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Im Land der Riesen

Dass viele Szenen aus „Game of Thrones“ in Nordirland gedreht wurden, war ein Glücksfall für die Region. Dabei muss man gar kein „Thronie“ sein, um Land und Leute ins Herz zu schließen.

Von Anja Sohrmann
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Strand nahe Ballintoy an der Nordküste Nordirlands. In der Region entstanden viele Szenen aus der weltberühmten TV-Serie "Game of Thrones".
Strand nahe Ballintoy an der Nordküste Nordirlands. In der Region entstanden viele Szenen aus der weltberühmten TV-Serie "Game of Thrones". © Tourism Ireland

Es war nur ein kleiner Zufall, doch er änderte das Leben von Flip Robinson grundlegend: Der charismatische Zwei-Meter-Mann mit dem weißen Rauschebart sollte in Larrybane, am Rande der Dreharbeiten zur 6. Staffel der US-amerikanischen Fantasy-Serie „Game of Thrones“, kurz GoT, für Ordnung auf einem Parkplatz sorgen. Dabei kam dem Nordiren, selbst leidenschaftlicher Fan der erfolgreichsten Fernsehserie der Welt, ein Auto verdächtig vor, und er stellte dessen Fahrer zur Rede.

Wie sich herausstellte, saßen wichtige Manager der Filmproduktion im Auto. Mit einem Scherz versuchte der trotz seiner Körpergröße eher schmächtige Flip, die peinliche Situation zu entschärfen: Ob vielleicht noch gut aussehende, große, bärtige Typen für den Dreh gesucht würden? Robinson hatte Glück: Zwei Tage später war er als Double engagiert für die zwei Filmcharaktere Hodor und Gregor Clegane, genannt der Berg – beide genau wie er riesig von Wuchs.

Nach den "Game of Thrones"-Dreharbeiten kamen die Fans

Als die Staffel abgedreht war, hatte Robinson so viel Insiderwissen, dass er sich angesichts der vielen ins Land strömenden Thronies, wie GoT-Fans scherzhaft genannt werden, mit seiner Agentur „Giant Tours Ireland“ selbstständig machte. Seither führt der Riese Fans aus aller Welt an Drehorte der Serie und gibt Geschichten vom Filmset zum Besten. Seine privaten Führungen nennt das Hodor-Double neckisch „Hang out with Hodor“-Tours.

Ein freundlicher Riese und großer GoT-Fan: Flip Robinson in Ballintoy – in der Serie die Eiseninseln.
Ein freundlicher Riese und großer GoT-Fan: Flip Robinson in Ballintoy – in der Serie die Eiseninseln. © Anja Sohrmann
GoT-Infotafel im Hafen von Ballintoy. Hier wurden Szenen um die GoT-Figur Theon Graufreud von den Eiseninseln gedreht.
GoT-Infotafel im Hafen von Ballintoy. Hier wurden Szenen um die GoT-Figur Theon Graufreud von den Eiseninseln gedreht. © Anja Sohrmann
Flip Robinson erzählt von seinen Erfahrungen am GoT-Filmset.
Flip Robinson erzählt von seinen Erfahrungen am GoT-Filmset. © Anja Sohrmann
Am Strand in Ballintoy verbrannte im Film Melisandre den Bannerträger von Stannis Baratheon.
Am Strand in Ballintoy verbrannte im Film Melisandre den Bannerträger von Stannis Baratheon. © Anja Sohrmann

Dass nach erfolgreichen Filmproduktionen Fans in Massen zu den Drehorten pilgern, erlebte man etwa in Großbritannien nach den Harry-Potter-Filmen oder in Neuseeland nach „Der Herr der Ringe“. Auch „Game of Thrones“, die Geschichte vom Kampf um den Eisernen Thron in Westeros, brachte Schwung in den Tourismus Nordirlands. Der hatte sich nach Jahren des Bürgerkriegs seit dem Friedensschluss von 1998 nur langsam wieder aufgerappelt. GoT brachte die Trendwende: Im Jahr 2018 – aktuellere Zahlen liegen coronabedingt nicht vor – war jeder sechste Tourist unter anderem wegen der Serie ins Land gereist, rund 350.000 Menschen.

Ab August: „House of the Dragon“

Szenen für GoT entstanden außerdem in Kroatien, Spanien, Marokko, Malta und Island. Die meisten aber – etwa 70 Prozent – in Nordirland. Und obwohl die letzte Staffel der Serie 2019 über die Bildschirme lief, wird der Hype um Westeros wohl noch lange anhalten: Am 21. August startet der US-Sender HBO mit „House of the Dragon“ einen ersten Ableger von GoT. Erzählt wird die Geschichte der Familie Targaryen, beginnend 300 Jahre vor den Ereignissen in "Game of Thrones". In Deutschland wird es die Serie sofort auch auf Sky geben.

