Leben und Stil
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In Norwegens berühmtestem Fjord

Der Geirangerfjord zieht jedes Jahr eine Million Touristen an. Ab 2026 sollen ihn nur noch emissionsfreie Schiffe passieren dürfen. Was heißt das?

Von Ulf Mallek
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Ein seltenes Bild und nur im Sommer zu sehen: die Havila Castor auf Kurs durch den Geirangerfjord. Das darf sie dank Batterien auch in Zukunft.
Ein seltenes Bild und nur im Sommer zu sehen: die Havila Castor auf Kurs durch den Geirangerfjord. Das darf sie dank Batterien auch in Zukunft. © Marius Beck Dahle/Havila

Die beiden jungen Naturschützer mit den typischen Ranger-Hüten laufen im gecharterten Ausflugsboot zur Hochform auf. Es sei kaum zu glauben, wenn man die schöne Natur hier im weltberühmten norwegischen Geirangerfjord sieht, ruft Kenneth Tschorn, der an der Uni Bonn studiert hat, in die Runde und staunt selbst dabei.

Doch die Schiffe bringen nicht nur bis zu einer Million Touristen pro Jahr, sondern auch Feinstaub, Stickoxide und Schwefel mit. Ranger-Kollegin Nicole Dietzel ergänzt, dass Gott sei Dank ab 2026 nur noch emissionsfreie Schiffe den Fjord passieren dürfen. Also nur noch Ruderboote?, fragt ein Passagier. Ja, antwortet Nicole.

Was nicht ganz der Wahrheit entspricht. Denn auch die Havila Capella, das Schiff, von dem die meisten der Gäste eben gekommen sind, darf auch in Zukunft über den Geirangerfjord kreuzen. Sie schafft vier Stunden Fahrt – allein mit Batteriestrom. Das genügt für eine komplette Fjordtour.

Schöner Blick aus der Bar der Havila Capella auf die Küstenlinie. Die Capella ist ein modernes Schiff, das bis zu 640 Kreuzfahrer und Einheimische sowie Güter transportieren kann.
Schöner Blick aus der Bar der Havila Capella auf die Küstenlinie. Die Capella ist ein modernes Schiff, das bis zu 640 Kreuzfahrer und Einheimische sowie Güter transportieren kann. © Havila Voyages

Aber weshalb fährt das Schiff jetzt, im Spätwinter, nicht in den Fjord, fragte ein anderer Gast. „Vielleicht wegen der Gerölllawinen?“, antwort Tschorn mit einer nicht ganz ernst gemeinten Gegenfrage und deutet mit der Hand nach draußen. Dort ist ein großer Riss im Berg zu sehen. Etwa 50 Millionen Kubikmeter Bergmassiv sind instabil. „Es ist der bestuntersuchte Berg in der ganzen Welt.“

Wenn die Geröllmassen doch einmal herunterkommen sollten, erzeugen sie innerhalb von zehn Minuten einen Tsunami mit Wellen von 80 Metern Höhe. Allerdings, so sagt Tschorn, gebe es eine recht lange Vorwarnzeit von rund zwei Wochen. Wann genau das Unglück passieren wird? Die Wissenschaftler schätzen, in ein bis 1.000 Jahren. Die Passagiere schauen sich an. Wohl keine gute Idee, in den Fjord zu fahren?

Doch. Natürlich. Auch in der Nebensaison. Dann präsentiert der Ort, der schon im 19. Jahrhundert für den Tourismus geöffnet wurde und zum Unesco-Welterbe zählt, seine prachtvolle Natur in aller Ruhe. Man ist fast allein unterwegs. Und fast allein mit den Bergen, die so hoch sind wie die Alpen, und dem Wasser, das so tief ist wie ein Mittelgebirge.

1 Million Touristen pro Jahr

Wer mehr wissen will, ist im Besucherzentrum in Geiranger (einen steilen Fußmarsch vom Hafen entfernt) richtig. Erstaunliche Erkenntnis: Norwegische Fjorde sind gar nicht so alt, wie man denkt. Vor reichlich 10.000 Jahren zog sich das Eis hier zurück und legte vom Gletscher geformte tiefe Täler in den Bergen frei.

Der Geirangerfjord ist der berühmteste und angesagteste in Norwegen. Im Sommer tummeln sich die Massen, eine Million Touristen kommen pro Jahr, doch im Winter liegen die Boote nur und schaukeln vor sich hin. Vom Besucherzentrum sind es mit dem Bus gut fünfzehn Minuten zum Aussichtpunkt oben auf dem Berg. Der Blick auf den Fjord ist zu jeder Jahreszeit schön.

