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„Wieder stirbt ein Stück von Riesa“

Das bevorstehende Aus für das Ernst-Grube-Stadion weckt Emotionen. Jetzt gibt es sogar eine Petition.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke und Christoph Scharf

Riesa. Einfach eine Schande. Robert Kaiser bringt seinen Ärger auf der Facebook-Präsenz von SZ Riesa auf den Punkt. „Was ist nur los in meiner Heimatstadt“, fragt ein anderer Nutzer. „Wieder stirbt ein Stück von Riesa“, moniert ein Dritter. Die Botschaft, dass die Stadtverwaltung für das Ernst-Grube-Stadion keine Zukunft sieht, hat bei zahlreichen Lesern für Emotionen gesorgt – obwohl die 1955 eingeweihte Sportstätte längst nur noch für den Trainingsbetrieb genutzt wird.

Tenor mehrerer Kommentare: Eine Stadt, die sich Sportstadt nennt, könne nicht einfach so ein Traditionsstadion wegreißen. Eine „Sportstadt“ mache mehr aus, als ein braunes Hinweisschild an der Autobahn. Baubürgermeister Tilo Lindner hatte erläutert, dass eine neue Nutzung für das kurz „Grube“ genannte Stadion nicht genehmigungsfähig wäre: Die Zulassung aus DDR-Zeiten sei abgelaufen. Selbst eine Sanierung der Tribüne erfordere eine Baugenehmigung, die aus Lärmschutzgründen angesichts der benachbarten Wohnbebauung nicht zu erhalten wäre.

Dieses Argument stößt bei Facebook-Nutzern auf Kritik. „Fragt doch mal die Anwohner an der Nudel-Arena oder die Anwohner, wo die Fans durchgeführt werden“, schreibt Robert Kaiser. Der Standort am Bahnhof sei doch ideal. Die Bahnhofsnähe sei nach wie vor ein Vorteil, schreibt Bernd Kühne. Der Vorteil sei, dass die Fußballfans nicht durch die Stadt marschieren müssten. „Was zu DDR-Zeiten hervorragend funktionierte, soll heute nicht mehr gehen? Habe dort gewohnt, es war eine schöne Zeit.“ Die Anwohner hätten an den Fenstern gestanden, teils auf den Dächern gesessen, um der Mannschaft zuzujubeln.

20 Jahre versäumt

Heute dagegen nehme man keine Rücksicht mehr auf Traditionelles, moniert Felix Dietzsch. Was kein Geld bringe, werde platt gemacht – unter dem Diktat mitunter fragwürdiger Bauvorschriften. „Deutsche Städte werden von Jahr zu Jahr immer hässlicher. Alles darf nur noch maximal zweckmäßig sein, es gibt überhaupt keinen Sinn mehr für Schönes und Ästhetisches.“ Dietzsch hat eine Befürchtung, was die von der Stadt vorgesehene Neubebauung des Areals angeht. „Am Ende stehen dann dort lauter kastenunförmige, weiße, seelenlose Reihenhäuser, von denen eines genau wie das andere aussieht.“

Für die BSG Stahl Riesa hat das Ernst-Grube-Stadion eher historische Bedeutung. „Die allermeisten Fußballfans der Stahlstadt sind im Ernst-Grube-Stadion überhaupt erst zu Fußballfans geworden“, sagt Vereinssprecher Dietrich Hoffmann. Wie die Riesaer an dem Platz hängen, habe er auch an den Reaktionen auf die Neuigkeit zum Grube-Stadion gemerkt. „Wir haben innerhalb kürzester Zeit Dutzende Kommentare auf den Facebook-Eintrag bekommen, auch von vielen Exil-Riesaern.“ Der Verein nutzt die Sportstätte heute nur noch für den Trainings- und Spielbetrieb der Nachwuchsmannschaften. Um das auch zukünftig tun zu können, würde sich Hoffmann wünschen, dass – wenn es wirklich so weit kommt – nur ein Teil abgerissen wird und der Sportplatz erhalten bleibt. Dass die Stadt das Stadion in seinem jetzigen Zustand nicht erhalten kann – dafür hat Dietrich Hoffmann Verständnis: „Die Stadt weiß ja schon jetzt nicht, wie sie alle Gebäude erhalten soll. So ein Stadion ist eine ganz große finanzielle Herausforderung. Mit dem Erhalt hätte man vor 20 Jahren anfangen müssen.“ Die BSG habe sich inzwischen gut in Merzdorf in der Stahlarena eingerichtet. Dass Traditionsstation wieder zum Vereinsdomizil zu machen, kommt laut Hoffmann nicht infrage: „Daran sind schon andere gescheitert.“

Im Internet wurde jetzt eine Petition gestartet: www.change.org/p/stadtrat-erhalt-des-ernst-grube-stadion