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Keine Bahnstreiks mehr, doch die Unruhe bleibt - ein Kommentar

Bahnfahrer atmen auf, keine Streiks mehr. Die GDL hat den Einstieg in die 35-Stundenwoche durchgesetzt. Die meisten Eisenbahner haben davon nichts. Ein Kommentar.

Von Michael Rothe
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Keine Streiks mehr, die Züge fahren - mehr oder weniger pünktlich.
Keine Streiks mehr, die Züge fahren - mehr oder weniger pünktlich. © dpa; SZ

Die GDL kann die Claus-Weselsky-Gedenkmedaille in Auftrag geben. Der scheidende Chef der Lokführergewerkschaft hat erreicht, was er und seine Gefolgschaft wollte: den Einstieg in die 35-Stundenwoche für Schichtarbeiter.

Es war ein Triumph mit Ansage. Zu groß der Druck auf die Deutsche Bahn: durch rund 30 solche Tarifabschlüsse mit privaten Konkurrenten, durch genervte Öffentlichkeit und Politik, durch dreistellige Millionenverluste wegen Streikausfällen, durch unnötige gerichtliche Niederlagen. Brauchte es einen Beweis für die Unfähigkeit der Bahnspitze auch auf diesem Gebiet, dann hat ihn dieser Konflikt geliefert. Sich der GDL-Kernforderung weil angeblich „unbezahlbar“ monatelang verweigern, dann mit Scheinangeboten und Verbalattacken aufwarten und auf Justitia hoffen, musste schiefgehen. Letztlich ging es bei der jetzt als "intelligenten Kompromiss" und "wegweisend" verkauften Lösung nur noch um Gesichtswahrung.

Natürlich ist Weselsky Interessenvertreter derer, die ihn zu ihrem Sprachrohr gewählt haben: neben Lokführern auch immer mehr Zugbegleiterinnen, Werkstattmitarbeiter und andere. Dass er seinen Job ernster nimmt als manch anderer Mandatsträger im Land, kann man ihm ebenso wenig vorwerfen, wie unsolidarisch zu sein.

Keine Streiks mehr heißt nicht, dass nun auch alle Züge fahren. Schon gar nicht pünktlich. Die Baustelle Bahn bleibt – wie die Unruhe im Konzern. Wie reagieren wohl die vom Abschluss nicht profitierenden 90 Prozent der DB-Belegschaft? Sie sind - wenn überhaupt - bei der mitgliederstärkeren EVG organisiert. Der GDL-Konkurrent hatte im vorigen Sommer zwar ein sattes Lohnplus erkämpft, über kürzere Arbeitszeit aber gar nicht erst verhandelt. Und ein Nachschlag ist vertraglich nicht geplant.

Weselsky kann es egal sein. Er geht im Herbst in Rente. Die Bahnbosse irren, wenn sie glauben, dass es dann für sie leichter wird. Mit Mario Reiß steht ein ebenso selbstbewusster Nachfolger bereit. Er weiß als Ex-Konzernaufsichtsrat, wie die Chefs ticken. Und auch er ist Sachse.