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Chipindustrie verbraucht Hälfte des Wassers in Dresden

Weltweit entstehen immer mehr Halbleiterwerke - auch in Sachsen. Doch CO₂-Ausstoß und Ressourcenverbrauch der Fabriken sind enorm.

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Der Chip-Boom hat seinen Preis: Denn die Halbleiterindustrie gehört zu den großen Umweltverschmutzern.
Der Chip-Boom hat seinen Preis: Denn die Halbleiterindustrie gehört zu den großen Umweltverschmutzern. © Symbolfoto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Von Joachim Hofer

Die Industrie braucht weltweit dringend mehr Halbleiter – und die Hersteller sind nur allzu gern bereit, sie zu liefern. Zumal sie für ihre neuen Fabriken sehr hohe Subventionen kassieren. Gerade erst hat der US-Konzern Micron angekündigt, für knapp vier Milliarden Dollar ein Werk in Japan zu errichten.

Insgesamt nehmen zwischen 2021 und 2024 rund um den Globus knapp 80 neue Werke den Betrieb auf, so der Lieferkettenspezialist Everstream. Die Fabriken chinesischer Konzerne sind dabei mangels verlässlicher Angaben noch nicht einmal mit eingerechnet.

Der Boom hat allerdings seinen Preis: Denn die Chipindustrie gehört zu den großen Umweltverschmutzern. Die Branche stößt weltweit im Jahr so viel klimaschädliche Treibhausgase aus wie die Hälfte der US-Haushalte, schätzt die Beratungsgesellschaft BCG.

Besonders kritisch sind die derzeit im Bau befindlichen, bis zu zehn Milliarden Dollar teuren Standorte für die fortschrittlichsten Fertigungsverfahren. „Je kleiner die Strukturgrößen werden, umso komplexer die Produktionsprozesse – und umso größer die Umweltbelastung“, warnt BCG-Experte Jan-Hinnerk Mohr.

Zum Vergleich: Die derzeit in der Entwicklung befindliche Zwei-Nanometer-Technologie wird BCG zufolge 946 Kilogramm CO₂-Emissionen je Produktionseinheit verursachen. Bei dem seit vielen Jahren etablierten Verfahren mit 28 Nanometern sind es lediglich 302 Kilogramm. Ein Nanometer ist in etwa so groß wie ein Fingernagel pro Sekunde wächst.

Apple bringt die Chipbranche in Zugzwang

BCG schätzt, dass der CO₂-Ausstoß der Branche insgesamt vergangenes Jahr auf 171 Megatonnen geklettert ist, gut ein Viertel mehr als 2018. Für die Chipkonzerne wird das zu einer immer größeren Bürde. Denn die Kunden machen Druck.

„Wir wollen bis 2030 klimaneutral werden, und zwar über unsere gesamte Lieferkette hinweg“, sagte Cathy Kearney, Europachefin von Apple, kürzlich. Weiter-so ist also keine Option für die Halbleiterproduzenten. „2030 ist nicht mehr so weit entfernt“, mahnt die Managerin.

Apple hat ein besonderes Gewicht für die Chiphersteller: Der iPhone-Konzern ist der mit Abstand größte Abnehmer weltweit. Mehr als zehn Prozent vom Umsatz erzielt die Branche allein mit den Kaliforniern. Doch auch andere Kunden würden die Halbleiterindustrie dazu drängen, nachhaltiger zu werden, betont BCG-Berater Mohr: „Viele Abnehmerindustrien verfolgen das mit Nachdruck.“

Chipfertigung nicht nur ein Stromfresser

Die Chips selbst entstehen zwar in Reinräumen, die ein Vielfaches sauberer sind als Operationssäle. Allein die Luft zu filtern kostet aber enorm viel Energie. Dazu kommt, dass die Produktionsprozesse oft extrem hohe Temperaturen erfordern und damit wahre Stromfresser sind.

Das ist noch nicht alles: „Viele der Gase, die von der Chipindustrie eingesetzt werden, sind extrem schädlich fürs Klima“, erklärt Experte Mohr. Die Konzerne setzen zudem Metalle wie Gold, Aluminium und Kupfer ein, dazu kommen viele Chemikalien.

Und auch das Ausgangsmaterial für die Scheiben, auf denen die Chips entstehen, ist aufwendig herzustellen. Das am weitesten verbreitete Silizium besitzt einen Schmelzpunkt von ungefähr 1.400 Grad, bei dem für die Elektromobilität wichtigen Siliziumkarbid sind es mehr als 2.000 Grad.