Nordirland: Drehorte von "Game of Thrones". Grafik: SZ/Gernot Grunwald
Nordirland: Drehorte von "Game of Thrones". Grafik: SZ/Gernot Grunwald © SZ Grafik

Die Serie erwies sich als gigantischer Jobmotor. Nicht nur, dass viele Nordiren als Statisten anheuerten. Auch zahlreiche Kunsthandwerker hatten alle Hände voll zu tun mit der Herstellung von prunkvollen Gewändern, Schwertern und aufwendig verzierten Möbeln. Laut Robinson „gibt es in ganz Nordirland keinen Menschen, der nicht jemanden kennt, der etwas mit GoT zu tun hatte.“

Atemberaubend schön: Die Causeway Coastal Route

Viele Drehorte der Serie liegen an der Causeway Coastal Route, einer knapp 200 Kilometer langen und mitunter recht schmalen Panoramastraße entlang der zerklüfteten Küste Nordirlands, die von der Hauptstadt Belfast bis nach Londonderry reicht. Nicht ohne Grund ist die Region ein beliebter Ort bei Filmemachern: Die Landschaft ist vielfältig und atemberaubend schön. Grüne, hügelige Wiesen voller Schafe und Kühe hier, schroffe, steile Klippen und breite Strände mit feinem Sand da. Dazu gibt es kleine, beschauliche Fischerdörfer und Ruinen alter Burgen.

Das mittelalterliche Dunluce Castle liegt an der dramatisch-schönen Küstenstraße Causeway Coastal Route.
Das mittelalterliche Dunluce Castle liegt an der dramatisch-schönen Küstenstraße Causeway Coastal Route. © Anja Sohrmann

Wir stehen am malerischen Strand von Ballintoy, einem kleinen Dorf an der Nordküste der Insel. Es ist sonnig und ziemlich windig, die Wellen brechen mit lautem Tosen. Hier, erklärt Flip Robinson, verbrannte Melisandre, Priesterin des Herrn des Lichts, in der sechsten Staffel den Bannerträger von Stannis Baratheon. Wenige Gehminuten entfernt, im Hafen des Dorfes, entstanden etliche Szenen um die GoT-Figur Theon Graufreud von den Eiseninseln. So wie hier informieren Tafeln an vielen Filmorten, welche Szene am jeweiligen Ort gedreht wurde. Zudem hilft eine App bei der Suche nach den Filmspots.

Unesco-Welterbestätte Giant’s Causeway

Die Küstenroute führt auch am spektakulären Giant’s Causeway (dt. „Damm des Riesen“) vorbei, seit 1986 Unesco-Welterbestätte. Vulkanische Aktivitäten formten hier vor etwa 60 Millionen Jahren rund 40.000 gleichmäßig geformte Basaltsäulen – die größten mit einer Höhe von zwölf Metern. Der Legende nach zeichnet der Riese Fionn mac Cumhaill dafür verantwortlich. Für Whiskey-Liebhaber dürfte interessant sein, dass sich in der Nähe die Stadt Bushmills mit ihrer Brennerei befindet.

Der Giant's Causeway mit ca. 40.000 Basaltsäulen ist Unesco-Welterbestätte.
Der Giant's Causeway mit ca. 40.000 Basaltsäulen ist Unesco-Welterbestätte. © Paul Lindsay/Tourism Ireland

Wälder findet man in Nordirland kaum. Im Tollymore Forest bei Newcastle entstanden Szenen der ersten GoT-Staffel. Weil der Wald ziemlich groß ist, nutzen wir E-Bikes für unsere Tour. Wir besuchen den Ort aus der ersten Folge, in dem ein junger Mann der Nachtwache von weißen Wanderern getötete Wildlinge findet – in einer Art Kuhle, umringt von hohen Fichten. Danach halten wir an einem großen Stein am Spinkwee River, an dem Ned Stark, Lord von Winterfell, und seine Söhne die tote Schattenwölfin mit ihren Welpen findet. Auf Außenstehende mögen solche Details lächerlich wirken – Fans wie mir dagegen sind sofort wieder alle Filmszenen präsent. Und auch die Nicht-Fans in unserer Reisegruppe finden den Wald wunderschön, nicht zuletzt wegen riesiger Zedern mit ihren samtig-schwarzen Stämmen.

