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Aus für Haribo-Werk: Kretschmer vermittelt

Süßwarenhersteller Haribo will seinen einzigen Ost-Standort schließen. 150 Jobs fallen weg. Sachsens Regierung versucht, das Aus abzuwenden.

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Das Haribo-Werk an dem Standort Wilkau-Haßlau bei Zwickau mit 150 Arbeitsplätzen ist in seiner Existenz bedroht.
Das Haribo-Werk an dem Standort Wilkau-Haßlau bei Zwickau mit 150 Arbeitsplätzen ist in seiner Existenz bedroht. © Caroline Seidel/dpa

Von Claudia Drescher

Wilkau-Haßlau. Gerade einmal vier Minuten habe die Geschäftsführung gebraucht, um das Aus für die Goldbären aus Wilkau-Haßlau zu verkünden. "Wir waren alle fassungslos. Fragen wurden nicht beantwortet, dann ist der Chef direkt vom Hof gefahren", schilderte Betriebsratsvorsitzender Maik Pörschmann die Szene vom vergangenen Freitag gegenüber dpa. "Ich war ebenfalls sprachlos, wie man hier vollendete Tatsachen schafft oder besser schaffen will - denn wir werden das nicht einfach hinnehmen", ergänzte Stefan Feustel (CDU), Bürgermeister von Wilkau-Haßlau, am Donnerstag nach einem Gespräch mit lokalen Akteuren.

Inzwischen formiert sich breiter Widerstand: So hatte eine Online-Petition am Donnerstagmittag bereits mehr als 9.000 Unterstützer. Zudem liegen in der ganzen Stadt weitere Unterschriftenlisten aus. Man wolle weiter öffentlichkeitswirksam Druck machen, unter anderem mit einer Lichterkette um das Werk, so Pörschmann.

Neben den 150 Mitarbeitern und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) setzen sich inzwischen mehrere Bundestagsabgeordnete und auch der Freistaat für den Erhalt des einzigen ostdeutschen Haribo-Werks nahe Zwickau ein. Demnach habe Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits mit der Geschäftsführung des Süßwarenherstellers gesprochen. Als Nächstes wolle man auf die Eigentümerfamilie zugehen, sagte Feustel, demzufolge Kretschmer bei dem Treffen zugeschaltet gewesen sei. Der Regierungschef hält sich derzeit in häuslicher Quarantäne auf.

Stefan Feustel (CDU), Bürgermeister von Wilkau-Haßlau, hält ein Schild mit der Aufschrift "Haribo muss im Osten bleiben!".
Stefan Feustel (CDU), Bürgermeister von Wilkau-Haßlau, hält ein Schild mit der Aufschrift "Haribo muss im Osten bleiben!". © Sebastian Willnow/dpa

Zuvor hatte bereits Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) an Haribo appelliert, die Schließung des Standortes abzuwenden. Er habe dem Geschäftsführenden Gesellschafter Guido Riegel angeboten, gemeinsam Alternativen zur Schließung zu erörtern, hieß es. So könne der Freistaat in den Bereichen Innovation und Investition unterstützen.

"Es ist unverantwortlich, veraltete Anlagen, in die das Unternehmen jahrzehntelang kaum investiert hat, nun als Argument für eine Schließung zu nehmen", kritisiert die Linke-Bundestagsabgeordnete und DGB-Kreisvorsitzende Sabine Zimmermann. Haribo habe am Standort Wilkau-Haßlau zuletzt rund 27 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet - die Gewinne seien jedoch im Wesentlichen an den Stammsitz in Grafschaft abgeflossen. Zimmermann zufolge seien das 2018 rund 2,6 Millionen Euro gewesen. "Im Kern ist an den Maschinen seit der Wende nichts passiert", bestätigt Betriebsrat Pörschmann. Dennoch seien alle Anlagen am kleinsten der fünf Haribo-Standorte voll im Einsatz.

Werk nicht mehr wirtschaftlich?

Die Kleinstadt mit rund 10.000 Einwohnern hat eine mehr als 120-jährige Süßwarentradition. Haribo übernahm das Werk 1990. Das Familienunternehmen hat die angekündigte Schließung zum Jahresende nun damit begründet, dass das Werk nicht mehr wirtschaftlich sei und den Mitarbeitern sozialverträgliche Lösungen in Aussicht gestellt.

"Den Mitarbeitern anzubieten, 500 Kilometer weit weg in ein anderes Werk zu gehen, ist eine absolute Sauerei", sagte NGG-Gewerkschaftssekretär Thomas Lißner. Die Belegschaft arbeite wöchentlich eine Stunde länger als die Kollegen im Westen und das immer noch für weniger Geld. "Und das ist dann der Dank. Damit muss doch 30 Jahre nach der Wende endlich mal Schluss sein."

Laut Bürgermeister Stefan Feustel ist Haribo einer der letzten größeren Arbeitgeber in der Stadt. Auch für die Stadtkasse wäre das Aus ein herber Schlag: Etwa ein Drittel der Gewerbesteuereinnahmen von vier Millionen Euro zahlt der Goldbären-Produzent. (dpa)