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Vollbremsung beim Straßenbau

Dieses Jahr brechen im Kreis Görlitz die Aufträge für Tiefbaufirmen ein. Den Grund sehen viele beim sparsamen Freistaat und fürchten Gefahren für die Baufirmen.

Von Anja Beutler
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Straßenbau kann auch anstrengend sein - wie hier in Zittau auf der Äußeren Weberstraße im vergangenen Jahr. Aber wird nicht gebaut, ist es auch nicht gut.
Straßenbau kann auch anstrengend sein - wie hier in Zittau auf der Äußeren Weberstraße im vergangenen Jahr. Aber wird nicht gebaut, ist es auch nicht gut. © Matthias Weber/photoweber.de

Es sind ungewohnt dramatische Töne, die Schönau-Berzdorfs Bürgermeister im jüngsten Gemeinderat wählte: "Die hiesige Bauwirtschaft wird zusammenbrechen, wenn der Freistaat nichts anschiebt. Es gibt kein Geld für den Straßenbau und damit keine Arbeit." Dass Christian Hänel (parteilos) so drastische Worte wählt, ist selten - aus seiner Sicht aber verständlich: Auf die Sanierung von Kreis- und Staatsstraßen in seiner Gemeinde wartet er schon lange. Allzu oft hieß es schon in der Vergangenheit: Kein Geld. Und in diesem Jahr scheint die Lage besonders festgefahren zu sein.

Hartmut Horn, Geschäftsführer der STL Bau GmbH in Löbau, teilt diese Verärgerung durchaus. Zwar sieht er das Unternehmen STL nicht in der Existenz bedroht, aber gefährlich sei die Lage für die Branche definitiv. Horn beobachtet seit Mitte 2019, dass sich die Situation verschlechtert. "Bei STL haben wir für dieses Jahr 40 Prozent weniger Aufträge als in den vergangenen Jahren", skizziert er. Gerade im Bereich Asphalteinbau - hier ist STL mit Spezialtechnik und zwei Teams gut aufgestellt - kommen kaum noch Aufträge. "Die Konkurrenz bei den Ausschreibungen ist härter denn je", schildert er. Die Preise fallen. Und je östlicher man komme, desto weniger werde investiert, schätzt Horn ein, der auch Geschäftsführer der Bistra Bau in Putzkau bei Bischofswerda ist. "Man fragt sich nach jahrelangem Einsatz für Verbesserungen in dieser Frage, wo diese dramatische Entwicklung speziell in Ostsachsen hinführen soll", betont er.

Mit Ellenbogen in die Auftragsvergabe

Dass die Konkurrenz bei den Ausschreibungen enorm hart geworden ist, bestätigt der langjährige Zittauer Osteg-Chef Frank Scholze: "Kostendeckung ist das Höchste, was man derzeit erwarten kann." Dennoch gibt er sich aktuell noch gelassen. Scholze kennt das Auf und Ab, er war Gründungsmitglied der Osteg nach der Wende. In den Jahren 2007 bis 2009 sei es ähnlich schwierig gewesen. Er sehe daher noch keine "tödliche Zeit" auf die Firma zukommen. "Wichtig ist, dass man sich breit aufstellt und flexibel ist", erklärt er. Viele Firmen beteiligten sich deshalb beispielsweise verstärkt im Breitbandausbau. Die letzten Jahre - 2016 bis inklusive 2020, wo alles trotz Corona seiner Einschätzung nach weitgehend normal lief - seien gute Baujahre gewesen. Die Osteg konnte in Technik investieren und hofft, davon jetzt zu profitieren und bei den nun rareren Ausschreibungen zu gewinnen.

Dabei gibt es gerade bei Straßen und auch Brücken im Landkreis enorm viel zu tun, betont der Görlitzer Landrat Bernd Lange (CDU). Aber der Freistaat gebe zu wenig für den Straßenbau aus - das unterstrich er jetzt auch in einem Schreiben an den Bauindustriebverband Ost. Dieser soll sich nämlich auch im Namen des Landkreises Görlitz bei den laufenden Haushaltsplanungen für eine bessere Finanzausstattung stark machen. Seit Jahren ist der Unmut im Kreis groß, dass dringend nötige Straßenprojekte keinen Zentimeter vorankommen - marode Kreisstraßen wie die durch Berthelsdorf und Rennersdorf zum Beispiel, deren Brücken und Ränder rot-weiße Baken säumen. Die Prioritätenliste des Kreises kennt viele solcher Fälle.

