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Kohleausstieg: Waldbühne Jonsdorf erhält Geld für Ganzjahresbetrieb

Der Begleitausschuss gab an diesem Mittwoch grünes Licht für Strukturwandel-Projekte in der Lausitz. Darunter sind auch Vorhaben in Bernsdorf, Hoyerswerda, Weißwasser, Quatitz und Niesky.

Von Irmela Hennig
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Die Waldbühne Jonsdorf kann jetzt für einen fast ganzjährigen Betrieb ausgebaut werden.
Die Waldbühne Jonsdorf kann jetzt für einen fast ganzjährigen Betrieb ausgebaut werden. ©  SZ-Montage

Die Nummer 100086 hat es in sich – zumindest für Jonsdorf im Zittauer Gebirge und für das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau. Denn darin steckt grünes Licht für eine Investition, die geplant knapp 9,85 Millionen Euro kosten wird. Damit soll die Waldbühne, bislang die Sommerspielstätte des Theaters, umgebaut und erweitert werden. Danach könne man sie künftig zum Beispiel bis in den Winter hinein nutzen und nicht nur in den Schönwettermonaten, heißt es zur Begründung. Gastronomie, mehr Sitze, Barrierefreiheit, Aufenthaltsräume für Künstler – all das steckt im Projekt, das nun vielleicht tatsächlich umgesetzt werden kann.

Ein großer Teil des benötigten Geldes soll der Bund bereitstellen. „Investitionsgesetz Kohleausstieg“, heißt das entsprechende Förderprogramm. Es soll helfen, die Folgen des Abschieds von der Braunkohlenutzung in den drei noch aktiven deutschen Revieren zu mildern. Auch die Lausitz profitiert. Und möglicherweise nun auch Jonsdorf. Wenn alle Instanzen des Bundes und die Sächsische Aufbaubank zustimmen, ist irgendwann Baustart. Eine erste Hürde hat das Vorhaben genommen. Der Regionale Begleitausschuss für das Lausitzer Revier in Sachsen, der bei vielen Projekten mitentscheidet, gab am Mittwoch auf seiner regulären Sitzung sein Okay.

Kritik am Geld für die Hüttermühle in Radeberg

Das erhielten noch zehn weitere Vorhaben. Zusammen haben sie ein Volumen von 80,6 Millionen Euro. 63,7 Millionen davon fließen voraussichtlich aus dem Kohleausstiegsprogramm. Nicht bei allen Projekten habe Einigkeit geherrscht. Das räumte Romy Reinisch ein, Beigeordnete des Landkreises Bautzen und derzeit Ausschuss-Vorsitzende. Jonsdorf, aber auch die touristische Entwicklung der Hüttermühle in Radeberg, sorgten für Debatten. Für die Hüttermühle – ein leerstehendes Ausflugslokal - soll es über 8,5 Millionen Euro geben, um dort unter anderem ein Café und Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Solche Projekte fernab der „Kohle-Kernzone“, wie manche sagen, stoßen seit Beginn der Geldverteilung auf Gegenwind.

Der Görlitzer Landrat Stephan Meyer bestätigte, dass andere Maßnahmen, die „existenzsichernd sind oder zur Daseinsfürsorge gehören“, deutlicheren Zuspruch erfahren haben. Darunter fallen die Erweiterung des Industrieparks in Straßgräbchen im Landkreis Bautzen für reichlich 19 Millionen Euro oder auch der Aufbau eines Trinkwasserverbundsystems durch die Versorgungsbetriebe Hoyerswerda für über 8,6 Millionen Euro. Doch der Bund als Geldgeber hat jeweils die gesamten Landkreise als Fördergebiete ausgewiesen, in denen die noch aktiven Kohlereviere liegen.

Landesprojekte kommen teilweise nicht voran

Dabei geht es nach wie vor darum, das Geld des ersten Förderzeitraums wirklich fristgerecht auszugeben und abzurechnen. Der Bund hat da enge zeitliche Vorgaben gemacht und weiche bislang nicht davon ab. Was nicht bis 31. Dezember 2026 entsprechend verbraucht ist, fließt an den Bund zurück. Doch alles rechtzeitig zu stemmen, erweist sich nach SZ-Recherchen zunehmend als schwierig. Auch, weil viel Geld in Landesprojekten gebunden sei. Nach Angaben aus dem Begleitausschuss sind es 19, der Sächsischen Zeitung liegt eine Tabelle vor, in der sogar 21 Landesprojekte erfasst sind. Die kommen teilweise nicht voran. „Da müsste es jetzt aber langsam losgehen, damit sie bis Ende 2026 abgeschlossen sind“, mahnte Romy Reinisch. Ein Beispiel sei der Umzug der sächsischen Landesuntersuchungsanstalt nach Bischofswerda, verbunden mit einem Neubau. Auf der entsprechenden Fläche sei aber noch immer grüne Wiese, so Reinisch. Bis Mitte 2024 wolle man dem Land Zeit geben, da voranzukommen. Was der Begleitausschuss tut, wenn sich nichts tut, ließen die Vertreter offen. „Wir sind uns mit dem Freistaat aber einig, dass keine Mittel verloren gehen sollen“, so Stephan Meyer. Romy Reinisch hinterfragte, dass stellenweise ein Ministerium selbst für die Umsetzung eines Projekts zuständig sei. Das aber habe andere Aufgaben. „Es hätten eher nachgeordnete Gesellschaften übernehmen müssen.“ Die Ausschussvertreter waren aber überzeugt, dass auf kommunaler Ebene nun tatsächlich einiges anlaufe und erste Projekte wirklich sichtbar werden.

Ein Beispiel ist das Lausitzbad Hoyerswerda. Das wird gerade für über 24 Millionen Euro saniert und umgebaut. Auch dafür gibt es Mittel aus dem „Kohle-Topf“. Nach einer kurzen kompletten Schließung können Schwimmfans hier bereits wieder ihre Bahnen ziehen - das 25-Meter-Becken kann seit Mitte Oktober genutzt werden. Zuvor waren dort die Fliesen ausgetauscht worden. Ein kleiner Baustein im großen Projekt - ansonsten ist das Bad noch eine Baustelle. Beim zuständigen Sächsischen Ministeriums für Strukturentwicklung ist das Bad-Projekt mit dem Vermerk „teil bzw. voll ausgezahlt“ versehen. So wie zwölf weitere Vorhaben im Kreis Bautzen, 16 im Görlitzer Kreis und zehn des Landes.

Deutlich kürzer ist die Liste mit der Kennzeichnung „abgeschlossen“. Zuletzt stand darauf genau eine Maßnahme – eine Machbarkeitsstudie für „InnoCarbEnergy“. Zusammen mit Partnern baut die Technische Universität Chemnitz in Boxberg ein Forschungszentrum für „grüne“ Carbonfasern auf. Knapp 270.000 Euro Fördermittel dafür, also für die Studie, sind schon mal abgerechnet, geprüft und damit sicher durch. Der genaue Blick der Geldgeber auf die gesetzeskonforme Verwendung der Mittel läuft derzeit für zwei weitere Projekte.

Immerhin bewilligt – und zwar auch vom Bund – sind 61 Projekte. 54 haben den Status „offen“. Hinzu kommen die elf nun vom Ausschuss bestätigten Vorhaben. Neben den schon genannten, geht es um eine Zukunftsstation in Weißwasser für knapp 4,9 Millionen Euro – als Ort zum außerschulischen Lernen. Außerdem gibt es rund zehn Millionen Euro für zwei Trinkwasser-Vorhaben im Raum Kamenz und Lauta. In Großhennersdorf soll ein ehemaliger Gutspeicher umgebaut werden und die Umweltbibliothek dort Platz finden; das kostet 1,5 Millionen Euro. Für den derzeit ungenutzten Nieskyer Bahnhof könnte es knapp 3,8 Millionen Euro geben. In Bernsdorf bei Kamenz soll eine Art Glaszentrum für knapp zehn Millionen Euro entstehen. Und im Großdubrauer Ortsteil Quatitz ist eine Kita mit drei Integrationsplätzen angedacht – für über 4,5 Millionen Euro. Ein zwölftes Vorhaben, ein Radweg zwischen Großpostwitz und Halbendorf/Gebirge im Landkreis Bautzen wurde zurückgestellt und soll noch näher qualifiziert werden, hieß es.

Bis Ende 2026 müssen die ersten 946 Millionen Euro für die Oberlausitz ausgegeben und komplett abgerechnet sein. Beim Ministerium für Strukturentwicklung ist man auf Nachfrage zuversichtlich, dass dies gelingt. Trotz Inflation, fehlender Projektplaner, Handwerker und mitunter langer Warterei auf Genehmigungen und Baumaterial. Auch das ist ein Grund, warum der Begleitausschuss wie jetzt im November regelmäßig neue, und teils auch kleine Projekte bewilligt. Und dies, obwohl das Budget mit bereits bestätigten Vorhaben im Volumen von 1,073 Milliarden Euro schon mehr als ausgeschöpft ist. Theoretisch zumindest. Doch erste Maßnahmen wurden schon verschoben auf die Zeit nach 2026. Für andere wird das diskutiert.

Bis 2038 stellt der Bund der Oberlausitz in Tranchen insgesamt 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere 374,4 Millionen Euro kommen von der Europäischen Union aus dem Just Transition Fund, dem Fonds für eine gerechte Transformation.