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Silicon Saxony: Verdopplung der Chipproduktion in Sachsen nicht zu schaffen

Beim Silicon Saxony Day in Dresden treffen sich 600 Halbleiter- und Software-Experten. Die Branche wächst in Sachsen, kann aber die Wünsche der EU nicht alleine erfüllen.

Von Georg Moeritz
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Einsteigermodell: Mit solchen Platinen namens Calliope üben schon Grundschüler das Programmieren. Der Hightech-Verband Silicon Saxony will damit Nachwuchs für die wachsende Branche begeistern.
Einsteigermodell: Mit solchen Platinen namens Calliope üben schon Grundschüler das Programmieren. Der Hightech-Verband Silicon Saxony will damit Nachwuchs für die wachsende Branche begeistern. ©   dpa/Robert Michael

Dresden. Ein Roboter schenkt Weizenbier in ein schräggestelltes Glas ein, Software-Experten mit Kopfhörern nicken zu englischsprachigen Vorträgen: Der sächsische Hightech-Branchenverband Silicon Saxony hat am Mittwoch mit 600 Teilnehmern auf dem Flughafen Dresden Zukunftsthemen erörtert. Verbandschef Dirk Röhrborn berichtete von starkem Personalwachstum in Soft- und Hardwarefirmen und zeigte sich optimistisch für die nächste Fabrik-Ansiedlung. Doch Röhrborn sagte auch, Sachsen alleine könne nicht die Vorgabe der Europäischen Union mit einer Verdopplung oder Vervierfachung der Mikrochipproduktion erfüllen.

In Sachsens Unternehmen der Software-, Mikroelektronik- und Telekommunikationsbranchen arbeiten laut Verband mehr als 76.000 Menschen. Das Ziel 100.000 im Jahr 2030 sei zu erreichen. Derzeit liege das Personalwachstum "leicht über dem Plan", sagte Röhrborn, der das Dresdner Software-Unternehmen Communardo leitet.

Die Softwarebranche wachse schneller als andere: Im vorigen Jahr legte ihr Personal in Sachsen um 7,6 Prozent auf 35.000 Mitarbeiter zu, während 4,2 Prozent für die Branchen im Silicon Saxony insgesamt errechnet wurden. Es gelinge, Fachkräfte von außerhalb anzuziehen. Der Verband hat 450 Mitgliedsfirmen. Die mittelständischen Zulieferfirmen haben laut Verband "alle Hände voll zu tun". Die Stimmung sei "trotz schwieriger Zeiten sehr positiv", sagte Röhrborn.

Gewerbeflächen in Dresdens Nachbarkreisen benötigt

Verbandsgeschäftsführer Frank Bösenberg sprach dennoch von "Wachstumsschmerzen" angesichts des Bedarfs an zusätzlichen Fachkräften. Infineon Dresden baut gerade einen neuen Fabrikteil in Dresden für 1.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die neue Bosch-Chipfabrik hat 500 Beschäftigte, soll bei voller Auslastung aber 700 erreichen. Zeiss erweitert seinen Software-Standort Dresden kräftig, Jenoptik baut ein Werk für 120 Arbeitsplätze, und Vodafone errichtet ein Kompetenzzentrum für den Mobilfunk.

Bösenberg sagte, für das weitere Wachstum der Branche in Sachsen reichten die Dresdner Industrieflächen nicht aus. Für die "Strukturentwicklung" müsse der Staat stärker im ländlichen Raum aktiv werden und die Nachbarkreise Bautzen und Meißen einbeziehen. Dass der Intel-Konzern Fabriken in Magdeburg sowie in Breslau in Polen baue, schade dem Silicon Saxony nicht. Sachsen alleine habe nicht genügend Flächen und Infrastruktur, um die Wachstumsziele der Europäischen Union (EU) zu erfüllen.