Wer etwas mehr Action mag, kann auf dem Schiff einen Angelausflug buchen. Zum Beispiel in Trondheim, das ein ganzes Stück nördlich vom Geirangerfjord liegt. Amanda Hauskend ist 25 Jahre alt, Studentin und Fischkutterfahrerin mit deutschen Vorfahren. Sie spricht von lokalen authentischen Erfahrungen beim Angeln. Das Boot ist gebaut wie ein altes Wikingerboot, sieht wenig vertrauenserweckend aus. Aber Amanda sagt: „Damit sind die Wikinger über den Ozean gefahren. Da werden wir doch bis zum Fjord kommen.“

Klar zum Angeln im Fjord von Trondheim: Amanda Hauskend.
Klar zum Angeln im Fjord von Trondheim: Amanda Hauskend. © Ulf Mallek

Tatsächlich erweist sich das Boot in den recht hohen Wellen als sehr robust. Aber wer fährt im Winter zum Angeln in den Fjord? Amanda findet eine ruhige Ecke. „Beim Angeln ist Geduld nötig“, sagt sie und reicht die Nahrung der Wikinger zum Kosten herum: Stockfisch. Die kleinen Scheiben sehen aus wie Knäckebrot, schmecken salzig. Ein Fisch hat angebissen, ruft jemand. Noch einer ruft. Doch es ist immer nur der Boden, in dem sich der Blinker verfängt. Wird wohl nichts mit eigenem frischem Fisch zum Abendessen.

Zum Glück haben die Köche an Bord vorgesorgt. Heute gibt es Kabeljau und Meerforelle, die Speisekarte wechselt täglich. Die Zutaten kommen frisch aus den verschiedenen Häfen und und sollen immer die Gerichte in den Fokus rücken, die man in der jeweiligen Küstenregion bevorzugt. Dabei gilt: Pro Gast und pro Tag nicht mehr als 75 Gramm Lebensmittelabfälle.

Bleibt noch zu klären, warum unser Schiff nur im Sommer in den Geirangerfjord einläuft. Wir fragen Kapitän Brynjard Ulvøy, der muss es wissen. Mögliche Gerölllawinen sind es nicht, sagt der Käpt’n. „Im Winter lohnt sich das nicht, da kommen einfach zu wenige Touristen.“

Wie ein Tesla auf dem Meer

Tatsächlich hat die Havila Capella wie auch ihre drei Schwesternschiffe einen großen Batterieraum. Chefingenieur Bjarn Jones, eigentlich ein Mann der Generation Schiffsdiesel, zeigt stolz die riesigen Batteriepacks.

Jedes Einzelne lässt sich auch von der Ferne ansteuern und warten. Die Packs sind fest montiert in langen Regalen, und der ganze Raum ist – sicherheitshalber – in Alufolie eingepackt. Die Akkus geben dem Schiff vier Stunden Strom für zehn Knoten Geschwindigkeit.

Riesige Batteriepacks: Mit den Akkus an Bord kann das Schiff vier Stunden mit Strom unterwegs sein.
Riesige Batteriepacks: Mit den Akkus an Bord kann das Schiff vier Stunden mit Strom unterwegs sein. © Ulf Mallek


Sie werden mit sauberer Wasserkraft an Land aufgeladen. Ansonsten fährt das Schiff mit LNG. Zwei große Gastanks bunkern 185 Kubikmeter. Das bringt 6,1 Megawattstunden Energie. Die Technik ist bereit für Wasserstoff.

Der Schiffsrumpf wurde speziell für maximale Energieeffizienz ausgelegt. Überschüssige Wärme aus dem Kühlwasser wird in das Energiesystem eingespeist und zum Heizen an Bord genutzt.

Havila ist ein neuer Anbieter auf der alten Postschiffroute durch die norwegischen Fjorde. 32 Orte werden angefahren. Der norwegische Staat subventioniert die Touren, denn die Postschiffroute ist eine Lebensader des Landes.

Früher hatte die Firma Hurtigruten das Monopol. Doch der Vertrag lief Ende 2020 aus. Jetzt teilen sich Hurtigruten und Havila die Touren.

Die Havila-Schiffe verfügen über 179 Kabinen. Für Kurzstreckengäste, die keine Kabine benötigen, gibt es einen separaten Abschnitt mit Liegesesseln.

Eine Tour, 34 Häfen

  • Anreise: Vom Flughafen BER über Amsterdam nach Bergen, weiter mit Stadtbus zum Terminal.
  • Route: Havila Voyages fährt das ganze Jahr zwischen Bergen und Kirkenes über den Polarkreis und wieder zurück (34 Häfen).
  • An Bord: Havila-Schiffe sind topmodern eingerichtet, das Essen ist gehoben. Es gibt Sauna, Fitnessraum, aber kein großes Entertainment.
  • Preise: Die Rundreise kostet pro Kabine für zwei Personen zwischen 3.290 und 5.202 Euro (inkl. VP). Tagesausflug (November bis Mai) vom Hafen in Älesund in den Geirangerfjord mit Fjordkreuzfahrt, Essen und Besichtigung ab 318 Euro p. P. Zweistündige Angeltour in Trondheim rund 70 Euro p. P. (in der Gruppe).
  • Die Recherche wurde unterstützt von www.havilavoyages.com