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DDR-Produkte - Ein Vorbild für heute?

In der DDR gab es superfeste Gläser und langlebige Rührgeräte - Angesichts von Ressourcenknappheit und Klimakrise stellt sich die Frage, ob wir sie wieder zurückholen können.

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Eine Wohnzimmerausstattung ist im ehemaligen DDR-Museum am Dresdner Albertplatz. Könnten Teile der Einrichtung die Antwort für mehr Nachhaltigkeit sein?
Eine Wohnzimmerausstattung ist im ehemaligen DDR-Museum am Dresdner Albertplatz. Könnten Teile der Einrichtung die Antwort für mehr Nachhaltigkeit sein? © SZ

Die Superfest-Trinkgläser sind ein bedeutendes Beispiel des DDR-Designs. Die Gläser waren stapelbar, zeitlos gestaltet und nahezu unzerstörbar. Sie waren dabei weder wuchtig noch irgendwie unangenehm. Gutes und langlebiges DDR-Design wie auch das Rührgerät RG28, die Simson-Mopeds oder die MDW-Anbauwand stehen heute in Museen. Aber sie sind auch noch in der Benutzung. Die Produkte wurden damals mit den begrenzten Ressourcen einer zentralistisch gesteuerten Planwirtschaft entwickelt, die eine Mangelwirtschaft eines bankrotten Staates war.

Im Rahmen der ökonomischen Möglichkeiten sollte die Bevölkerung mit dem Nötigen und Gewünschten ausgestattet werden. Organisierte Hilfe zur Selbsthilfe, Selbstbau- und Reparaturanleitungen gehörten zum Gesamtpaket dazu. Es gab kein Interesse am ständigen Ersetzen von Konsumgütern, auch weil dazu gar keine Möglichkeit bestand. Designerinnen und Designer in beiden Teilen Deutschlands lehnten das US-amerikanische Styling und die damit verbundene Verschwendung ab. Technisch wie gestalterisch langlebige Produkte zu entwerfen passte zu ihren Überzeugungen. In der DDR war genau das Teil des Designauftrags.

Das ‚Offene Prinzip‘ beim SimsonMoped oder bei der MDW-Anbauwand erlaubte Anpassungen und Verbesserungen, statt Produkte komplett durch neue zu ersetzen. Begünstigt wurde die Umsetzung dieser Konzepte durch den Mangel an Ressourcen für Neuentwicklungen und neue Werkzeuge in der DDR-Industrie. Reparatur, Wiederaufbereitung und lediglich kleinere Verbesserungen der Produkte waren an der Tagesordnung. Diese Form des Wirtschaftens war ressourcenschonend. Aber sie trug zu zunehmender Unzufriedenheit bei der Bevölkerung bei. Nach 1990 waren die haltbaren Klassiker des DDR-Designs entsprechend schnell verschwunden. Die marktwirtschaftliche Wettbewerbs- und Wachstumslogik war mit langlebigen Lösungen wie der des Superfest-Glases wenig vereinbar. Nur noch dort, wo es wirtschaftlich dringend geboten war, wurden weiterhin lange haltbare und robuste Produkte eingesetzt. Ansonsten galt: lieber neu kaufen entsprach dem Ziel gesteigerter Umsätze. Der Rest kam auf die Deponie oder wurde zu großen Teilen unter dem Tarnnamen ‚Recycling‘ energetisch verwertet, also verbrannt.

Heute stehen wir aus ökologischen Gründen wieder vor dem Problem der begrenzten Ressourcen. Die Wegwerfgesellschaft wird wieder infrage gestellt. Und zwar nicht aus politischer Willkür, sondern weil die globalen Ressourcen für ein ‚Weiter so‘ schlicht nicht existieren. Da die Problematik wirklich alle betrifft, wird nicht nur auf nationaler oder europäischer Ebene, sondern sogar in den Institutionen der UN daran gearbeitet. Selbst dort werden Ansätze und Ziele entwickelt, mit denen Produktentwicklung und Design diesen Herausforderungen begegnen kann. Im Zentrum der Überlegungen, wie Produkte entsprechend konzipiert und gestaltet werden müssen, stehen die Prinzipien und Strategien der ‚nachhaltigen Kreislaufwirtschaft‘. Diese erfordern einerseits eine gewisse Beschränkung auf das Nötige – wie beim Car-Sharing. Und sie benötigen das entsprechende Design für eine geteilte Nutzung. Andererseits sollen die Ressourcen, die einmal eingesetzt wurden, auch zu einer möglichst langlebigen Nutzung führen. Produkte sollen weder aufgrund technischer Mängel noch aufgrund moralischen Verschleißes aussortiert werden. Stattdessen werden besondere Langlebigkeit, aber auch Anpassbarkeit, Reparierbarkeit oder Umnutzung angestrebt und schon in der Entwicklung der Produkte vorgesehen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass Lösungen des DDR-Designs wie die Superfest-Gläser wieder auf Interesse stoßen. So ist es heute beispielsweise möglich, Trinkflaschen zu kaufen, die auf der DDR-Technologie aufbauen und die Hygiene von Glasflaschen mit einer großen Robustheit und Langlebigkeit verbinden. Eine noch ungelöste Herausforderung ist es, die notwendigen Veränderungen von Geschäftsmodellen und Konsumverhalten so zu gestalten, dass die Zufriedenheit und der Wohlstand der Menschen nicht eingeschränkt werden. Hier liegt die Aufgabe auch beim Design selbst, Produkte zu gestalten, die langlebig sind, größtenteils aus Recyclingmaterialien bestehen oder mit anderen geteilt werden können. Und die trotz alledem nicht als Verzicht wahrgenommen werden. Denn nur wenn die nachhaltigen Lösungen wirklich von allen gewollt werden, kann Wandel stattfinden.

Ihre Frage, Ihr Wissen: Sende Sie uns Ihre Fragen

Dem SZ-Leser Christian Meißner aus Dresden sind die Superfest-Gläser im Schrank aufgefallen und er hat bei uns nachgefragt, ob wir angesichts der Ressourcenknappheit wieder die Superfest-Gläser brauchen, die es sie in der DDR gab. Beantwortet wurde die Frage dann von Christian Wölfel. Er forscht und lehrt zu Industriedesign an der TU Dresden.

Senden auch Sie uns Ihre Fragen zum Thema Nachhaltigkeit per E-Mail an [email protected]. Wir suchen die passenden Experten und Expertinnen, um der Frage auf den Grund zu gehen.

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