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Chipgigant TSMC steht vor Milliarden-Entscheidung für Dresden

Der taiwanische Konzern TSMC will mit einem Werk in Sachsen näher an Europa heranrücken. Sieben Milliarden Euro Investment stehen im Raum - und eine Entscheidung könnte bald fallen.

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Neben Infineon könnte es bald noch einen großen Chiphersteller in Sachsen geben - den taiwanischen Chipkonzern TSMC.
Neben Infineon könnte es bald noch einen großen Chiphersteller in Sachsen geben - den taiwanischen Chipkonzern TSMC. © Archivfoto: dpa/Robert Michael

Von Joachim Hofer

Dresden. Der Chipauftragsfertiger TSMC steht kurz davor, sich in Dresden anzusiedeln. „Ziel ist es, näher an unsere Kunden heranzurücken“, sagte Vorstand Kevin Zhang an diesem Dienstag in Amsterdam zu Journalisten.

Der taiwanische Chipkonzern sei gerade dabei, die Milliardeninvestition durchzurechnen. Das Vorhaben mache „gute Fortschritte“, so der Spitzenmanager.

Zhang lobte die Unterstützung, die TSMC von den Behörden vor Ort in Sachsen und von der EU erfahre. Ohne milliardenschwere Subventionen hätte der Technikführer der Halbleiterindustrie wohl nicht darüber nachgedacht, sich an der Elbe niederzulassen. „Die Kosten in Europa sind schon sehr hoch“, sagte Zhang. „Das ist eine Herausforderung.“

Noch nie hat sich ein Spitzenmanager des weltgrößten Auftragsfertigers der Chipbranche so positiv über ein mögliches neues Werk in Europa geäußert. Bislang waren die Taiwaner deutlich zurückhaltender.

TSMC-Investition in Dresden: Für Europa unerlässlich

Nun haben die Bundesregierung und der Freistaat Sachsen die Taiwaner offenbar überzeugt. Dazu kommt, dass mit Bosch, Infineon und NXP dem Vernehmen nach drei große Partner bereitstehen, um die rund sieben Milliarden Euro teure Fabrik gemeinsam mit TSMC zu finanzieren. Die Konzerne äußerten sich bislang nicht dazu.

Zu dem Gesinnungswandel bei TSMC haben offenbar auch die potenziellen Chipkäufer in Europa mit Abnahmeversprechen beigetragen. „Natürlich will jeder den niedrigsten Preis – gleichzeitig verlangen die Kunden aber auch eine widerstandsfähige Lieferkette“, sagte Zhang.

Denn TSMC ist für die europäischen Chiphersteller und damit für die einheimische Industrie unersetzlich. „TSMC ist wichtiger Bestandteil unserer Strategie“, unterstrich Jean-Marc Chery, Chef von STMicroelectronics, dem größten europäischen Halbleiterproduzenten.

Die französisch-italienische Firma lässt schon seit 16 Jahren bei TSMC fertigen, bislang allerdings fast ausschließlich in deren Heimat Taiwan. Angesichts der Spannungen zwischen der Inselrepublik und der Volksrepublik China sehen die Abnehmer das zunehmend als Risiko.

Warren Buffett ist alarmiert

Und nicht nur die Kunden sind alarmiert, sondern auch prominente Stimmen wie Starinvestor Warren Buffett. „In der Chipindustrie spielt niemand in ihrer Liga“, lobte der US-Milliardär das Unternehmen jüngst. TSMC sei eine der bedeutendsten Firmen der Welt und werde hervorragend geführt.

Trotzdem hat der 92-Jährige seine Anteile an TSMC über die vergangenen Monate verkauft. Buffett fürchtet vor allem, dass der Chiphersteller unter dem Streit zwischen der Volksrepublik China auf der einen Seite und Taiwan und den USA auf der anderen Seite leidet. Die Regierung in Peking sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Buffett kündigte daher an, sein Geld lieber in Japan als in Taiwan anzulegen.