Werke schlucken Hälfte des Dresdner Wasserverbrauchs

Und noch etwas benötigen die Hersteller: Wasser, und zwar in enormen Mengen „Die Wasserversorgung ist ein riesiges Problem“, sagt Alan Priestley vom Marktforscher Gartner.

Die drei großen Halbleiterproduzenten in Dresden, also Bosch, Globalfoundries und Infineon, verbrauchen knapp die Hälfte des Wassers der gesamten Stadt. Nirgendwo sonst in Europa finden sich auf so kleinem Raum so viele Chipwerke wie in der sächsischen Landeshauptstadt.

Stadt und Freistaat fällt es aber nicht leicht, den Anforderungen der Branche gerecht zu werden. Die Investitionen in die Infrastruktur seien „extrem herausfordernd“, meint Oliver Schenk, Chef der Staatskanzlei.

Trockene Sommer wie vergangenes Jahr sind ein Horror für die Chipfirmen in Dresden. Wochenlang fiel kaum ein Tropfen Regen vom Himmel, die Elbe glich zeitweise eher einem Rinnsal als einem stolzen, europäischen Strom. Trotzdem hat der Dax-Konzern Infineon gerade mit dem Bau einer fünf Milliarden Euro teuren neuen Fabrik in Dresden begonnen. Künftig will das Unternehmen allerdings einen großen Teil des Wassers wiederaufbereiten.

Stillstand könnte die Weltwirtschaft lahmlegen

Noch schlimmer war es 2022 in Taiwan. In seinem Heimatland musste TSMC das Wasser mit Tankwagen herankarren, um die Produktion am Laufen zu halten. Ein Stillstand bei dem Konzern könnte schnell die Weltwirtschaft lahmlegen. TSMC ist der mit Abstand führende Auftragsfertiger der Chipindustrie, von Apple bis Qualcomm nutzen fast alle großen Halbleiteranbieter die Kapazitäten.

Den Wasserverbrauch zu senken hat daher oberste Priorität bei TSMC. Schließlich errichtet das Unternehmen auch seinen ersten Standort in den USA gerade im eher trockenen Bundesstaat Arizona.

Am Beispiel TSMC zeigt sich das große Dilemma der Branche. Weil der Konzern stürmisch wächst, verbraucht er trotz aller Sparanstrengungen auf absehbare Zeit jedes Jahr mehr Ressourcen. So will TSMC dieses Jahr erneut 36 Milliarden Dollar in neue Werke stecken, genauso viel wie schon 2022. Daher werde es bis 2030 dauern, um bei den klimaschädlichen Emissionen wieder auf das Niveau von 2020 zu kommen, erklärt Cliff Hou, der Vertriebschef für Europa und Asien.

Auch Zulieferer verbrauchen Ressourcen

Die Chipindustrie hat aber noch ein Problem: Die Hersteller wissen zwar, wie viele Ressourcen sie selbst verbrauchen und welchen Umwelteinfluss das hat. Aber wie sieht es bei den Zulieferern aus? „Die Lieferkette ist extrem lang und komplex. Das macht es schwierig für die Chipfirmen, die nötigen Daten zu bekommen“, sagt Berater Mohr.

Beispiel Intel: Der US-Konzern schätzt die Zahl seiner direkten Zulieferer auf rund 9000 Firmen aus 85 Ländern. Die Firma aus dem Silicon Valley ist gerade dabei, sich mit zwei Werken in Magdeburg niederzulassen. In seinen eigenen Standorten hat Intel Firmenangaben zufolge vergangenes Jahr zu 93 Prozent Ökostrom verwendet.

TSMC versucht derweil, seine Lieferanten einzubinden. Das Unternehmen hat gerade einen über 20 Jahre laufenden Vertrag mit einem Solarstromanbieter in Taiwan abgeschlossen. Damit will TSMC nicht nur die eigenen Werke, sondern auch die von Zulieferern versorgen.

TSMC und seine Lieferanten können auf eine Strommenge zurückgreifen, die für jährlich 250.000 Haushalte ausreicht. Die Firma möchte damit nicht nur selbst umweltfreundlicher wirtschaften, sondern gleichzeitig den Zulieferern einen einfachen Zugang zu grüner Energie verschaffen.

Neue Chipwerke verhindern und alte abschalten sei bei aller Umweltverschmutzung allerdings keine gute Idee, meint Berater Mohr: „Die Halbleiterindustrie ermöglicht es anderen Branchen, den Energieverbrauch zu senken. In Summe ist das positiv fürs Klima.“