der Auftakt am Sonnabend glich einer Bestandsaufnahme. Auf rosafarbenen Karteikarten fand sich wieder, was die Rohner in ihrem Heimatort bemängeln. Den fehlenden Netzen auf dem Fußballplatz oder dem zu erneuernden Sand auf dem Volleyballplatz dürfte recht unkompliziert abzuhelfen sein. Anderes ist in Vorbereitung wie der Breitbandausbau oder bereits in der Umsetzung wie der Bau der Erdgas-Erschließung als zwei Maßnahmen des bergbaubedingten Nachholbedarfs. Die Wünsche nach Bauland, einer gesicherten medizinischen Versorgung in der Gemeinde und einem regelmäßigen öffentlichen Nahverkehr – bisher fast nur Schülerverkehr – dürften weitaus schwerer zu erfüllen sein. Dass es in Rohne keine Kneipe mehr gibt, kann die Gemeinde selbst mit dem besten Entwicklungskonzept nicht ändern. Ebenso wenig kann sie beeinflussen, „dass es nach dem Ende der Kohleverstromung hier noch Arbeitsplätze gibt“. Eine Hammer-Aufgabe, wie es Thomas Jansen bezeichnete. Den gewünschten Mietwohnungsbau für jüngere und ältere Menschen aber sieht er als ganz wichtig an. Am Ende waren es 51 rosa Karten mit großen und kleinen Wünschen. Es gehe bei dem Entwicklungskonzept nicht nur darum, möglichst schnell Geld für bestimmte Projekte zu besorgen, sondern eben auch alles andere aufzuschreiben, was vielleicht später irgendwann umzusetzen ist, hieß es.

Stolz auf Zusammenhalt im Dorf

Auf grünen Karten sollte notiert werden, worauf die Einwohner von Rohne besonders stolz sind: auf ihre Dorffeste oder den Njepila-Hof zum Beispiel, auf ihre Vereine und den Zusammenhalt im Dorf. „Das muss man bewahren, denn es wird immer seltener“, betonte der Planer, der beim Anblick der schönen alten Häuser in Rohne „jedesmal eine Gänsehaut kriegt“. Auf keinen Fall verzichten möchten die Bürger auf die Kita „Milenka“. Deren sorbische Ausrichtung war einst in Trägerschaft des Sorbischen Schulvereins profiliert worden und wird seit 2011 in Trägerschaft der Gemeinde Schleife weitergeführt.

Die große Runde offenbarte auch Meinungsverschiedenheiten. „Das ist ganz normal“, befand Gemeinderat Jörg Funda (CDU). In der Arbeit an dem Konzept werde man gemeinsame Nenner finden. Er ist einer von zehn Mitgliedern einer Arbeitsgruppe, die jeweils für bestimmte Bereiche Ansprechpartner der Bürger sind. Und das nicht nur in der Planungsphase, sondern auch später, wenn es an die Umsetzung einzelner Vorhaben geht. Thomas Jansen empfahl, einen Kinderarbeitskreis zu bilden. „Kinder und Jugendliche sagen ja sonst normalerweise nichts. Aber es wäre gut, wenn wir sie einbeziehen könnten.“ In den nächsten Monaten finden Werkstätten zu mehreren Themen statt. Zum Abschluss werden die Pläne öffentlich vorgestellt.

In Schleife fand der Auftakt zum Dorfentwicklungskonzept im Februar statt, in Mulkwitz gab es ein Gespräch mit dem Planungsbüro, steht die Einwohnerversammlung noch an. Im November 2019 hatte der Gemeinderat beschlossen, knapp 24.000 Euro aus der Kommunalpauschale für den ländlichen Raum als Eigenanteil zur Finanzierung der drei Konzepte zu nutzen.

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