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Klimasünder Beton – Was kann ihn ersetzen?

Leser fragen – Wissenschaftler antworten. Heute geht es um die Zukunft des Bauens. Werden wir nur noch in Holzhäusern leben?

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Das neue "Hoho Wien", ein Hochhaus das vom ersten Stock an aufwärts zu 75 Prozent aus Holzteilen besteht, liegt in der Seestadt im Nordosten der österreichischen Hauptstadt.
Das neue "Hoho Wien", ein Hochhaus das vom ersten Stock an aufwärts zu 75 Prozent aus Holzteilen besteht, liegt in der Seestadt im Nordosten der österreichischen Hauptstadt. © dpa

Kaum ein Neubau kommt heutzutage ohne Beton aus. Doch die Herstellung verursacht jährlich Milliarden Tonnen klimaschädliches Kohlenstoffdioxid. Auch die Dresdner Gebäude bestehen im Mittel zu 40 Prozent aus Beton. Zement ist dabei der Hauptklimatreiber. Müssen wir in Zukunft auf Beton verzichten, um nachhaltig zu leben?

Ja und nein. Auf jeden Fall werden wir stärker aufs Sanieren und Reparieren setzen müssen. Das ist der Königsweg. Unsere Gebäude müssen länger bestehen bleiben.

Siedlungen aus Holzhäusern

Doch wir werden auch immer neuen Wohnraum benötigen, hierfür müssen wir versuchen, weniger oder zumindest anderen Beton zu verwenden. Zukünftig könnten unsere Wohnhäuser aus Holz bestehen, Holz ist nicht nur ein nachwachsender Rohstoff, sondern speichert auch das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid (CO2). Die Holzbauweise ist unglaublich weit vorangekommen: Heutzutage gibt es in Deutschland bereits Mehrfamilien-Holzhäuser aus sieben Stockwerken. Auch brandschutztechnisch ist das Material keine Herausforderung mehr. Vielmehr spielt es eine Rolle, ob es genug Wald gibt, um all die Bedarfe auch jenseits des Bauens zu decken. Wir kommen da sehr schnell in Nutzungskonflikte mit anderen, wie beispielsweise der Energiebranche, die auch sehr stark auf nachwachsende Rohstoffe setzt. Das andere Problem ist zudem, dass Holz nicht uneingeschränkt einsetzbar ist. Überall da, wo die Teile in Verbindung mit Wasser kommen, wird es riskant: Holzhäuser in Hochwasserschutzgebiete funktionieren nicht. Holzbau ist also nicht die alleinige Lösung. Eine andere Idee könnte sein, Bauabfälle zu recyceln, zumindest wenn die Qualität stimmt und die Transportwege kurz sind, bleiben die Emissionen gering.

In Dresden haben Wissenschaftler zudem Carbonbeton entwickelt. Wände und Decken aus diesem Material werden dadurch deutlich schlanker. Man benötigt bis zu 70 Prozent weniger Material und verringert somit auch die Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Interessant ist dabei auch, die Vorteile von Carbonbeton zu nutzen, um Gebäude zu reparieren und so deren Lebensdauer zu verlängern. In solchen Entwicklungen steckt viel Potenzial, sie befinden sich aber noch in den einem sehr frühen Entwicklungsstadium.

Weniger Wohnfläche oder andere Rohstoffe

Und dann gibt es noch das Feld der Carbonisierung. Das ist der Versuch, dass klimaschädliche Kohlendioxid wieder in den Beton einzubinden. Hier wird an technischen Verfahren geforscht, mit denen CO2 in den Beton wieder eingebunden wird. Wichtig ist neben all den Erfindungen auch: Wir müssen genügsamer werden. Nicht jeder braucht im Mehrfamilienhaus ein Gästezimmer oder große Räume für Feiern oder Hobbys. Wir könnten mehr Fläche teilen, neue Wohnformen ausprobieren und uns fragen, wie viel benötige ich wirklich. Das bedeutet nicht, dass wir zurück in die 50er müssen, wo jede Person im Schnitt auf zwanzig Quadratmeter Fläche gewohnt hat. Wir sollten aber verantwortungsvoller mit unseren Flächen umgehen. Das könnte zudem viele soziale Vorteile mit sich bringen, indem wir wieder mehr in den Nachbarschaften zusammenkommen.

Zukünftige emissionsarme Städte bestehen also nicht nur aus Holz. Die Stadt der Zukunft beherbergt vielmehr viele verschiedene Häuser, die möglichst emissionsarm mit lokal verfügbaren Materialien gebaut wurden. Dort gibt es Häuser, die lange halten, und wieder so zurückgebaut werden können, um die Materialien erneut zu verwenden. (mit luz)

Beantwortet hat die Frage der Wissenschaftler Georg Schiller vom Dresdner Institut für ökologische Raumentwicklung. Er leitet die Forschungsgruppe Anthropogene und Natürliche Ressourcen am Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden.

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