Auftragsstau und weniger Geld

Dass der Freistaat für 2021 bis 2022 tatsächlich deutlich weniger Geld eingeplant hat, bestätigt Kathleen Brühl, Sprecherin beim Wirtschafts- und Verkehrsministerium in Dresden: "In diesem und im kommenden Jahr wird es insgesamt weniger Straßenbaumittel geben." Das liegt zum einen daran, dass das zuständige Ministerium - auch wegen Corona - dieses Jahr generell nur 80 Prozent der Gelder im Vergleich zum Vorjahr zur Verfügung hat. Zum anderen schiebt der Freistaat noch immer einen Straßenbau-Investitionsstau vor sich her, der im Frühjahr 2019 deutlich eingeräumt wurde und noch immer zu Antragsstopps und langen Wartelisten führt. "Aber noch ist der Haushalt nicht beschlossen", betont die Sprecherin und verweist darauf, dass die Abgeordneten die Gelder aufstocken könnten. Allerdings steht der Haushalt - und damit der Straßenbau-Etat - wohl erst im April oder Mai fest. Zum Bauen ist es dann reichlich spät.

Grundsätzlich werden in jedem Jahr 160 Millionen Euro aus Töpfen des Finanzausgleichs direkt an die Kommunen in Sachsen direkt für den Straßenbau ausgereicht. Hinzu kommt ein im Haushalt verankerter Posten: Für dieses Jahr hat Sachsen 119 Millionen Euro eingestellt, im nächsten Jahr nur 87 Millionen Euro. Diese Summen können im kommunalen Straßenbau, also für Kreisstraßen oder Staatsstraßen innerhalb von Ortschaften verbaut werden. Gerade im Vergleich zu 2020 ist der Unterschied deutlich: Hier waren es noch 266 Millionen Euro. Hinzu kommt: Ein Teil dieser Summe ist noch immer für bereits eingereichte Projekte aus früheren Jahren reserviert. "Diesen Anteil haben wir in den vergangenen Jahren weiter abgearbeitet", betont Frau Brühl. Eigentlich soll er bis 2022 gänzlich abgearbeitet sein. Unter den gewohnten Bedingungen - Förderquoten um die 90 Prozent - sei das aber kaum machbar, skizziert sie. Immerhin kommen zu diesen Geldern noch Mittel von Bund und Land für Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen (außerorts) hinzu. Sie waren bislang relativ stabil.

Stimmung bei Firmen noch nicht düster

Auch wenn die Zahlen düster sind - die Stimmung unter den Firmen ist es nicht unbedingt: Große Klagen will Matthias Domschke vom gleichnamigen Bauunternehmen in Oderwitz nicht anstimmen: "Wir sind relativ gut dabei", skizziert er. Er hoffe, dass die Lage besser werde und die sich abzeichnende Auftrags-Delle nicht vertiefe. Domschke selbst glaubt nicht unbedingt, dass fehlendes Geld immer der Hauptgrund für den Auftragsrückgang ist. "Ich habe auch das Gefühl, durch das Homeoffice hakt es bei Entscheidungen und viele Dinge kommen einfach nicht ins Rollen", sagt er.

Wer nicht in größerem Umfang auf die öffentliche Hand angewiesen ist, wie die Firma Schuck-Bau in Strahwalde, kommt auch in diesem schwächeren Jahr ganz gut um die Runden: "Unsere Auftragslage ist stabil", sagt Chef André Schuck. Die Lage werde vielleicht ein bisschen dramatischer dargestellt als sie ist, zumal es in den vergangenen Jahren in der Baubranche sehr gut lief. Existenzgefährdend sei es aus seiner Sicht derzeit auf keinen Fall.

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