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Die versteckte Preiserhöhung im Laden

Verbraucherschützer zeigen, wie Hersteller und Handel mit Shrinkflation tricksen. Betroffen sind nun auch vermeintlich billige No-Name-Produkte.

Von Katrin Saft
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Nicht mal beim Klopapier vor den Tricks der Hersteller sicher: Bei diesem Toilettenpapier von Lidl blieb zwar die Blattzahl gleich, dafür wurde die Rollenhöhe verkleinert.
Nicht mal beim Klopapier vor den Tricks der Hersteller sicher: Bei diesem Toilettenpapier von Lidl blieb zwar die Blattzahl gleich, dafür wurde die Rollenhöhe verkleinert. © Verbraucherzentrale Hamburg

Die Lammsteaks bei Aldi sehen aus wie immer: dunkle Verpackung mit drei saftig-leckeren Fleischstückchen und dem Markennamen Jack’s Farm darauf. Auch der Preis hat sich nicht verändert: 6,99 Euro. Was die meisten Kunden allerdings übersehen dürften: Die Fleischmenge in der Packung ist deutlich geschrumpft. Statt 400 sind jetzt nur noch 300 Gramm drin. „Das entspricht einer versteckten Preiserhöhung von 33 Prozent“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Kein Einzelfall, sondern Masche, die Shrinkflation (shrink zu deutsch schrumpfen) genannt wird. Seit vielen Jahren führen die Verbraucherschützer eine Mogelpackungsliste. Sie zeigt Produkte, bei denen Hersteller still und heimlich den Inhalt reduziert haben, während der Preis im Laden gleich geblieben ist. Dahinter steckt psychologisches Kalkül. Weil sich Kunden oft an den Preis eines Produkts gewöhnt haben, könnten sie durch eine klare Preiserhöhung vom Kauf abgeschreckt werden. Insofern wird sie lieber verschleiert. Valet spricht von Luftnummern, die auch wenig nachhaltig seien. Im Fall der Lammsteaks würden jetzt pro Tonne Fleisch fast 850 Verpackungen mehr benötigt. Gegenüber der Verbraucherzentrale rechtfertigt Aldi die Schrumpfpackungen mit „gestiegenen Marktpreisen, beispielsweise bedingt durch fehlende Transportkapazitäten beziehungsweise Lockdowns in den Erzeugerländern und stark gestiegene Rohwarenpreise bei Fleisch“.

Die Liste der Mogelpackung zählt inzwischen etwa 1.000 Einträge – viele davon nach Hinweisen aufmerksamer Verbraucher. Und sie wächst angesichts des aktuellen Preisdrucks im Handel deutlich schneller als sonst. Waren bislang vor allem Markenprodukte betroffen, nutzen Supermärkte und Discounter den Preistrick zunehmend auch für ihre Eigenmarken. „In den ersten sechs Monaten dieses Jahres stammte bereits jedes vierte Mogelprodukt von einer Eigenmarke“, so Valet. In den letzten Wochen seien sogar überwiegend Eigenmarken in die Liste aufgenommen worden.

Eine am 27. Mai in der Lebensmittelzeitung veröffentlichte stichprobenartige Untersuchung bestätigt diese Erkenntnis. Dabei zeigte sich, dass die Preise von Markenprodukten zurzeit nicht so stark steigen wie die von Eigenmarken des Handels. So kletterten zwischen Mitte März und Ende April bei 15 überprüften Lebensmitteln die Preise für Markenprodukte um durchschnittlich gut zwei Prozent. Bei den Produkten der Handelsmarken waren es hingegen 17 Prozent. Verbraucherschützer Valet sieht hier einen Trend, der vor allem Kundinnen und Kunden trifft, die aus finanziellen Gründen zu den preiswerteren No-Name-Produkten greifen. „Ein Garant für niedrige Preise sind diese Produkte nun wohl nicht mehr, auch wenn viele Supermärkte und Discounter damit werben“, sagt er. „Die für die Produktion der Handelsmarken gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten sollen an die Kundschaft weitergegeben werden, ohne diese zu verprellen.“

