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Siemens Energy führt die 35-Stunden-Woche in Sachsen ein

Die Beschäftigten von Siemens Energy in Sachsen müssen in Zukunft weniger arbeiten. Auch in Görlitz und Dresden schrumpft die Arbeitszeit bis 2025 in drei Schritten um je eine Stunde - ohne Lohnverzicht.

Von Michael Rothe
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Am Dresdner Standort von Siemens Energy werden jährlich rund 120 Transformatoren gefertigt - fast jedes Teil ein Einzelstück und bis zu 280 Tonnen schwer. Die  250 Beschäftigten können sich jetzt auf kürzere Arbeitszeiten freuen.
Am Dresdner Standort von Siemens Energy werden jährlich rund 120 Transformatoren gefertigt - fast jedes Teil ein Einzelstück und bis zu 280 Tonnen schwer. Die 250 Beschäftigten können sich jetzt auf kürzere Arbeitszeiten freuen. © dpa

Dresden. Für die 1.500 Beschäftigten der Siemens Energie AG in Görlitz, Dresden, Leipzig und Erfurt gilt ab Herbst 2025 die 35-Stunden-Woche. Das haben der Konzern und Betriebsräte am Donnerstag in Bonn vereinbart. Demnach wird die Arbeitszeit von 38 Stunden ab Oktober in drei Schritten jährlich um eine Stunde verkürzt.

„Damit sind wir schneller als andere Unternehmen“, sagt Stefan Koch von der Standortleitung des Dresdner Transformatorenwerks. Zur Kompensation würden keine Lohnbestandteile genutzt, wie es z. B. Autobauer praktizieren. „Gerade in Zeiten hoher Inflation wollen wir den Leuten nicht ans Geld gehen“, so Koch. Jeder Mitarbeiter bringe jährlich 30 Gleitzeitstunden von seinem Arbeitszeitkonto ein. Diese Kostenkompensation sei bislang einmalig.

Durch Angleichung ein attraktiverer Arbeitgeber

Betriebsrat Mirko Meyer unterstreicht das Signal des Deals nach außen und die gesteigerte Motivation der Belegschaft. „Siemens Energy wird als Arbeitgeber attraktiver – gerade für die Jugend, die Wert auf mehr Freizeit legt“, sagt er. Zudem sinke der Krankenstand. Die wegfallende Stunde werde durch mehr Automatisierung und gestraffte Prozesse aufgefangen. Nach einem Jahr gebe es eine Bestandsaufnahme.

Das „sehr gut ausgelastete Dresdner Werk“ mit 250 Beschäftigten wolle Flexibilität und Produktivität hochhalten, betont Koch mit Blick auf die Standortsicherung. Er spricht von fairen Verhandlungen. Bis zum Kompromiss hat es weit länger gedauert als bei der Siemens AG, die ihren Stufenplan im März 2022 verkündet hatte.

Angesichts der Umstrukturierung des Konzerns und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit habe die 35-Stunden-Woche „nicht erste Priorität gehabt“, räumt Koch ein. Dafür gäbe es nun eine zügige Einführung. Das börsennotierte Unternehmen war 2020 entstanden, als Siemens seine Energiesparte in ein eigenständiges Unternehmen überführt hatte. Zum Portfolio gehören auch Transformatoren und Kraftwerkstechnik – und in Görlitz fertigen 600 Beschäftigte Industriedampfturbinen.

35 Stunden auch im Westen längst nicht die Regel

Zur Arbeitszeitangleichung für Ost- an West-Metaller, für die die 35-Stunden-Woche seit 1995 auf dem Papier steht, gibt es mehrere Modelle. Viele betriebliche Regelungen laufen über sechs Jahre. Im Gegenzug verzichten Beschäftigte auf Urlaubs- und Weihnachtgeld oder andere Sonderzahlungen – auch bei der Siemens AG. Der Druckmaschinenbauer Koenig & Bauer mit seinem Werk in Radebeul braucht zehn Jahre – ohne Gegenleistung. IG Metall und Arbeitgeberverbände hatten das Thema 2021 an die Betriebe delegiert, nachdem sie sich über Jahre nicht einigen konnten. Die Gewerkschaft sieht nun gut 80 Prozent der verbandsgebundenen Betriebe in Sachsen, Berlin und Brandenburg auf dem Weg.

Das Vorgehen könnte bei anderen heiklen Themen, etwa der 4-Tage-Woche, Schule machen. „Die Diskussion wird kommen“, sagt Koch, auch Tarif-Verhandlungsführer von Sachsens Arbeitgeberverband VSME. Die Branche zählt dort rund 1.700 Unternehmen mit etwa 190.000 Beschäftigten. Auch im Westen arbeitet 28 Jahre nach der Durchsetzung nur jede/r Fünfte 35 Stunden pro Woche, das Gros länger.