James McKay, Chef von Winterfell Tours, steht im Innenhof der Wirtschaftsgebäude des Castle Ward in Strangford. Hier war in GoT der Sitz der mächtigen Familie Stark.
James McKay, Chef von Winterfell Tours, steht im Innenhof der Wirtschaftsgebäude des Castle Ward in Strangford. Hier war in GoT der Sitz der mächtigen Familie Stark. © Anja Sohrmann
Im Tollymore-Forest wurde hier eine Szene aus der 1. Folge der 1. GoT-Staffel gedreht.
Im Tollymore-Forest wurde hier eine Szene aus der 1. Folge der 1. GoT-Staffel gedreht. © Anja Sohrmann
Victoria Canavan vom Fahrradverleih Bike Mourne zeigt ein Foto der Szene, in der ein Mann der Nachtwache getötete Wildlinge findet.
Victoria Canavan vom Fahrradverleih Bike Mourne zeigt ein Foto der Szene, in der ein Mann der Nachtwache getötete Wildlinge findet. © Anja Sohrmann
Der Tollymore Forest Park ist einer der wenigen Waldparks in Nordirland.
Der Tollymore Forest Park ist einer der wenigen Waldparks in Nordirland. © Anja Sohrmann
An dem großen Stein in der Mitte des Fotos lag die tote Schattenwölfin mit ihren Welpen - eine Szene aus der 1. Staffel von GoT.
An dem großen Stein in der Mitte des Fotos lag die tote Schattenwölfin mit ihren Welpen - eine Szene aus der 1. Staffel von GoT. © Anja Sohrmann
Die Überreste des Klosters Inch Abbey nahe Downpatrick. In Staffel 1, Episode 10, überbringt hier Catelyn Stark ihrem Sohn Robb die Nachricht von der Hinrichtung seines Vaters.
Die Überreste des Klosters Inch Abbey nahe Downpatrick. In Staffel 1, Episode 10, überbringt hier Catelyn Stark ihrem Sohn Robb die Nachricht von der Hinrichtung seines Vaters. © Anja Sohrmann

Unsere nächste Station ist das Castle Ward in Strangford. Der Innenhof der Wirtschaftsgebäude taucht als Winterfell, Anwesen des mächtigen Hauses Stark, besonders oft in der ersten Staffel auf. Im Film sieht man die Stark-Kinder etwa beim Bogenschießen und erlebt, wie König Robert Baratheon zu Besuch kommt, um Ned Stark zu seiner neuen „Hand“ zu befördern. Das Gehöft sieht in Wirklichkeit viel schlichter aus als im Film. In einem Video vor Ort erfährt man, wie der Drehort am Computer aufgepeppt wurde. Die Filmvorführung ist der Beginn der sogenannten Winterfell Experience: Mit Mänteln im Stil der Serie bekleidet üben wir, mit Pfeil und Bogen zu schießen sowie Äxte zu werfen. Bittere Erkenntnis des Tages: Als Statistin bei einer der zahlreichen Schlachten im Film wäre ich ein Totalausfall.

Game of Thrones Studio Tour: Blick hinter die Kulissen

Neben den vielen Außendrehorten wurden Szenen von GoT auch in den Linen Mill Studios in Banbridge gedreht. Im Februar dieses Jahres eröffnete dort eine Ausstellung, die Besucher noch tiefer in die Serienwelt der Sieben Königreiche eintauchen lässt. Die „Game of Thrones Studio Tour“ zeigt originale Kostüme, Requisiten und Filmsets, darunter die Winterfell-Krypta und den Raum in der Schwarzen Festung, in dem Jon Schnee durch Magie wieder zum Leben erweckt wird.

In der Ausstellung "Game of Thrones Studio Tour" kann man einen Blick auf und hinter die Kulissen der GoT-Dreharbeiten werfen.
In der Ausstellung "Game of Thrones Studio Tour" kann man einen Blick auf und hinter die Kulissen der GoT-Dreharbeiten werfen. © Game of Thrones Studio Tour
Masken für die "Weißen Wanderer".
Masken für die "Weißen Wanderer". © Game of Thrones Studio Tour
Der Große Saal von Winterfell.
Der Große Saal von Winterfell. © Game of Thrones Studio Tour
Blick auf den Eisernen Thron - um den dreht sich alles.
Blick auf den Eisernen Thron - um den dreht sich alles. © Game of Thrones Studio Tour
Zur Eröffnung der "Game of Thrones Studio Tour" kamen die GoT-Darsteller Kristian Nairn (Hodor, l), Nathalie Emmanuel (Missandei) und Isaac Hempstead-Wright (Bran).
Zur Eröffnung der "Game of Thrones Studio Tour" kamen die GoT-Darsteller Kristian Nairn (Hodor, l), Nathalie Emmanuel (Missandei) und Isaac Hempstead-Wright (Bran). © Game of Thrones Studio Tour

Zur Eröffnung, so erzählt PR-Manager Alex McGreevy, seien auch einige Stars der Serie gekommen. Dabei flossen wohl sogar ein paar Tränen der Rührung bei BranDarsteller Isaac Hempstead-Wright, als er das Bett wiedersah, in dem er am Set viel Zeit verbringen musste. Auch, um für die Kameraeinstellung den Faltenwurf seiner Zudecke nicht zu verändern. Durch die Ausstellung führen smarte GoT-Fans, die gefühlt jedes Detail der Serie kennen. Sie haben das Glück, auf diese Weise Job und Hobby verbinden zu können.

So wie Flip Robinson: „Es ist erstaunlich, die Serie hat die Dinge, mein Leben so positiv verändert. Das hat sie wirklich.“

Informationen für Touristen:

Anreise: Flug wahlweise bis Belfast oder nach Dublin (Irland), dann mit Bus oder Mietauto nach Nordirland.

Game of Thrones Studio Tour: Tickets nur online buchbar, Erw.: 39,50 £, Kinder bis 15 Jahre frei

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Die Recherche wurde unterstützt von Tourism Northern Ireland.