Vier Beispiele für Shrinkflation

Die Naturgut Bio Holzofen-Pizza mit Mozzarella, Spinat & Feta von Penny kostet 2,99 Euro statt 2,49 Euro. Das Gewicht sank von 460 auf 410 Gramm. Doppelte Preiserhöhung um insg. 35 Prozent. Dazu Penny: Zugunsten von Qualität und Geschmack wurde auf einen neuen Lieferanten umgestellt, der keine höhere Grammatur anbieten kann. Zudem Preisanpassung durch stark gestiegenen Rohstoffpreise für u. a. Mozzarella, Feta.
Die Naturgut Bio Holzofen-Pizza mit Mozzarella, Spinat & Feta von Penny kostet 2,99 Euro statt 2,49 Euro. Das Gewicht sank von 460 auf 410 Gramm. Doppelte Preiserhöhung um insg. 35 Prozent. Dazu Penny: Zugunsten von Qualität und Geschmack wurde auf einen neuen Lieferanten umgestellt, der keine höhere Grammatur anbieten kann. Zudem Preisanpassung durch stark gestiegenen Rohstoffpreise für u. a. Mozzarella, Feta. © Verbraucherzentrale Hamburg
Die Handseife Beauty cream bar ist von 100 auf 90 Gramm geschrumpft. Versteckte Preiserhöhung: 11,1 Prozent. Hersteller Unilever erklärt dazu: „Auch wir werden von externen Faktoren beeinflusst. In den vergangenen Monaten sind weltweit die Rohstoffpreise für unsere Verpackungen und Inhaltsstoffe deutlich gestiegen. Seit Mitte April ist das Produkt daher in einem handlichen 90 g Format erhältlich, bei unverändertem UVP.“
Die Handseife Beauty cream bar ist von 100 auf 90 Gramm geschrumpft. Versteckte Preiserhöhung: 11,1 Prozent. Hersteller Unilever erklärt dazu: „Auch wir werden von externen Faktoren beeinflusst. In den vergangenen Monaten sind weltweit die Rohstoffpreise für unsere Verpackungen und Inhaltsstoffe deutlich gestiegen. Seit Mitte April ist das Produkt daher in einem handlichen 90 g Format erhältlich, bei unverändertem UVP.“ © Verbraucherzentrale Hamburg
Die Tüte Lay’s Kartoffelchips Paprika enthält jetzt statt 175 nur noch 150 Gramm – bei unverändertem Preis. Sie ist damit knapp 17 Prozent teurer geworden. Das betrifft ebenso die Lay’s-Sorten Kräuterbutter, Salt & Vinegar, Sour Cream & Black Pepper, Gesalzen, Sour Cream & Onion, Smoked Bacon, Sweet Paprika. Erklärung des Herstellers PepsiCo Deutschland GmbH: gestiegene Rohstoffpreise.
Die Tüte Lay’s Kartoffelchips Paprika enthält jetzt statt 175 nur noch 150 Gramm – bei unverändertem Preis. Sie ist damit knapp 17 Prozent teurer geworden. Das betrifft ebenso die Lay’s-Sorten Kräuterbutter, Salt & Vinegar, Sour Cream & Black Pepper, Gesalzen, Sour Cream & Onion, Smoked Bacon, Sweet Paprika. Erklärung des Herstellers PepsiCo Deutschland GmbH: gestiegene Rohstoffpreise. © Verbraucherzentrale Hamburg
Die Lammsteaks der Marke Jack’s Farm von Aldi Nord und Aldi Süd hat die Verbraucherzentrale Hamburg zur Mogelpackung des Monats Juni 2022 gekürt. Statt 400 Gramm sind nur noch 300 drin – bei gleichem Preis. Die Aufmachung des Produkts hat sich kaum verändert. Versteckte Preiserhöhung: 33 Prozent. Aldi begründet das mit gestiegenen Marktpreisen und einer Verknappung der Ware.
Die Lammsteaks der Marke Jack’s Farm von Aldi Nord und Aldi Süd hat die Verbraucherzentrale Hamburg zur Mogelpackung des Monats Juni 2022 gekürt. Statt 400 Gramm sind nur noch 300 drin – bei gleichem Preis. Die Aufmachung des Produkts hat sich kaum verändert. Versteckte Preiserhöhung: 33 Prozent. Aldi begründet das mit gestiegenen Marktpreisen und einer Verknappung der Ware. © Verbraucherzentrale Hamburg

Dass der Einzelhandel stärker an den Preisen dreht, zeigt auch die deutlich gestiegene Anzahl an doppelten Preiserhöhungen auf der Mogelpackungsliste. Gemeint sind damit Produkte, bei denen nicht nur die Füllmenge reduziert, sondern zusätzlich der Preis vom Handel erhöht wurde. Betraf das in den letzten zwei Jahren durchschnittlich 18 Prozent der aufgenommenen Artikel, so sind es im ersten Halbjahr 2022 bereits rund 35 Prozent.

Ein Beispiel dafür ist Olivano’s Linsen-Bulgursalat Pikant von Netto Marken-Discount. Früher in einer 250-Gramm-Dose verkauft, sind seit Februar nur noch 200 Gramm Salat enthalten – die nun 99 statt 89 Cent kosten. Valet: „Die versteckte Preiserhöhung beträgt damit insgesamt 39 Prozent.“ Auf Anfrage der Verbraucherschützer weist Netto diesen Vorwurf zurück. Man habe die Kunden „transparent durch eine Anpassung der Grammaturangabe auf Verpackung sowie Preisschild informiert“. Der Verkaufspreis sei Ende März 2022 – bedingt durch die steigende Preisentwicklung – branchenkonform angepasst worden, was in keinem Zusammenhang mit der vorher erfolgten Grammaturumstellung stehe.

„Lange zeigten die Händler bei versteckten Preiserhöhungen mit dem Finger auf die Hersteller“, dazu Verbraucherschützer Valet, der Anbieter regelmäßig um Stellungnahmen zu verringerten Füllmengen bittet. „Doch was Verbraucher für ein Produkt bezahlen, dürfen laut Kartellrecht nur Supermärkte und Discounter festlegen.“ Hersteller könnten lediglich den Inhalt einer Packung verringern und eine unverbindliche Preisempfehlung geben. Die doppelte Preiserhöhung sei eine Win-win-Situation für beide – Lebensmittelindustrie und Einzelhandel.

Vor der Shrinkflation ist nicht mal mehr das Klopapier sicher. War es bisher beliebte Praxis, dass Hersteller die Anzahl der Blätter pro Rolle reduzierten, haben Kunden von Lidl jetzt einen besonderes dreisten Fall gemeldet. Bei der XXL-Aktionspackung Floralys Toilettenpapier blieb zwar die Blattzahl mit 200 Stück unverändert. Doch das einzelne Blatt ist im Vergleich zur Normalpackung von Floralys um etwa einen Zentimeter in der Höhe geschrumpft. Valet: „Das macht rund drei Meter weniger Papier – pro Rolle.“