TSMC setzt auf üppige Staatshilfen

TSMC hat sich bereits entschieden, neue Fabriken in Japan und den USA zu errichten. Dafür kassieren die Taiwaner üppige Staatshilfen. 36 Milliarden Dollar gibt TSMC im laufenden Jahr für zusätzliche Kapazitäten aus, so viel wie kein anderer Chiphersteller. Er glaube fest daran, dass die Chipindustrie langfristig enorm wachsen werde, begründete Konzernchef C.C. Wei am Dienstag auf einem Kundenevent in Amsterdam diese gewaltigen Investitionen.

Sollte TSMC demnächst in Sachsen mit dem Bau beginnen, dürfte das den Konzern allerdings an seine Grenzen bringen, glaubt Gartner-Analyst Alan Priestley. Denn um die Serienproduktion hochzufahren, müsste TSMC eigentlich erfahrenes Personal aus Taiwan herüberholen. Angesichts der Expansion im eigenen Land, in den USA und Japan sei das aber schwierig. „Und in Europa gibt es nicht genügend Prozessingenieure“, warnt der Experte.

Flaschenhals der Chipversorgung

Selbst mit einer neuen Fabrik von TSMC in Europa bleibe Taiwan daher ein Flaschenhals der weltweiten Chipversorgung, fürchtet Priestley. Denn in dem Land gebe es zahlreiche Fabriken, in denen Chips reifer Technologiegenerationen produziert würden. Derartige Werke baue TSMC anderswo nicht, weil sich das nicht rechne.

Viele Manager und Politiker halten TSMC für eines der momentan wichtigsten Unternehmen der Welt. Der Konzern stellt über 12.000 verschiedene Produkte in knapp 300 verschiedenen Verfahren her und beliefert mehrere Hundert Kunden. Fast alle großen Halbleiterhersteller lassen bei TSMC fertigen, von Apple über Infineon bis Qualcomm.

Selbst der US-Rivale Intel greift auf die Fabriken der Asiaten zurück, denn TSMC hat den Chippionier aus dem Silicon Valley technologisch abgehängt. So holte TSMC-Chef Wei in Amsterdam ausgerechnet Amnon Shashua auf die Bühne, den Gründer und CEO der Intel-Tochter Mobileye. Der Spezialist für das automatisierte Fahren aus Israel lässt seine Halbleiter nicht bei der Konzernmutter Intel, sondern bei TSMC fertigen.

Deutliches Wachstum durch Werk in Dresden

TSMC verkauft grundsätzlich keine Chips unter eigenem Namen, um den Geschäftskunden keine Konkurrenz zu machen. Lässt man Speicherchips außen vor, stammt fast jeder dritte Halbleiter weltweit aus einer Fabrik von TSMC.

Die Analysten von Morningstar sind überzeugt, dass TSMC hervorragende Wachstumschancen besitzt. Gerade die Künstliche Intelligenz biete Aufwärtspotenzial. Denn diese Systeme würden sich immer stärker durchsetzen.

Gleichzeitig trieben Forscher KI voran, die darauf abziele, menschliche Denkfähigkeiten zu entwickeln. Dafür sei noch einmal mehr Rechenleistung nötig. Zu den großen Kunden von TSMC gehört dann auch Nvidia. Der amerikanische Chipkonzern profitiert von allen Halbleiterherstellern bislang wohl am meisten vom KI-Boom.

Nur etwa sieben Prozent vom Umsatz erzielt TSMC momentan mit der in Europa besonders wichtigen Autoindustrie. Bis 2030 soll dieser Anteil Firmenangaben zufolge auf 15 Prozent steigen – und dazu dürfte das neue Werk in Dresden maßgeblich beitragen. „Wir sind für das Autochipgeschäft sehr zuversichtlich“, sagte Zhang. Kein Wunder, denn nach wie vor würden die Taiwaner nicht alle Bestellungen pünktlich liefern, heißt es bei den großen Autochipanbietern.

Noch sei allerdings keine Entscheidung gefallen, ob das Werk in Dresden tatsächlich gebaut werde, sagte Vorstand Zhang. Bei seiner Sitzung im August könnte der Vorstand den Weg aber frei machen.

Dieser Text ist zuerst beim Handelsblatt erschienen.