Eigentlich hätte sich Linda Briesnitz aus Putzkau weiterhin mit einem möglichst kleinen fahrbaren Untersatz begnügt. Doch der Seat Mii, den sie seit 2018 gefahren ist, wird nicht mehr produziert. Die letzten Exemplare sind Mitte 2019 vom Band gelaufen, ein Nachfolgemodell gibt es nicht. Ihr nächstes Auto ist deshalb kein Mii, sondern eine Nummer größer. „Ich habe mich für einen Dacia Sandero entschieden“, sagt die 42-Jährige. Im April soll der neue Wagen beim Händler stehen.
Winzlinge wie der Mii oder seine Schwestermodelle Skoda Citigo und VW Up! gehören einer aussterbenden Spezies an. Zumindest die Benziner: In nur fünf Jahren habe sich die Zahl der Baureihen auf dem deutschen Markt halbiert, sagt Peter Wolkenstein von der Zeitschrift Auto Straßenverkehr. „Gab es 2017 noch 17 Verbrenner-Baureihen im Kleinstwagen-Segment, waren es Ende 2022 nur noch acht.“
Kontingente des VW Up! für 2023 bereits ausverkauft
Zu den eingestellten Baureihen zählen der Ford Ka und der Opel Adam ebenso wie der Peugeot 108 oder der Citroën C1. Der Verbrenner- Up! wird zwar grundsätzlich noch gebaut, allerdings sind die für 2023 geplanten Kontingente für den deutschen Markt bereits ausverkauft. „Somit ist der Up! derzeit nicht bestellbar“, sagt Firmensprecher Christoph Peine auf Nachfrage von Sächsische.de. Ob und wann das Auto wieder ins Programm genommen werde, stehe noch nicht fest. Damit bleiben als Optionen nur noch Importautos übrig: Neben dem Toyota Aygo und Hyundai i10 sind das der Kia Picanto, Renault Twingo, Suzuki Ignis und Fiat 500. Beim Fiat Panda fällt 2023 die Allradvariante aus dem Sortiment.
Fachleute rechnen damit, dass schärfere Abgasnormen das Angebot in diesem Fahrzeugsegment weiter ausdünnen. Euro 7, also die nächste Stufe, könnte laut ADAC Mitte 2025 für Pkw-Neuzulassungen in Kraft treten. Der Zulieferer Bosch schätzt laut Auto Straßenverkehr, dass ein Euro-7-tauglicher Abgasstrang Kleinwagen im Schnitt um rund 1.000 Euro teurer machen könnte. Gut möglich, dass mancher Hersteller diesen Schritt für nicht sinnvoll erachtet und sein Kleinstwagenmodell lieber einstellt oder nur noch eine Variante mit reinem Elektroantrieb baut.
Für typische Gewerbekunden wie Pflegedienste seien rein elektrische Kleinstwagen aber nicht immer eine Option, sagt Michael Schneider vom Landesverband des Kfz-Gewerbes. Oft fehle es an eigener Ladeinfrastruktur. Auch der Zeitfaktor beim Aufladen der Akkus ist ein Problem.
Dazu kommen happige Anschaffungskosten. So liegt der Listenpreis für einen e-Up! derzeit bei knapp 30.000 Euro vor Förderung. Zum Vergleich: Das Benziner-Einstiegsmodell „Fresh“ des nächstgrößeren VW Polo wurde zuletzt zu Preisen ab 14.980 Euro verkauft. Für viele Rentner, Fahranfänger oder Menschen mit geringem Einkommen bleibt da nur der Wechsel auf den größeren Verbrenner – oder die Suche nach Gebrauchten. Doch auch dieser Markt ist eng. „Im Kleinstwagen stehen Leasingrückläufer oder junge Gebrauchte maximal einen Monat auf dem Hof, bevor sie weiterverkauft werden“, sagt Georg Göpfert, Verkäufer im Radeberger VW-Autohaus Franke.
Gebrauchte Kleinstwagen stehen nicht lange rum
Dass es eine Renaissance von Verbrenner-Kleinstwagen gibt, dürfte trotzdem nahezu ausgeschlossen sein. Denn im Verhältnis zur Größe verursachen diese Autos zu viele Emissionen. Was ein Problem für Hersteller darstellt. Denn die müssen auf Geheiß der EU ihre Flottenverbräuche immer weiter senken. Überschreitet ein Autobauer den CO2-Flottenwert, werden Strafzahlungen fällig. Große Limousinen oder SUVs mit Hybridantrieb sind dagegen kein Problem: Rein rechnerisch kommen sie auf einen sehr geringen CO2-Ausstoß, weil bei Prüfstandsmessungen ein gewisser Teil der Strecke rein elektrisch „zurückgelegt“ wird. In der Praxis sei das elektrische Fahren gerade unter Dienstwagennutzern mit hohem Fahrpensum eher die Ausnahme, monieren Kritiker.
Wer auch künftig ein sehr kleines Auto mit Verbrennungsmotor fahren will, landet fast ausschließlich bei Marken aus Fernost. Schauen Interessenten dabei vor allem auf den Kaufpreis, geben sie laut einem ADAC-Kostencheck für den Hyundai i10 1.0 Pure am wenigsten aus. Dieses Modell ist brutto ab 11.415 Euro zu haben.
Auf die Dauer störte der winzige Kofferraum
In einer Vollkostenrechnung, die auch den Wertverlust und Ausgaben für Kraftstoff, Versicherung, Ölwechsel, Wartung, Pflege und Reparaturen berücksichtigt, schneidet der Kia Picanto 1.0 Edition 7 (ab 13.690 Euro) minimal günstiger ab. Während der Hyundai auf 35,6 Cent pro Kilometer kommt, sind es beim Kia 35,2 Cent. Spitzenreiter im Ranking ist dann doch wieder ein VW up! – allerdings mit Erdgasantrieb (17.270 Euro, 33,7 Cent).
Im Nachhinein sei sie doch auch froh über den Wechsel vom Kleinst- zum Kleinwagen, sagt Linda Briesnitz. „Was mich irgendwann an dem Mii gestört hat, war der winzige Kofferraum.“