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IG Metall will Tarifverträge für neue Chipfabriken in Dresden

Die Gewerkschaft gründet auf der ersten Halbleiterkonferenz ein Branchennetzwerk, um die Interessen der Beschäftigten besser durchzusetzen.

Von Nora Miethke
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In Dresden findet erstmals eine Halbleiterkonferenz auf Einladung der IG Metall statt.
In Dresden findet erstmals eine Halbleiterkonferenz auf Einladung der IG Metall statt. © Sebastian Schultz (Symbolbild)

Bei Infineon in Regensburg hat die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) vor 25 Jahren einen Tarifvertrag durchgesetzt. Noch länger ist das Unternehmen auch in Sachsen aktiv. Der Fertigungsstandort Infineon Dresden wurde 1994 gegründet, damals noch als Teil von Siemens. Heute arbeiten dort etwa 3.300 Beschäftigte – ohne Tarifvertrag.

Infineon sähe bislang keinen Bedarf dafür, da die Gehälter in Dresden nahe am Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie dran seien, sagt Stefan Ehly, erster Bevollmächtigter der IG Metall für Dresden und Riesa. Doch das reiche nicht, denn es gäbe Abweichungen bei der Arbeitszeit und es fehle ein Eingruppierungssystem für die Vergütung, so Ehly. Der Gewerkschafter glaubt, dass sich Infineon diese Einstellung nicht mehr lange erlauben könne und sich „früher oder später“ für die Tarifbindung am Dresdner Standort entscheiden werden. „Infineon muss 1.000 neue Arbeitsplätze im zweiten Werk besetzen und aufgrund von Fluktuation und Demografie noch viel mehr. Da ist der Tarifvertrag das schlagende Werbeargument, um an Fachkräfte zu kommen“, sagte Ehly am Mittwoch auf der ersten Halbleiterkonferenz der IG Metall in Dresden.

Gemeinsam mit der Spitze der Gewerkschaft hat er nach Sachsen eingeladen, um an Europas größtem Mikroelektronikstandort, dem Silicon Saxony, darüber zu diskutieren, wie die Milliardenförderung der Bundesregierung für neue Chipfabriken auch zu guten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in diesen Fabs beitragen kann. Rund 100 Betriebsräte aus 16 Halbleiterunternehmen bundesweit kamen, auch um in Dresden ein Branchennetzwerk zu gründen mit dem Ziel, die Interessen der Arbeitnehmenden künftig gemeinsam besser zu vertreten. „Aus den Milliarden dürfen keine Milliardäre werden“, so Ehly in seiner Begrüßung. Wenn man gute Arbeit und Tarifbindung einfordere, werde man oft als Miesepeter wahrgenommen. „Wir sind keine Miesepeter, sondern jene, die die harten Standortfaktoren aussprechen“, auf die es ankommt im Wettbewerb um Talente. Und das sind zunehmend mehr flexible Arbeitszeitmodelle als die Höhe des Gehalts.

„Man muss sich auf Verhandlungen zur Vier-Tage-Woche einlassen, wenn das gefordert wird. Wir müssen dafür intelligente Lösungen finden“, betonte die IG-Metall-Bundesvorsitzende Christiane Benner. Sie konterte damit auf Michael Kretschmer, der als Podiumsgast wiederholt seine Position vertreten hat, dass sich Deutschland aus Wettbewerbsgründen eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit und damit des Arbeitsvolumens nicht leisten könne. Wenn sich die Gewerkschaft als Tarifpartnerin für eine Absenkung einsetze, sei das ihre Priorität und legitim, aber die Bundespolitik dürfe nicht durch immer wieder neue Gesetze zur Arbeitszeitregulierung eingreifen, kritisierte Kretschmer.

Benner betonte, dass die Gewerkschaft voll hinter den Milliarden-Subventionen für die Ansiedlungen von TSMC in Dresden, Intel in Magdeburg oder Wolfsspeed in Saarlouis stehe. Die Mikroelektronik sei eine Schlüsselindustrie, die notwendig ist, um den Industriestandort Deutschland insgesamt zu erhalten und um die ökologische wie digitale Transformation zu bewältigen. „Aber in dieser Zukunftsbranche müssen auch die Arbeitsbedingungen stimmen: Tarifbindung, Tarifverträge und Mitbestimmung durch Betriebsräte“, forderte die Gewerkschafterin. Die IG Metall erwarte nicht, bei jeder Neuansiedlung den fertigen Tarifvertrag vorgelegt zu bekommen. Den würde sie schon selbst erkämpfen. Aber sie erwarte ein Grundverständnis dafür, dass Steuergelder für die Förderung von Industrieansiedlungen verbunden werden mit Beschäftigungssicherung und den Einstieg in Tarifverhandlungen. „Ich bin da ganz undogmatisch. Aber was nicht geht, ist so etwas, was bei Tesla passiert ist“, so Benner. Man könne nicht einem Unternehmen den roten Teppich ausrollen, das sich nicht an die Spielregeln in unserem Land halten wolle. Die Industriegewerkschaften Metall und Chemie (IG BCE) werben beide um die Beschäftigten in der Mikroelektronik, um Mitgliederverluste in der Automobilindustrie und der Braunkohlewirtschaft ausgleichen zu können. Konkurrenz sieht Benner nicht, obwohl beide Gewerkschaften für sich beanspruchen, die Halbleitergewerkschaft zu sein.

„Das ist doch gut, wenn die IG BCE Globalfoundries tarifiert hat“, so Benner. Die Chemie-Gewerkschaft hat mit dem US-Chiphersteller vor einem Jahr einen Tarifvertrag abgeschlossen. Auch X-Fab in Dresden und Siltronic in Freiberg seien tarifgebunden, wies die IG BCE im Vorfeld der Halbleiterkonferenz per Pressemitteilung hin. Die Chemiegewerkschaft lädt darin gemeinsam mit Globalfoundries und X-Fab zu einem "parlamentarischen Frühstück" im Juni in Berlin ein.

Die IG Metall war dagegen in Sachsen bislang noch nicht so erfolgreich. Mit Bosch würden Tarifverhandlungen für das Dresdner Chipwerk laufen und bei Infineon wird auf ein Umdenken gehofft.