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Verkehrsminister Dulig: "Was nützt ein Deutschlandticket, wenn kein Bus fährt"

Lob für das Deutschlandticket, Kritik am Nahverkehrsangebot: Mehr als 9.000 Sachsen haben die Mobilität in ihrer Region bewertet. Was Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig zu den Ergebnissen sagt.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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An der Mobilitätskompass-Umfrage hatten sich im Sommer 2023 mehr als 9.000 Menschen in Ost- und Mittelsachsen beteiligt.
An der Mobilitätskompass-Umfrage hatten sich im Sommer 2023 mehr als 9.000 Menschen in Ost- und Mittelsachsen beteiligt. ©  André Schulze

Dresden. Das Deutschlandticket soll 2024 weiterhin 49 Euro kosten. Auf diesen Vorschlag hat sich die Verkehrsministerkonferenz nun geeinigt. Aber wie geht es danach weiter? Bleibt noch Geld, um den Nahverkehr in Sachsen auszubauen? Und wie geht es mit dem Fernverkehr weiter - den beiden sächsischen Flughäfen in Dresden und Leipzig?

Sächsische.de hat mit Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) über die Ergebnisse des Mobilitätskompasses gesprochen. An der Umfrage hatten sich im Sommer 2023 mehr als 9.000 Menschen in Ost- und Mittelsachsen beteiligt.

Herr Dulig, laut Mobilitätskompass nutzen 24 Prozent der Befragten das Deutschlandticket. Bislang ist unklar, wie es damit nach 2024 weitergeht. Geht es denn überhaupt weiter?

Die Länder und der Bund müssen sich dieses Jahr zwingend darauf verständigen, wie es mit dem Ticket nach 2024 weitergeht. Wir werden gemeinsam an einer Lösung ab 2025 arbeiten – die zum einen die tatsächlichen Kosten widerspiegelt, aber die Attraktivität des Deutschlandtickets nicht gefährdet. Ich werde mich dafür einsetzen, dass das Deutschlandticket bestehen bleibt und es keine zu hohen finanziellen Hürden gibt, den ÖPNV zu nutzen. Das Deutschlandticket ist und bleibt ein Erfolgsprojekt. Das ist nicht nur eine Frage des Preises. Zu wissen, ein Ticket zu haben, das überall gültig ist, egal wo ich gerade bin, überzeugt. Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, dass dies politisch infrage gestellt wird.

Das Geld ist knapp, das Nahverkehrsangebot in Sachsen wird in nächster Zeit kaum ausgebaut werden können, sagt Verkehrsminister Martin Dulig.
Das Geld ist knapp, das Nahverkehrsangebot in Sachsen wird in nächster Zeit kaum ausgebaut werden können, sagt Verkehrsminister Martin Dulig. © Daniel Schäfer

In der SZ-Mobilitätskompass-Umfrage wurden die allgemein hohen Ticketpreise am häufigsten kritisiert. Auf Platz 1 steht jedoch die Anbindung an den Nahverkehr.

Die Leute monieren das zurecht. Wir brauchen mehr Angebote, vor allem für den ländlichen Raum. Was nützt ein Deutschlandticket, wenn kein Bus fährt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das bestehende ÖPNV-Angebot gesichert werden muss. Aufgrund der Haushaltssituation der Kommunen, des Landes und des Bundes hat das aktuell Priorität. In großen Städten, wie Dresden und Leipzig, ist die Zufriedenheit der Kunden mit dem vorhandenen Angebot sehr hoch - in Chemnitz mit Abstrichen.

Wie geht es mit dem Plus- und Taktbus weiter?

Laut Gesetz sind für den Busverkehr die Kommunen und Kreise zuständig. Dennoch kann ich zusagen, dass wir als Land das Plus- und Taktbussystem weiterhin bezahlen, aufrechterhalten und sukzessive ausbauen. Perspektivisch müssen wir eine bessere, direkte Anbindung des Umlandes an die Großstädte organisieren. Wir müssen noch mehr Menschen mit dem ÖPNV-Angebot erreichen. Aber, ich kann mich nur wiederholen: Aktuell geht es um die Sicherung des bestehenden Angebots in Zeiten knapper Kassen.

Wer nicht mit Bus- und Bahn fährt, ist mit dem Auto unterwegs – laut unserer Umfrage das am häufigsten täglich genutzte Verkehrsmittel. Mehr als zwei Drittel der Befragten befürwortet ein Tempolimit von 130 km/h auf den Autobahnen. Sind Sie überrascht?

Es ist für mich nicht überraschend. Ich würde ein Tempolimit auch unterstützen, sehe dies aber gerade nicht als Priorität. Wir leben in einer so polarisierten Gesellschaft, dass dieses Thema zum Reizthema werden könnte und es dann gar nicht mehr um die Sache geht. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung für diese Legislaturperiode sieht ein Tempolimit auch nicht vor.

Aber nehmen wir das Beispiel Dresden. Dort gilt auf der A4 seit 2018 Tempo 100, die Zahl der Unfälle, der Getöteten und der Schwerverletzten ist seitdem deutlich gesunken. Sollte nicht die Sicherheit ausschlaggebend sein?

Das Tempolimit dort habe ich damals angeordnet, auf Initiative der Stadt Dresden. Wir waren uns einig: Lasst es uns probieren. Aus einem Modellversuch ist eine dauerhafte Lösung geworden, weil die Ergebnisse gut waren.

