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Welche Zukunft haben Einfamilienhäuser?

Einfamilienhäuser bauchen viel Platz und Ressourcen. Sie sind schlecht für die Umwelt, doch in Sachsen beliebt. Welche Alternativen es gibt.

Von Luisa Zenker
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Klimaschädlicher Luxus oder Traumhaus im Grünen? Wohngebiet einer Einfamilienhaus- Siedlung in Dresden-Klotzsche
Klimaschädlicher Luxus oder Traumhaus im Grünen? Wohngebiet einer Einfamilienhaus- Siedlung in Dresden-Klotzsche © Robert Grahn

Günstig Wohnen in der Stadt – darüber diskutiert die Bundesregierung am Dienstag. Konkret geht es um das Baulandmobilisierungsgesetz: Mietwohnungen sollen künftig nicht so leicht in Eigentum umgewandelt werden. Weil die Mieten in den letzten Jahren vielerorts explodierten, zogen zahlreiche Familien ins Umland. Diesen Trend zum Eigenheim kritisierte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zuletzt: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie führen zur Zersiedelung und damit auch zu noch mehr Verkehr.“

Sind die Grünen für ein Bauverbot von Eigenheimen?

Nein, Grünen-Parteichef Robert Habeck weist die Vorwürfe zurück. Er sagt, seine Partei wolle den Neubau von Einfamilienhäusern nicht pauschal verbieten. Ein Bauverbot entscheide ohnehin jede Kommune selbst. Die Sprecherin der sächsischen Grünen, Magdalena Elkmann, stellt ebenfalls klar: „Die eigenen vier Wände sind für viele Menschen wichtig – dazu gehört das Einfamilienhaus. Das wird es auch in Zukunft geben.“ Sie fordert dennoch über ressourcenschonendere Alternativen, die weniger Flächen verbrauchen, nachzudenken: „Ziel dabei muss es sein, dass alle Menschen guten und bezahlbaren Wohnraum finden.“

Schaden Einfamilienhäuser der Umwelt?

Ja, sagen die Forscher vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden: „Grundsätzlich sind Wohnformen in Einfamilienhäusern ressourcenintensiver als Wohnformen in Mehrfamilienhäusern“, erklärt Wissenschaftler Andreas Blum. Im Vergleich zum Mehrparteienhaus verbrauche ein Eigenheim ein Fünftel mehr Baumaterial, also Zement und der gehört zu den Klimasündern schlechthin: Die Zementherstellung ist global für fast jede zehnte Tonne CO2 verantwortlich.

Hinzu kommt die Fläche: Eigenheime brauchen viel Platz für wenige Personen, und der ist ohnehin begrenzt: „Jedes Jahr verliert Deutschland Grün- und Ackerland an zusätzliche Siedlungs- und Verkehrsflächen, die zusammen so groß sind wie Frankfurt am Main“, erklärt der Naturschutzbund (Nabu). Manfred Uhlemann, Hauptgeschäftsführer des sächsischen Landesbauernverbands, warnt ebenso vor einer Zersiedelung der Landschaft – nicht unbedingt durch den Eigenheimbau, sondern durch neue Straßen- oder Gewerbegebiete.

Was spricht für den Bau von Eigenheimen?

René Hobusch, Präsident vom Verband Haus und Grund Sachsen, glaubt an die nachhaltige Zukunft des Eigenheims: „Schon heute ist es möglich, Nullenergie-Häuser zu bauen und auf nachhaltige Baumaterialien auszuweichen.“ Hobusch vertritt 10.000 Wohnungseigentümer – ein Drittel davon Eigenheimbesitzer. Platz für die Familie und ein Garten – die vielen Freiheiten im eigenen Haus schätzt Hobusch selbst, um einer Flächenzersiedelung entgegenzuwirken, fordert er eine geschickte Förderpolitik im Wohnungsbau.

Welche Alternativen gibt es zum Bau von Einfamilienhäusern?

Lieber in der Stadt als auf der grünen Wiese bauen, raten die Forscher vom IÖR. Gerade Familien aus den Städten würden aufs Einparteienhaus im Umland ausweichen, weil es keine bezahlbaren und ausreichend großen Wohnungen in der Stadt gebe. Die Wissenschaftler setzen deshalb auf den Bau von Mehrfamilienhäusern in den Städten. Lieber weiternutzen als neu bauen, lautet ihre Devise. Auch Bündnis 90/Grüne, Linke und SPD fordern die Nachverdichtung in der Stadt. Dort fehlt es aber oft an Bauland.Wer trotzdem auf das Einfamilienhaus setzt, solle klein und nachhaltig bauen. „Das spart Rohstoffe und Flächen“, sagen die Forscher vom IÖR. Und wenn die Klimaziele umgesetzt werden, dann „kommt die Entwicklung zur Stadt der kurzen Wege und einem platzsparenden Wohnen auch ohne Einzelverbots-Debatten in Gang“, erklärt Professor Felix Ekardt, Vorsitzender des Umweltverbandes BUND Sachsen.

Wie viele Eigenheime entstehen derzeit in Sachsen?

In Sachsen gibt es laut Statistischem Landesamt fast 500.000 Einfamilienhäuser, das macht drei Prozent aller Eigenheime in ganz Deutschland aus. Das ist in Relation zur Bevölkerung nicht wenig, denn nur fünf Prozent der Deutschen leben in Sachsen.

Etwa 3.000 Einfamilienhäuser entstehen in Sachsen jedes Jahr, Tendenz steigend – insbesondere seit der Pandemie. Die meisten davon werden in Leipzig, Dresden sowie im Erzgebirgskreis und im Landkreis Nordsachsen errichtet. In Dresden wurden seit 1992 mehr als 12.000 neue Eigenheime gebaut – besonders viele in Loschwitz und Dresden-Cotta. Nach der Wende zog es die Städter ins Umland, dort wurden große Flächen für Einfamilienhausgebiete sowie Einkaufszentren ausgewiesen – zum Nachteil der Stadtkerne.

In den letzten fünf Jahren kamen jeweils 200 bis 300 Eigenheime hinzu, auch in Zukunft wird der Bau von Eigenheimen nicht stagnieren.

Das Stadtplanungsamt in Dresden prognostiziert, dass bis 2035 über 4.000 Einfamilienhäuser gebaut werden. Dennoch schreibt es, dass sich der Schwerpunkt des Baugeschehens auf das Mehrfamilienhaus verlagert hat. Das scheint sachsenweit nicht der Fall zu sein. Eine Auswertung vom Statistischen Landesamt verdeutlicht: 88 Prozent der errichteten Wohnungen im Jahr 2019 waren Einfamilienhäuser.

Wie stehen Sachsens Parteien zu einem Eigenheimverbot?

Die sächsischen Parteiverbände von SPD, Linke und CDU sprechen sich wie die Grünen gegen ein Bauverbot von Eigenheimen aus. Die SPD will vielmehr den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und den Leerstand im ländlichen Raum angehen. Die Linke streitet nicht ab, „dass ein vierstöckiges Mehrfamilienhaus pro Kopf in der Regel weniger Fläche in Anspruch nimmt, als ein Einfamilienhaus“. Dennoch sei das Eigenheim für viele Menschen das kleine Glück. Die CDU Leipzig denkt beim trauten Heim besonders an die Altersvorsorge. Die AfD äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu.