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Ach du dickes Ei: Osterbasteln beim Strauß

Bei Straußenfarmer Jochen Schumacher in Helmsdorf boomt die Eiernachfrage. Mit etwas Geschick werden die Schalen zum Schmuckstück.

Von Jörg Stock
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Wertvolle Fundstücke: Jochen Schumacher hat auf seiner Straußenweide bei Stolpen wieder ein paar Eier entdeckt. Für die ostertypische Nachfrage reichen sie aber nie.
Wertvolle Fundstücke: Jochen Schumacher hat auf seiner Straußenweide bei Stolpen wieder ein paar Eier entdeckt. Für die ostertypische Nachfrage reichen sie aber nie. © Steffen Unger

Jochen Schumacher steht mit Karohemd und Strubbelfrisur im Hofladen und telefoniert. Es ist der vierte Anruf in zehn Minuten, den er mit Interessenten für ein Straußenei führt. Für heute sind sie alle. Wann es neue gibt? "Ich kann nichts garantieren", sagt er in den Hörer. "Kommt drauf an, wie sie die nächsten Tage legen." Bestellungen? Nimmt er keine an. Am besten morgen gegen halb elf wieder anrufen. "Dann kann ich mehr sagen."

Jedes Jahr ist es dasselbe, erzählt der Straußenfarmer Jochen Schumacher. Sobald Ostern kommt, steht das Telefon nicht mehr still. Als Mann mit dem größten Vogel, wie er sich gern mal vorstellt, hat er auch die dicksten Eier. Und darauf fliegen die Leute zu dieser Jahreszeit. Janine Golla, Schumachers Freundin, beobachtet, dass vor allem Frauen ihren Männern so ein dickes Ei schenken wollen. "Was immer das bedeuten mag."

Keine Eierlegemaschinen: Straußenhennen wie die in Helmsdorf schaffen in der Saison, die etwa von März bis August reicht, vierzig bis fünfzig Eier.
Keine Eierlegemaschinen: Straußenhennen wie die in Helmsdorf schaffen in der Saison, die etwa von März bis August reicht, vierzig bis fünfzig Eier. © Steffen Unger

Die Straußenfarm von Jochen Schumacher und Janine Golla liegt im Schatten der Stolpener Burg, in Helmsdorf. Auf den Weiden des Betriebs, den der gelernte Diplom-Kaufmann Schumacher seit 2016 hier führt, leben etwa 170 der imposanten Laufvögel. Damit ist es die größte und, nach Annahme des Veterinäramts, auch einzige Straußenhaltung im Landkreis, die ein wirtschaftliches Interesse hat. Abgesehen davon seien nur drei weitere, wohl hobbymäßige, Straußenhaltungen bekannt.

Rührei für eine halbe Fußballmannschaft

Für den hofeigenen Laden liefern die Helmsdorfer Strauße Steaks und Gulasch, Bratwürste und Schinken, Lederwaren und Seifen, Staubwedel und Likör. Und natürlich Eier, deren Absatz praktisch garantiert ist, nicht nur zu Ostern. "Eier gehen immer", sagt Janine. Allein durch die schiere Größe ist das Straußen-Ei ein originelles Geschenk. Der Rekord in Helmsdorf liegt bei knapp 2,4 Kilo das Stück. Ein reguläres Exemplar bringt es immer noch auf 1,6 bis 1,7 Kilo.

Im Hofladen der Helmsdorfer Farm gibt es nicht nur Fleisch und Wurst vom Strauß, sondern auch allerlei drumherum, etwa diesen Eierlikör.
Im Hofladen der Helmsdorfer Farm gibt es nicht nur Fleisch und Wurst vom Strauß, sondern auch allerlei drumherum, etwa diesen Eierlikör. © Steffen Unger

Im durchschnittlich großen Helmsdorfer Straußen-Ei stecken umgerechnet 26 bis 28 Hühnereier. Um es wachsweich zu kochen, sollte man eine knappe Stunde einplanen. Wer Rührei oder Omelett daraus machen möchte, lädt sich am besten eine halbe Fußballmannschaft zum Essen ein. Aber wie kriegt man ein Straußen-Ei überhaupt geöffnet?

Vor dem Auspusten kommt die Bohrmaschine

Jochen Schumacher nimmt als erstes eine lichtstarke Taschenlampe zur Hand. Damit durchleuchtet er die Schale um festzustellen, an welchem Pol des Eis die Luftkammer liegt. Dort setzt er die Bohrmaschine an, mit einem dreier oder vierer Holzbohrer. Ist das Loch geglückt, wird mit dem Achter oder Zehner nachgebohrt und diese Öffnung dann mit einem Fräser auf zwei, drei Zentimeter erweitert. Nun das kurze Ende eines Gelenk-Strohhalms hineingeschoben und kräftig gepustet - schon läuft der Ei-Inhalt in den Topf.

