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Sachsen will Mittel für sozialen Wohnungsbau aufstocken

Der Freistaat reagiert auf steigende Baupreise. Bundesweit fordert ein Bündnis staatliches Engagement für Sozialwohnungen

Von Thilo Alexe
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Mieterbund und Gewerkschaften fordern 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.
Mieterbund und Gewerkschaften fordern 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. © Bernd von Jutrczenka/dpa (Symbolbild)

Sachsen will die Mittel für den sozialen Wohnungsbau umfassend aufstocken. "Um den steigenden Baupreisen Rechnung zu tragen", teilte das Regionalentwicklungsministerium auf Anfrage mit, werde das Kabinett auf seiner Sitzung am Dienstag "voraussichtlich eine deutliche Anhebung der Fördersätze beschließen".

Deutschlandweit ist der Bedarf an Sozialwohnungen hoch. Die Zahl armutsgefährdeter Menschen hat sich im Vergleich zu 2009 leicht erhöht, die der Sozialwohnungen aber fast halbiert. Die Chancen, trotz Wohnberechtigungsschein eine solche günstige Wohnung zu erhalten, stehen bei eins zu zehn – "Tendenz fallend", wie das aus Caritas, Mieterbund, der Gewerkschaft IG Bau sowie Branchenverbänden bestehende Bündnis soziales Wohnen am Donnerstag in Berlin kritisierte.

In der gesamten Bundesrepublik fehlten generell 700.000 Wohnungen. Besonders Einkommensschwache treffe der Mangel hart. Das Bündnis fordert ein staatliches Sondervermögen für soziales Wohnen von 50 Milliarden Euro. Damit sollen die von der Ampel-Koalition versprochenen 400.000 Sozialwohnungen bundesweit bis 2025 gebaut werden – bislang seien erst rund 20.000 errichtet worden.

In Sachsen ist die Lage nicht ganz so dramatisch. Dennoch besteht auch hier Bedarf. Zwischen 2017 und 2021 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen nach Angaben des sächsischen Regionalentwicklungsministeriums von rund 11.600 auf fast 12.300 erhöht. Seit 2017 seien über die Richtlinie für gebundenen Mietwohnraum mehr als 200 Millionen Euro für den Neubau entsprechender Wohnungen bewilligt worden. Für 2023 stünden 75 Millionen Euro bereit. Seit 2016 – damals trat die Richtlinie in Kraft– seien in Dresden und Leipzig fast 2.600 Wohnungen gefördert worden.

Generell gilt, dass die Wohnungen über einen mittelfristigen Zeitraum – in der Regel 15 Jahre – für soziales Wohnen gebunden sind. Das kann auch zutreffen auf bereits bestehende Wohnungen. Über die Förderrichtlinie wurden 2021 und 2022 für fast 400 Einheiten außerhalb der beiden Großstädte Modernisierungen bewilligt. Auch sie gelten als Sozialwohnungen.

Eine vom Bündnis soziales Wohnen präsentierte Studie sieht Sachsen auf dem viertletzten Platz beim Sozialwohnungsbestand, knapp vor Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Diese Bundesländer wiesen jeweils weniger als zehn Sozialwohnungen pro 1.000 Mieterhaushalte auf. Beim Spitzenreiter Hamburg sind es fast 110. Allerdings weist die Erhebung darauf hin, dass im Osten "die Wohnungsmarktsituation nicht so angespannt ist wie in Berlin und den meisten westdeutschen Bundesländern". Zudem hielten kommunale Gesellschaften und Genossenschaften einen vergleichsweise hohen Marktanteil.

Bund gibt Sachsen Geld

Wohnen mit Wohnberechtigungsschein ist hauptsächlich ein Thema in den Zentren. So haben sächsische Städte und Gemeinden der Staatsregierung einen Bedarf von 16.510 Wohnungen bis zum Jahr 2025 gemeldet, wie aus der Antwort von Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Anfrage der Linkenabgeordneten Juliane Nagel vom März 2022 hervorgeht. Dresden liegt vorn. Die Landeshauptstadt bezifferte den Bedarf auf 10.000 Wohnungen, Leipzig auf mehr als 5.200, Chemnitz auf 1.200.

Der Freistaat stemmt den Wohnungsbau nicht allein. 2021 erhielt Sachsen Bundesmittel von fast 50 Millionen Euro – aufgeteilt auf fünf Jahresscheiben. Das Land muss kofinanzieren in Höhe von knapp einem Drittel der in Anspruch genommenen Gelder aus Berlin. Sachsen unterstützt zudem „anspruchsvolle energetische Modernisierungen“ – ein zusätzlicher Förderbaustein soll in die bestehende Richtlinie per Kabinettsbeschluss noch im ersten Quartal integriert werden.

Für die angespannte Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt macht das Bündnis soziales Wohnen unter anderem die landesweite Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus in den vergangenen Jahren verantwortlich. Zudem sei die Bevölkerung etwa durch Zuwanderung und Geflüchtete aus der Ukraine 2022 gewachsen. Mieterbundpräsident Lukas Siebenkotten fordert die Ausweitung des Wohnungsbestandes in Eigentum von Bund, Land und Kommunen. Die Caritas wies darauf hin, dass Deutschland angesichts des Fachkräftemangels Zuwanderung benötige. Dafür brauche es auch Wohnungen.

"Wir haben bereits jetzt einen Rekord-Wohnungsmangel", sagte der Leiter des für die Studie mitverantwortlichen Hannoveraner Pestel-Instituts, Matthias Günther. Er sprach vom größten Wohnungsdefizit seit mehr als zwanzig Jahren: "Bei den bezahlbaren Wohnungen wird das ohnehin schon massive Versorgungsloch immer größer, bei den Sozialwohnungen ist es längst ein Krater."

Als einen Grund sieht das Bündnis die Zuwanderung nach Deutschland. Für das vergangene Jahr habe die Bundesrepublik einen sogenannten Wanderungsgewinn von rund 1,5 Millionen Menschen verbucht, teilte das Bündnis weiter mit. Der Grund liege nicht nur im Krieg in der Ukraine, Zuwanderung sei seit einigen Jahren zu verzeichnen.

Derzeit gibt es rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland – in den 1980er-Jahren waren es in der alten Bundesrepublik etwa vier Millionen. Derzeit haben rund elf Millionen Menschen einen Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein und damit auf eine Sozialwohnung. Die Chance, eine zu erhalten, liegt demnach bei eins zu zehn.