Es war nur ein kleiner Zufall, doch er änderte das Leben von Flip Robinson grundlegend: Der charismatische Zwei-Meter-Mann mit dem weißen Rauschebart sollte in Larrybane, am Rande der Dreharbeiten zur 6. Staffel der US-amerikanischen Fantasy-Serie „Game of Thrones“, kurz GoT, für Ordnung auf einem Parkplatz sorgen. Dabei kam dem Nordiren, selbst leidenschaftlicher Fan der erfolgreichsten Fernsehserie der Welt, ein Auto verdächtig vor, und er stellte dessen Fahrer zur Rede.
Wie sich herausstellte, saßen wichtige Manager der Filmproduktion im Auto. Mit einem Scherz versuchte der trotz seiner Körpergröße eher schmächtige Flip, die peinliche Situation zu entschärfen: Ob vielleicht noch gut aussehende, große, bärtige Typen für den Dreh gesucht würden? Robinson hatte Glück: Zwei Tage später war er als Double engagiert für die zwei Filmcharaktere Hodor und Gregor Clegane, genannt der Berg – beide genau wie er riesig von Wuchs.
Nach den "Game of Thrones"-Dreharbeiten kamen die Fans
Als die Staffel abgedreht war, hatte Robinson so viel Insiderwissen, dass er sich angesichts der vielen ins Land strömenden Thronies, wie GoT-Fans scherzhaft genannt werden, mit seiner Agentur „Giant Tours Ireland“ selbstständig machte. Seither führt der Riese Fans aus aller Welt an Drehorte der Serie und gibt Geschichten vom Filmset zum Besten. Seine privaten Führungen nennt das Hodor-Double neckisch „Hang out with Hodor“-Tours.
Dass nach erfolgreichen Filmproduktionen Fans in Massen zu den Drehorten pilgern, erlebte man etwa in Großbritannien nach den Harry-Potter-Filmen oder in Neuseeland nach „Der Herr der Ringe“. Auch „Game of Thrones“, die Geschichte vom Kampf um den Eisernen Thron in Westeros, brachte Schwung in den Tourismus Nordirlands. Der hatte sich nach Jahren des Bürgerkriegs seit dem Friedensschluss von 1998 nur langsam wieder aufgerappelt. GoT brachte die Trendwende: Im Jahr 2018 – aktuellere Zahlen liegen coronabedingt nicht vor – war jeder sechste Tourist unter anderem wegen der Serie ins Land gereist, rund 350.000 Menschen.
Ab August: „House of the Dragon“
Szenen für GoT entstanden außerdem in Kroatien, Spanien, Marokko, Malta und Island. Die meisten aber – etwa 70 Prozent – in Nordirland. Und obwohl die letzte Staffel der Serie 2019 über die Bildschirme lief, wird der Hype um Westeros wohl noch lange anhalten: Am 21. August startet der US-Sender HBO mit „House of the Dragon“ einen ersten Ableger von GoT. Erzählt wird die Geschichte der Familie Targaryen, beginnend 300 Jahre vor den Ereignissen in "Game of Thrones". In Deutschland wird es die Serie sofort auch auf Sky geben.
Die Serie erwies sich als gigantischer Jobmotor. Nicht nur, dass viele Nordiren als Statisten anheuerten. Auch zahlreiche Kunsthandwerker hatten alle Hände voll zu tun mit der Herstellung von prunkvollen Gewändern, Schwertern und aufwendig verzierten Möbeln. Laut Robinson „gibt es in ganz Nordirland keinen Menschen, der nicht jemanden kennt, der etwas mit GoT zu tun hatte.“
Atemberaubend schön: Die Causeway Coastal Route
Viele Drehorte der Serie liegen an der Causeway Coastal Route, einer knapp 200 Kilometer langen und mitunter recht schmalen Panoramastraße entlang der zerklüfteten Küste Nordirlands, die von der Hauptstadt Belfast bis nach Londonderry reicht. Nicht ohne Grund ist die Region ein beliebter Ort bei Filmemachern: Die Landschaft ist vielfältig und atemberaubend schön. Grüne, hügelige Wiesen voller Schafe und Kühe hier, schroffe, steile Klippen und breite Strände mit feinem Sand da. Dazu gibt es kleine, beschauliche Fischerdörfer und Ruinen alter Burgen.