Ausgeblasene Straußeneier, das Stück zu 15 Euro. Zum Entfernen des Inhalts benutzt man am besten eine Bohrmaschine sowie einen Knickstrohhalm.
Ausgeblasene Straußeneier, das Stück zu 15 Euro. Zum Entfernen des Inhalts benutzt man am besten eine Bohrmaschine sowie einen Knickstrohhalm. © Steffen Unger

Die Prozedur ist umständlich. Aber mit etwas Übung geht es schnell, sagt Janine Golla. Jochen hat es auch mal mit dem Kompressor probiert, sagt sie lachend. "Das war keine gute Idee." Die Legezeit der Strauße geht gerade richtig los. Die Farmer essen die Eier aber eher selten. Warum sind dann so wenige zum Verkaufen da?

Kostbare Eier: Brutschrank statt Bratpfanne

Strauße sind keine Legemaschinen. Eine Henne schafft bis zum Ende der Saison im Hochsommer vierzig, fünfzig Eier. Davon muss sich der Bestand erst einmal selbst regenerieren. Etwa achtzig Prozent der Eier kommen in den Brutschrank, damit hoffentlich Küken daraus schlüpfen. Nicht aus jedem Ei kommt Nachwuchs. Statistisch braucht man zwei bis zweieinhalb Eier für ein ganzes Küken.

Viele Wege führen zum verzierten Straußen-Ei. Durch den massiven Einsatz von Strasssteinen sind etwa diese "Glitter-Eier" entstanden.
Viele Wege führen zum verzierten Straußen-Ei. Durch den massiven Einsatz von Strasssteinen sind etwa diese "Glitter-Eier" entstanden. © Steffen Unger

Verluste gibt es aber schon vor dem Ausbrüten. Durch Nesträuber, oder, wie es Janine Golla sagt, durch Spaziergänger, die keine Schilder lesen können. Es kommt immer wieder vor, dass sich Neugierige trotz Verbots den Gehegen nähern und die Strauße aufschrecken. Im Trubel wird dann auch mal ein Gelege zertrampelt.

Die Eier sind also kostbar. Die Küken erst recht. Ab und zu liefert der Helmsdorfer Hof einige davon an andere Betriebe. So ein kleiner Vogel kann hundert oder hundertzwanzig Euro einbringen, sagt Jochen Schumacher. Ein Speise-Ei gibt er zurzeit für 25 Euro ab. Klar, dass er lieber den Mini-Strauß verkauft. "Sonst schieße ich mir in den Fuß."

"Eigentlich kinderleicht." Janine Golla demonstriert, wie man einen Vogel samt Hagebuttenstrauch per Serviettentechnik auf ein Straußen-Ei versetzt.
"Eigentlich kinderleicht." Janine Golla demonstriert, wie man einen Vogel samt Hagebuttenstrauch per Serviettentechnik auf ein Straußen-Ei versetzt. © Steffen Unger

Wer aber kein volles Ei braucht, dem bietet der Hofladen porzellanartig schimmernde, leere Eihüllen an. Sie zu verzieren ist Janine Gollas Variante des Stressabbaus. Dann stellt sie mit dem Mini-Schleifer Eierlampenschirme her oder klebt in stundenlanger Friemelei so lange Strasssteine auf die Eihaut, bis daraus ein "Glitter-Ei" geworden ist, das sie liebevoll auch Tussi-Ei nennt.

Basteln? Das will ich auch. Aber wie? Janine empfiehlt die Serviettentechnik. Kinderleicht und effektvoll. Zuerst ein Ei auswählen, dann die Serviette. Es gibt Blätter, Schmetterlingen, natürlich Hasen. Ich nehme mal den Dompfaff im Hagebuttenbusch. Ja, der verkauft sich auch am besten, pflichtet die Chefin bei, und demonstriert, wie es weiter geht.

Osterhase auf Straußen-Ei: Wenn das Serviettenbild auf die Ei-Oberfläche aufgepinselt und getrocknet ist, wird das Ganze noch lackiert.
Osterhase auf Straußen-Ei: Wenn das Serviettenbild auf die Ei-Oberfläche aufgepinselt und getrocknet ist, wird das Ganze noch lackiert. © Steffen Unger

Das Motiv wird ausgerissen. So entstehen unregelmäßig geformte Ränder, die später auf dem Ei fast unsichtbar werden. Wichtig: das Bild möglichst feingliedrig heraustrennen. So liegt später alles gut auf der gewölbten Oberfläche des Eis an und wirft weniger Falten. Nun die hauchdünne bedruckte Schicht der Serviette vom Unterbau lösen, diese mit einem Klecks Bastelkleber auf dem Ei fixieren und dann mit dem Kleisterpinsel alles von innen nach außen sachte glatt streichen.

Nach einer halben Stunde hockt der Dompfaff fest fixiert auf dem Ei, geschmückt mit einigen Strasssteinchen. Vielleicht ein paar zu viel, findet Janine Golla. Im Großen und Ganzen ist sie zufrieden. Manche Leute, die hier leere Eier kaufen, kommen später mit Fotos ihrer Werke wieder, die, das gibt sie neidlos zu, manchmal "ein ganzes Stück geiler" aussehen, als ihre eigenen. "Das macht Spaß." Und spornt an. Das Ei ist so groß, da passen locker noch ein paar Hagebutten extra drauf. Und auf die Rückseite, so viel Zeit muss sein, kommt der Osterhase.

Der Hofladen auf der Straußenfarm, Ziegeleistraße 4, in Stolpen/Helmsdorf, ist Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr geöffnet. Tel. 0176 43912083