Ein Roboterarm schenkt Weizenbier ein - das lassen sich Hightech-Experten beim Silicon Saxony Day auf dem Flughafen Dresden gerne gefallen.
Ein Roboterarm schenkt Weizenbier ein - das lassen sich Hightech-Experten beim Silicon Saxony Day auf dem Flughafen Dresden gerne gefallen. © dpa/Robert Michael

Die EU will mit dem European Chips Act Investitionen von 43 Milliarden Euro anstoßen und möchte den Anteil an der Mikrochipproduktion der Welt bis 2030 verdoppeln. Der Markt verdopple sich voraussichtlich ohnehin, sodass die EU eine Vervierfachung der jetzigen Produktion schaffen müsste, sagte Bösenberg. Die Milliarden-Fördergelder für die Branche seien "prozentual weniger als das, was anderswo gezahlt wird".

Entscheidung über TSMC-Fabrik für August erwartet

Ins Werben um die erhoffte Mikrochipfabrik des Konzerns TSMC aus Taiwan ist der Verband laut Bösenberg "nicht direkt einbezogen". Silicon Saxony sei nicht für Ansiedlungen zuständig, sondern zur Stärkung der vorhandenen Unternehmer - vor allem der Mittelständler. "Aber natürlich laufen wir rum und sagen, dass hier alles ganz toll ist", sagte der Verbandsgeschäftsführer. Die Branche rechnet damit, dass TSMC bei einer Sitzung im August eine Entscheidung für die geplante Investition fällt. Delegationen des Konzerns waren mehrmals in Dresden. Verwaltungsratschef Mark Liu hatte vor zwei Wochen gesagt, zu Fachkräften, Lieferketten und Subventionen in Deutschland gebe es noch Fragen zu klären.

Auf der Besucherplattform im Flughafen Dresden fand der 17. Silicon Saxony Day statt - mit Vorträgen per Kopfhörer und Aussteller-Ständen, an denen auch Roboterarme zu sehen waren.
Auf der Besucherplattform im Flughafen Dresden fand der 17. Silicon Saxony Day statt - mit Vorträgen per Kopfhörer und Aussteller-Ständen, an denen auch Roboterarme zu sehen waren. © SZ/Georg Moeritz

Das erwartete Wachstum der Mikroelektronik führt die Branche in ein "Dilemma", sagte in ihrem Tagungsvortrag Mousumi Bhat, Vizepräsidentin des Nachhaltigkeitsprogramms im weltweiten Branchenverband Semi. Sie sagte, die Mikroelektronik helfe einerseits beim Bewältigen großer Schwierigkeiten: Energiespeichern, Transport, Medizintechnik und Ernährungsbranche könnten mit neuer Technik verbessert werden. Doch große Chipfabriken verbrauchten so viel Strom wie 50.000 Wohnhäuser, der Umgang mit den Prozessgasen sei nicht einfach.Die Dresdner Mikrochipfabriken verbrauchen fast die Hälfte des Wassers der Stadt.

Verband will Einfluss auf CO2-Besteuerung

Bhat sagte, die Abgaben auf Kohlendioxid würden die Produktion künftig teurer machen. Jetzt sei die Zeit dafür, die Abläufe in den Fabriken zu verbessern. Der Verband wolle aber auch ein Forum für Mitglieder gründen, die Einfluss auf die Steuerpolitik nehmen wollten. Die Expertin war per Video auf eine Großleinwand zugeschaltet, doch auch ein Hightech-Verband erlebt technische Schwierigkeiten mit Übertragungen: Baht war zeitweise schwer zu verstehen.

Globalfoundries-Managerin Yvonne Keil sagte, die Fabriken hätten sich angesichts der Lieferkettenschwierigkeiten der vergangenen zwei Jahre widerstandsfähiger organisiert. Keil ist Vorstandsmitglied im Silicon Saxony und in der Mikrochipfabrik zuständig für den weltweiten Einkauf. Sie sagte, generell würden die Fabriken effizienter. Die Produktion sei trotz der Erdgasknappheit im vergangenen Winter "durchgefahren" worden, sie sehe dort auch "nichts Kritisches für die nächsten Jahre". Globalfoundries erweitert gerade sein Gaskraftwerk und hat bereits angekündigt, im Jahr 2025 ein Fünftel der Energie aus Wasserstoff zu erzeugen.