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Die kleinen Benziner sterben aus

Strengere Abgasnormen, schmale Gewinnmargen: Verbrenner-Kleinstwagen werden immer seltener. Das trifft nicht nur die Neuwagenkäufer.

Von Andreas Rentsch
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Linda Briesnitz aus Putzkau fährt seit 2018 einen geleasten Seat Mii. Weil es kein Nachfolgemodell gibt, steigt die 42-Jährige notgedrungen auf ein größeres Auto um.
Linda Briesnitz aus Putzkau fährt seit 2018 einen geleasten Seat Mii. Weil es kein Nachfolgemodell gibt, steigt die 42-Jährige notgedrungen auf ein größeres Auto um. © SZ/Uwe Soeder

Eigentlich hätte sich Linda Briesnitz aus Putzkau weiterhin mit einem möglichst kleinen fahrbaren Untersatz begnügt. Doch der Seat Mii, den sie seit 2018 gefahren ist, wird nicht mehr produziert. Die letzten Exemplare sind Mitte 2019 vom Band gelaufen, ein Nachfolgemodell gibt es nicht. Ihr nächstes Auto ist deshalb kein Mii, sondern eine Nummer größer. „Ich habe mich für einen Dacia Sandero entschieden“, sagt die 42-Jährige. Im April soll der neue Wagen beim Händler stehen.

Winzlinge wie der Mii oder seine Schwestermodelle Skoda Citigo und VW Up! gehören einer aussterbenden Spezies an. Zumindest die Benziner: In nur fünf Jahren habe sich die Zahl der Baureihen auf dem deutschen Markt halbiert, sagt Peter Wolkenstein von der Zeitschrift Auto Straßenverkehr. „Gab es 2017 noch 17 Verbrenner-Baureihen im Kleinstwagen-Segment, waren es Ende 2022 nur noch acht.“

Kontingente des VW Up! für 2023 bereits ausverkauft

Zu den eingestellten Baureihen zählen der Ford Ka und der Opel Adam ebenso wie der Peugeot 108 oder der Citroën C1. Der Verbrenner- Up! wird zwar grundsätzlich noch gebaut, allerdings sind die für 2023 geplanten Kontingente für den deutschen Markt bereits ausverkauft. „Somit ist der Up! derzeit nicht bestellbar“, sagt Firmensprecher Christoph Peine auf Nachfrage von Sächsische.de. Ob und wann das Auto wieder ins Programm genommen werde, stehe noch nicht fest. Damit bleiben als Optionen nur noch Importautos übrig: Neben dem Toyota Aygo und Hyundai i10 sind das der Kia Picanto, Renault Twingo, Suzuki Ignis und Fiat 500. Beim Fiat Panda fällt 2023 die Allradvariante aus dem Sortiment.

Opel Adam, eingestellt 2019: Dieser Kleinstwagen wurde 2012 anlässlich des 150-jährigen Firmenjubiläums präsentiert. Danach wurde der Adam im Eisenacher Opel-Werk montiert.
Opel Adam, eingestellt 2019: Dieser Kleinstwagen wurde 2012 anlässlich des 150-jährigen Firmenjubiläums präsentiert. Danach wurde der Adam im Eisenacher Opel-Werk montiert. © Opel/dpa
Skoda Citigo, eingestellt 2019: Das Schwestermodell des VW Up! und Skoda Mii, seit 2012 europaweit erhältlich. Seine Elektro-Variante hieß Citigo-e iV.
Skoda Citigo, eingestellt 2019: Das Schwestermodell des VW Up! und Skoda Mii, seit 2012 europaweit erhältlich. Seine Elektro-Variante hieß Citigo-e iV. © Skoda
Ford Ka, eingestellt 2020: Einer der ersten Vertreter der Kleinstwagenklasse, seit 1996 auf dem Markt. Wurde in drei Modellgenerationen gebaut.
Ford Ka, eingestellt 2020: Einer der ersten Vertreter der Kleinstwagenklasse, seit 1996 auf dem Markt. Wurde in drei Modellgenerationen gebaut. © Ford
Peugeot 108, eingestellt 2022: Auch der 108 hat zwei Schwestermodelle: Toyota Aygo und Citroën C1. Premiere feierten die Franzosen 2014 beim Genfer Salon.
Peugeot 108, eingestellt 2022: Auch der 108 hat zwei Schwestermodelle: Toyota Aygo und Citroën C1. Premiere feierten die Franzosen 2014 beim Genfer Salon. © Stellantis
Suzuki Celerio, eingestellt 2019: Der 2014 eingeführte Kleinstwagen wird in zweiter Generation
in Afrika und Asien weiterhin angeboten, nicht aber in Europa.
Suzuki Celerio, eingestellt 2019: Der 2014 eingeführte Kleinstwagen wird in zweiter Generation in Afrika und Asien weiterhin angeboten, nicht aber in Europa. © Suzuki Deutschland