Mir ist es viel wichtiger, dass die Kommunen schneller Tempo 30 anordnen können und mehr Freiheiten bekommen. Ich bin nicht für ein generelles Tempo-30-Limit innerhalb von Ortschaften, aber vor sensiblen Bereichen – einem Krankenhaus, einer Kita, einem Pflegeheim. Umso bedauerlicher finde ich es, dass es dafür keine Mehrheit im Bundesrat gibt. Ich hoffe, dass es einen Vermittlungsausschuss geben wird, denn es geht um eine bundesweit einheitliche Regelung. Wir machen in Deutschland seit Jahrzehnten Verkehrspolitik aus Sicht der Windschutzscheibe, das ist nicht mehr zeitgemäß. Der Aufwand, eine "30" anzuordnen, ist sehr hoch, da man begründen muss, dass der fließende Verkehr nicht beeinflusst wird. Mir ist Verkehrssicherheit mindestens ebenso wichtig.

Thema E-Autos. Die Förderung ist aufgrund der Haushaltslage vorzeitig ausgelaufen. Ist das für Sachsen nicht ein Rückschritt in der E-Mobilität? Immerhin wird der Kaufpreis als das größte Hindernis von den Befragten angesehen.

Ich bedauere das, gerade bei der derzeitigen Absatzlage. Die Ergebnisse zeigen aber keine generelle Ablehnung der Elektromobilität. Wir liegen in Sachsen etwa bei den E-Ladesäulen inzwischen bundesweit an der Spitze. Es sind gibt einen primären Grund, der gegen eine Anschaffung spricht: der viel zu hohe Preis. Und ich frage mich, warum die deutsche Automobilindustrie es bisher nicht geschafft hat, adäquate, preiswerte Angebote zu schaffen. Die chinesische Konkurrenz fährt uns davon - mit qualitativ hochwertigen und ansehnlichen Elektrofahrzeugen zu einem schmalen Preis. Ich wünsche mir, dass Volkswagen wieder Wagen baut, die sich das Volk auch leisten kann.

Noch umweltfreundlicher als mit Elektroautos ist man mit dem Rad unterwegs. Für den ersten Radschnellweg in Sachsen gibt es nun Geld für die Planung. Er soll von Langebrück nach Dresden führen. Bis zur Fertigstellung könnten aber noch zehn Jahre vergehen. Geht das nicht schneller?

Ich verstehe die Ungeduld, denn ich habe ja die Idee für Radschnellwege in Sachsen durchgesetzt. Aber Radwege haben Planungsverfahren wie Straßen, die rechtlichen Anforderungen sind daher komplex. Darüber hinaus gibt es immer wieder große Verzögerungen aufgrund von Eigentumsfragen. Um die Planungen zu beschleunigen, werben wir bei unserem Koalitionspartner sehr dafür, die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Radwegen infrage stellen zu können. Es sind Radwege, da muss ich doch nicht Stickstoffeinträge wie bei einer Straße untersuchen.

Wir sind jetzt bei einigen Strecken so weit, dass wir in die konkreteren Planungen gehen können, dazu gehört Langebrück-Dresden. Ich hoffe, dass wir auch bei den anderen Strecken bald kräftiger in die Pedale treten können.

Auch Großstadtanbindungen waren im Mobilitätskompass ein Thema. Nehmen wir Dresden. Dort wird nun nach London auch Amsterdam als Direktflugziel gestrichen. Welche Möglichkeiten hat die Politik, Einfluss auf das Flugangebot zu nehmen?

Es gibt Möglichkeiten, Fluglinien zu unterstützen, etwa über Marketingmaßnahmen. Aber wir müssen mit den Steuergeldern sinnvoll umgehen. Daher sehe ich nicht ein, einer Billig-Airline aufgrund ihrer Verkaufspolitik Geld hinterherzuwerfen und dadurch einen wirtschaftlichen Schaden für die Flughäfen in Kauf zu nehmen.

Und gesteuert bekommen sie das Flugangebot dadurch auch nicht. Die Airlines entscheiden, wohin sie fliegen, wo es sich lohnt. Unsere Flughäfen sind bereits massiv unterwegs, um sich als Lande- und Startplätze anzubieten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sachsen eine besondere geografische Nähe zu den Flughäfen Berlin und Prag hat. Das macht es nicht einfacher. Viele Passagiere fliegen lieber ab Berlin oder Prag, schimpfen dann aber, wenn in Leipzig oder Dresden Linien eingestellt werden.

Haben beide Airports – Dresden und Leipzig – eine Zukunft?

Die Flughäfen in Dresden und Leipzig wird es weiterhin geben. Sie haben nicht nur die Funktion, Menschen zu transportieren, sie haben auch eine wirtschaftliche Funktion. Leipzig ist Europas größtes Frachtdrehkreuz. Dresden hat eine große Bedeutung für die Elbe-Flugzeugwerke.

In Sachsen bedarf es jedoch großer Anstrengungen, nach den Corona-Jahren, die massiven Einfluss auf das Flugwesen hatten, die Flughäfen wirtschaftlich zu betreiben. Ich glaube aber, dass die Ansiedlungen und Erweiterungen, die wir insbesondere in Dresden sehen werden, eine ganz neue Dynamik bringen. Wir reden über mindestens 10.000 neue Arbeitsplätze - nationale und internationale Fachkräfte. Da sind diejenigen, die hier dauerhaft arbeiten, und jene, die rein- und rausfliegen werden. Das wird Dresden als Flugstandort für Airlines interessant machen.