Wir stehen am malerischen Strand von Ballintoy, einem kleinen Dorf an der Nordküste der Insel. Es ist sonnig und ziemlich windig, die Wellen brechen mit lautem Tosen. Hier, erklärt Flip Robinson, verbrannte Melisandre, Priesterin des Herrn des Lichts, in der sechsten Staffel den Bannerträger von Stannis Baratheon. Wenige Gehminuten entfernt, im Hafen des Dorfes, entstanden etliche Szenen um die GoT-Figur Theon Graufreud von den Eiseninseln. So wie hier informieren Tafeln an vielen Filmorten, welche Szene am jeweiligen Ort gedreht wurde. Zudem hilft eine App bei der Suche nach den Filmspots.
Unesco-Welterbestätte Giant’s Causeway
Die Küstenroute führt auch am spektakulären Giant’s Causeway (dt. „Damm des Riesen“) vorbei, seit 1986 Unesco-Welterbestätte. Vulkanische Aktivitäten formten hier vor etwa 60 Millionen Jahren rund 40.000 gleichmäßig geformte Basaltsäulen – die größten mit einer Höhe von zwölf Metern. Der Legende nach zeichnet der Riese Fionn mac Cumhaill dafür verantwortlich. Für Whiskey-Liebhaber dürfte interessant sein, dass sich in der Nähe die Stadt Bushmills mit ihrer Brennerei befindet.
Wälder findet man in Nordirland kaum. Im Tollymore Forest bei Newcastle entstanden Szenen der ersten GoT-Staffel. Weil der Wald ziemlich groß ist, nutzen wir E-Bikes für unsere Tour. Wir besuchen den Ort aus der ersten Folge, in dem ein junger Mann der Nachtwache von weißen Wanderern getötete Wildlinge findet – in einer Art Kuhle, umringt von hohen Fichten. Danach halten wir an einem großen Stein am Spinkwee River, an dem Ned Stark, Lord von Winterfell, und seine Söhne die tote Schattenwölfin mit ihren Welpen findet. Auf Außenstehende mögen solche Details lächerlich wirken – Fans wie mir dagegen sind sofort wieder alle Filmszenen präsent. Und auch die Nicht-Fans in unserer Reisegruppe finden den Wald wunderschön, nicht zuletzt wegen riesiger Zedern mit ihren samtig-schwarzen Stämmen.
Unsere nächste Station ist das Castle Ward in Strangford. Der Innenhof der Wirtschaftsgebäude taucht als Winterfell, Anwesen des mächtigen Hauses Stark, besonders oft in der ersten Staffel auf. Im Film sieht man die Stark-Kinder etwa beim Bogenschießen und erlebt, wie König Robert Baratheon zu Besuch kommt, um Ned Stark zu seiner neuen „Hand“ zu befördern. Das Gehöft sieht in Wirklichkeit viel schlichter aus als im Film. In einem Video vor Ort erfährt man, wie der Drehort am Computer aufgepeppt wurde. Die Filmvorführung ist der Beginn der sogenannten Winterfell Experience: Mit Mänteln im Stil der Serie bekleidet üben wir, mit Pfeil und Bogen zu schießen sowie Äxte zu werfen. Bittere Erkenntnis des Tages: Als Statistin bei einer der zahlreichen Schlachten im Film wäre ich ein Totalausfall.
Game of Thrones Studio Tour: Blick hinter die Kulissen
Neben den vielen Außendrehorten wurden Szenen von GoT auch in den Linen Mill Studios in Banbridge gedreht. Im Februar dieses Jahres eröffnete dort eine Ausstellung, die Besucher noch tiefer in die Serienwelt der Sieben Königreiche eintauchen lässt. Die „Game of Thrones Studio Tour“ zeigt originale Kostüme, Requisiten und Filmsets, darunter die Winterfell-Krypta und den Raum in der Schwarzen Festung, in dem Jon Schnee durch Magie wieder zum Leben erweckt wird.
Zur Eröffnung, so erzählt PR-Manager Alex McGreevy, seien auch einige Stars der Serie gekommen. Dabei flossen wohl sogar ein paar Tränen der Rührung bei BranDarsteller Isaac Hempstead-Wright, als er das Bett wiedersah, in dem er am Set viel Zeit verbringen musste. Auch, um für die Kameraeinstellung den Faltenwurf seiner Zudecke nicht zu verändern. Durch die Ausstellung führen smarte GoT-Fans, die gefühlt jedes Detail der Serie kennen. Sie haben das Glück, auf diese Weise Job und Hobby verbinden zu können.
So wie Flip Robinson: „Es ist erstaunlich, die Serie hat die Dinge, mein Leben so positiv verändert. Das hat sie wirklich.“
Die Recherche wurde unterstützt von Tourism Northern Ireland.