Fachleute rechnen damit, dass schärfere Abgasnormen das Angebot in diesem Fahrzeugsegment weiter ausdünnen. Euro 7, also die nächste Stufe, könnte laut ADAC Mitte 2025 für Pkw-Neuzulassungen in Kraft treten. Der Zulieferer Bosch schätzt laut Auto Straßenverkehr, dass ein Euro-7-tauglicher Abgasstrang Kleinwagen im Schnitt um rund 1.000 Euro teurer machen könnte. Gut möglich, dass mancher Hersteller diesen Schritt für nicht sinnvoll erachtet und sein Kleinstwagenmodell lieber einstellt oder nur noch eine Variante mit reinem Elektroantrieb baut.

Für typische Gewerbekunden wie Pflegedienste seien rein elektrische Kleinstwagen aber nicht immer eine Option, sagt Michael Schneider vom Landesverband des Kfz-Gewerbes. Oft fehle es an eigener Ladeinfrastruktur. Auch der Zeitfaktor beim Aufladen der Akkus ist ein Problem.

Michael Schneider ist Innungsobermeister der Kfz-Gewerbe-Innung Sachsen West/Chemnitz und Vizechef im Landesverband des Kfz-Gewerbes.
Michael Schneider ist Innungsobermeister der Kfz-Gewerbe-Innung Sachsen West/Chemnitz und Vizechef im Landesverband des Kfz-Gewerbes. © Kfz-Gewerbe-Innung Sachsen West/Chemnitz

Dazu kommen happige Anschaffungskosten. So liegt der Listenpreis für einen e-Up! derzeit bei knapp 30.000 Euro vor Förderung. Zum Vergleich: Das Benziner-Einstiegsmodell „Fresh“ des nächstgrößeren VW Polo wurde zuletzt zu Preisen ab 14.980 Euro verkauft. Für viele Rentner, Fahranfänger oder Menschen mit geringem Einkommen bleibt da nur der Wechsel auf den größeren Verbrenner – oder die Suche nach Gebrauchten. Doch auch dieser Markt ist eng. „Im Kleinstwagen stehen Leasingrückläufer oder junge Gebrauchte maximal einen Monat auf dem Hof, bevor sie weiterverkauft werden“, sagt Georg Göpfert, Verkäufer im Radeberger VW-Autohaus Franke.

Gebrauchte Kleinstwagen stehen nicht lange rum

Dass es eine Renaissance von Verbrenner-Kleinstwagen gibt, dürfte trotzdem nahezu ausgeschlossen sein. Denn im Verhältnis zur Größe verursachen diese Autos zu viele Emissionen. Was ein Problem für Hersteller darstellt. Denn die müssen auf Geheiß der EU ihre Flottenverbräuche immer weiter senken. Überschreitet ein Autobauer den CO2-Flottenwert, werden Strafzahlungen fällig. Große Limousinen oder SUVs mit Hybridantrieb sind dagegen kein Problem: Rein rechnerisch kommen sie auf einen sehr geringen CO2-Ausstoß, weil bei Prüfstandsmessungen ein gewisser Teil der Strecke rein elektrisch „zurückgelegt“ wird. In der Praxis sei das elektrische Fahren gerade unter Dienstwagennutzern mit hohem Fahrpensum eher die Ausnahme, monieren Kritiker.

Wer auch künftig ein sehr kleines Auto mit Verbrennungsmotor fahren will, landet fast ausschließlich bei Marken aus Fernost. Schauen Interessenten dabei vor allem auf den Kaufpreis, geben sie laut einem ADAC-Kostencheck für den Hyundai i10 1.0 Pure am wenigsten aus. Dieses Modell ist brutto ab 11.415 Euro zu haben.

Auf die Dauer störte der winzige Kofferraum

In einer Vollkostenrechnung, die auch den Wertverlust und Ausgaben für Kraftstoff, Versicherung, Ölwechsel, Wartung, Pflege und Reparaturen berücksichtigt, schneidet der Kia Picanto 1.0 Edition 7 (ab 13.690 Euro) minimal günstiger ab. Während der Hyundai auf 35,6 Cent pro Kilometer kommt, sind es beim Kia 35,2 Cent. Spitzenreiter im Ranking ist dann doch wieder ein VW up! – allerdings mit Erdgasantrieb (17.270 Euro, 33,7 Cent).

Im Nachhinein sei sie doch auch froh über den Wechsel vom Kleinst- zum Kleinwagen, sagt Linda Briesnitz. „Was mich irgendwann an dem Mii gestört hat, war der winzige Kofferraum.“